„Sie haben gewonnen!“ Telefon-Betrüger vor Gericht
180000 Menschen sollen betroffen sein
Mannheim Vor der Mannheimer Wirtschaftsstrafkammer hat gestern ein Mammutprozess begonnen. Vor Gericht müssen sich acht Angeklagte verantworten, die jahrelang vor allem ältere Menschen mit falschen Gewinnversprechen abgezockt haben sollen.
Computer, Grillgeräte oder Reisen wurden versprochen
Auf über 1000 Seiten hat die Staatsanwaltschaft die Vorwürfe gegen sieben Männer und eine Frau aufgelistet. Demnach versandten die Angeklagten 2,9 Millionen standardisierte Schreiben vorwiegend an Senioren, in denen ihnen mitgeteilt wurde, dass sie etwas gewonnen hätten.
Um den Gewinn zu erhalten, wurde eine Registrierung unter einer 0900er-Nummer verlangt. Preis pro Minute: 2,99 Euro, wie im Kleingedruckten leicht zu überlesen war. In freudiger Erwartung sollen sich rund 180000 Personen in den Jahren 2008 bis 2010 telefonisch gemeldet haben.
Die Anrufer seien bis zu 20 Minuten von einem Sprachcomputer hingehalten worden, sagte Staatsanwalt Thomas Pfeiffer. Zwar hätten einige von ihnen später einen Gewinn erhalten. Dessen Wert sei jedoch weit niedriger gewesen, als versprochen. Staatsanwalt Pfeiffer spricht von „wertlosem Nippes“. Dem widerspricht Verteidiger Andreas Liebers, der einen der Angeklagten vertritt. Anrufer hätten iPods, Grillgeräte, Computer oder eine Reise in die Türkei gewonnen.
Profitiert haben nach den Ermittlungen aber vor allem die Angeklagten. Ihnen sei es darauf angekommen, die Gespräche in die Länge zu ziehen und damit hohe Gebühren zu kassieren. Die Staatsanwaltschaft geht von einem Gesamtschaden von 3,7 Millionen Euro aus, die den Anrufern entstanden seien. Es sei auffällig, dass viele von ihnen im Greisenalter sind, sagte Pfeiffer. Mit den Einnahmen sollen die Angeklagten einen aufwendigen Lebensstil gepflegt haben.
Vier Angeklagte befinden sich in Untersuchungshaft, vier weitere sind auf freiem Fuß. Für den Prozess hat die Wirtschaftsstrafkammer 37 Verhandlungstage anberaumt. Ein Urteil ist für den 20. Dezember geplant.
Die Polizei durchsuchte Gebäude in verschiedenen Ländern
Die intensiven Ermittlungen waren in Deutschland, der Schweiz, Österreich, Frankreich und Spanien geführt worden. Durchsucht wurden im Herbst letzten Jahres 33 Firmen und Privatwohnungen sowie eine Rechtsanwaltskanzlei. Beteiligt waren zwei Staatsanwälte und 200 Polizisten. Vier Verdächtige wurden von spanischen Behörden in Palma de Mallorca verhaftet.
Mit verdeckten kriminaltechnischen Maßnahmen und Finanzermittlungen sei es gelungen, „die Strukturen und Machenschaften aufzuhellen und ausreichend Beweismaterial zusammenzutragen, um Haftbefehle und Durchsuchungsbeschlüsse bei Gericht zu erwirken“, hieß es in einer gemeinsamen Presseerklärung der Staatsanwaltschaft Mannheim und der Polizeidirektion Offenburg vom 1. Oktober 2010.
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