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Gewalt
07.09.2017

So brutal ist der Job von Rechtsmedizinerin Saskia Etzold

Saskia Etzold von der Gewaltschutzambulanz in Berlin. Sie sagt: Auf Deutschlands Straßen geht es aggressiver zu als früher.
Foto: Jörg Carstensen, dpa

Ihr jüngstes Gewaltopfer war zwei Tage alt, das älteste über 90 Jahre. In einer speziellen Ambulanz erlebt die Ärztin die Abscheulichkeiten des Alltags. Wie erträgt sie das nur?

„Wenn du gehst, mach ich dich tot.“ So simpel kann eine Morddrohung klingen. Trotzdem ruft Saskia Etzold dann nicht die Polizei. Jedenfalls nicht automatisch. Selbst wenn da eine Frau vor ihr steht, grün und blau geschlagen von ihrem Mann, vielleicht sogar vergewaltigt; eine Situation, die nach den Gesetzeshütern schreit. Doch die Rechtsmedizinerin ist bei Erwachsenen zum Schweigen verpflichtet. Der Schritt, die Polizei einzuschalten, muss von der Betroffenen selbst ausgehen. Das mit dem Schweigen, das hat schon seinen Sinn bei der Berliner Gewaltschutzambulanz.

Etzold, kurze, blonde Haare, auffällige Brille, verbindliches Lächeln, ist deren Vize-Chefin. Sie weiß: Hätten Frauen nicht die Zusicherung, dass ihr Anliegen vertrauensvoll behandelt wird, würden sie erst gar nicht kommen. Die Ärztin kann dennoch eine ganze Menge für solche Frauen tun: Verletzungen dokumentieren, Beratungsstellen empfehlen oder ein Frauenhaus.

Die Gewaltschutzambulanz liegt hinter einem hohen Zaun in einer stillen Straße im Stadtteil Moabit, direkt neben der Rechtsmedizin der Charité. Wer rein will, muss klingeln und mehrere Türen passieren, die sofort wieder zuschnappen. Ein bisschen wie im Gefängnis. Nur, dass die Täter draußen herumlaufen und die Opfer drinnen sitzen. Auf den Tischen stehen Taschentuch-Boxen. Hier wird viel geweint.

Seit 2014 ist die Ambulanz so etwas wie ein Seismograph in der Hauptstadt geworden. Einer, der gesellschaftliche Entwicklungen manchmal früher und feiner messen kann als Polizei und Justiz. Saskia Etzold und ihre Kolleginnen sehen jeden Tag die ganze Bandbreite von Gewalt: blaue Flecken, Knochenbrüche, Stichverletzungen, Würgemale, Verbrennungen, Spuren sexueller Übergriffe. Im Schnitt kommen 100 Menschen im Monat.

Viele Gewalttaten tauchen im Polizeibericht nicht auf 

Oft sind es Gewalttaten, die im Polizeibericht nicht auftauchen. Rund die Hälfte der erwachsenen Betroffenen will keine Anzeige erstatten und damit kein Gerichtsverfahren durchziehen. Aus Scham, aus Angst vor dem Partner, aus Angst um den Job – oder im festen Glauben, damit allein fertig zu werden. Ein Gutachten der Ambulanz ist dann wie eine private Rückversicherung. Denn: Die Opfer können ihre Verletzungen vertraulich und kostenlos dokumentieren lassen, und selbst wenn sie sich erst später zu einer Anzeige durchringen, zählt die Dokumentation bei einer Verhandlung vor Gericht. Oder auch bei einem Scheidungsverfahren.

Nach der jüngsten Kriminalstatistik zählt Berlin zu den gefährlichsten Großstädten Deutschlands. Auf 100.000 Einwohner kommen 16.160 Straftaten. Etzold beeindrucken solche Superlative wenig. Sie beobachtet anders. „Die Zahl der Gewalttaten ist relativ konstant. Aber die Hemmschwelle sinkt. Das ist der Punkt“, sagt sie. Früher hätten aggressive Schaulustige keine Rettungssanitäter angegriffen. Kaum jemand sei wegen einer langen Wartezeit in der Notaufnahme ausgerastet. Busfahrer, Polizisten oder Leute von der Sicherheitswacht seien seltener bespuckt und geschlagen worden. Ganz zu schweigen von dem, was sich verfeindete Nachbarn alles antun.

In Etzolds Arbeitszimmer liegen neben Büchern blanke weiße Knochen in einer Glasvitrine. Manche haben ein kleines rundes Loch – Spuren von Schussverletzungen. „Ich finde das weder makaber noch igitt“, sagt sie mit einem Seitenblick auf die Sammlung aus der Rechtsmedizin. „Wir Lernen von den Toten für die Lebenden“, ergänzt sie. „Wie weich ist ein Kinderschädel? Wann bricht eine Rippe?“ Etzold ist bei solchen Beschreibungen sehr direkt. Es geht ihr nicht um den Gruselfaktor. Es ist die Realität.

„Alltagsgewalt wird in unserer Gesellschaft unterschätzt“, findet sie. Stereotype griffen nicht, Gewalt sei zum Beispiel nicht per se „bildungsfern“. „In der Villa in Zehlendorf wird genauso geprügelt wie in der Platte in Marzahn.“ Nur subtiler. „Hartz IV haut ins Gesicht. Akademiker schlagen dahin, wo es niemand sieht.“ Ihr jüngstes Gewaltopfer war zwei Tage alt, das älteste über 90 Jahre.

Sie ist eine Frau der klaren Worte

Die Rechtsmedizinerin ist in ihren Dokumentationen eine Frau der klaren Worte. Ein Oberarmbruch heißt Oberarmbruch und nicht „Humerus fx“. Aus den Gutachten soll jeder verstehen können, wie zugeschlagen, zugestochen oder wie die Hände eines Kindes auf eine heiße Herdplatte gedrückt wurden.

Gemeinsam mit ihrem Chef Michael Tsokos hat Etzold ein Buch geschrieben: „Deutschland misshandelt seine Kinder“. Es schildert nicht nur unfassbare Grausamkeiten, es liest sich wie eine Abrechnung mit dem deutschen Hilfesystem – überforderte Jugendämter, unerfahrene Familienhelfer, ahnungslose Kinderärzte, naive Richter. Ein subjektiver Blick. „Ich habe Empathie mit allen Opfern. Aber Kinder können nicht ihre Koffer packen und gehen“, sagt Etzold. „Wenn Eltern, die ihr Kind nachweislich misshandelt haben, es trotzdem weiter sehen dürfen, dann geht mir das nicht in den Kopf.“

Etzold ist 36 Jahre alt. Gewalt war für sie lange ganz weit weg. „Behütetes Einzelkind aus Hamburg“, sagt sie und ergänzt schmunzelnd „bildungsnah“. Heute weiß sie, dass alles zur Waffe werden kann. Sogar der Schilfwedel, der eine Wohnzimmerwand schmückte, bis ein Mann damit auf seine Frau eindrosch. Solche Schnittwunden hatte die Ärztin noch nie gesehen. Gewalt und immer wieder Gewalt. Männer gegen Frauen, Männer und Frauen gegen Kinder. Seltener Frauen gegen Männer. Gibt es aber auch. Da wundert es, wenn Etzold betont: „Ich mag meinen Beruf.“

Auch, wenn er sie manchmal an die eigene Schmerzgrenze führt. Die Gespräche mit den überlebenden Opfern des Terroranschlags vom 19. Dezember 2016 auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche gehören zu den Erinnerungen, die sie bei aller professionellen Distanz nicht aus dem Kopf bekommt. Mit wem kann sie reden, außer den Kollegen? „Mit meinem Mann.“

Veit Etzold ist Thriller-Autor. Zu einem Bericht der Bild-Zeitung über ihre Hochzeit, wonach sich die Blicke der Liebenden das erste Mal über der Leiche eines Erhängten kreuzten, sagt Saskia Etzold: „Stimmt.“ Bei ihrer ersten Begegnung war der Schriftsteller gerade auf Recherche in der Rechtsmedizin. Es sei aber nicht die gruseligste Hochzeit des Jahres gewesen, wie ebenfalls beim Boulevard zu lesen war, ergänzt sie. „Ich fand sie wunderschön.“ Wenn das Paar beim Abendbrot über Leichen redet, ist das nichts Ungewöhnliches. Es gibt Verständnis auf beiden Seiten.

Zum Alltag in der Ambulanz gehört, was sich selbst Romanautoren nur schwer ausdenken können. Neben der unvorstellbaren Bandbreite an häuslicher Gewalt gehören Vergewaltigungen dazu. Von den Erwachsenen sind drei Viertel Frauen, die hier Hilfe suchen. Etzold beobachtet auch hier eine gesellschaftliche Veränderung. „Manchmal denke ich, dass die Diskussion über Rocklängen wieder auflebt. Samt der Unterstellung, eine Frau sei ja selbst Schuld, weil sie durch ihre Kleidung provoziert“, sagt sie.

Das macht sie wütend, genauso wie die Argumentation mancher Sozialarbeiter aus dem islamischen Kulturkreis. „Sie sagen, Gewalt gegen Frauen und Kinder müssten wir hier akzeptieren, weil die andere Kultur das nicht anders kenne.“ Der Rechtsmedizinerin ist die Empörung anzumerken. Mittlerweile hat sie einige Erfahrung mit geflüchteten Frauen. Die lernten schnell, dass Gewalt in Familien in Deutschland verboten ist. „Und sie kommen zu uns. Mit Dolmetschern, mit Schwestern oder mit Freundinnen.“

In Ulm gibt es ein ähnliches Projekt

Mittlerweile gibt es mehrere solcher Einrichtungen in Deutschland, etwa an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Oder in Ulm. Dort kooperieren die Frauenklinik der Universität und die Beratungsstelle „Frauen helfen Frauen“. Seit drei Jahren können sich Opfer sexueller Gewalt rund um die Uhr an der Frauenklinik kostenlos und vertraulich untersuchen lassen – auch, um mögliche Beweismittel der Tat sichern zu lassen, DNA-Spuren etwa. „Diese werden zwei Jahre in der Klinik aufbewahrt“, sagt Oberärztin Dr. Annette Handke-Vesely.

Den Ärzten hier ist es wichtig, dass die Frauen auch nach der Behandlung betreut werden – deshalb das Projekt mit der Beratungsstelle. „Es ist wichtig, die Frauen nicht zu drängen, zur Polizei zu gehen, das kann kontraproduktiv sein“, sagt Sozialpädagogin Sonja Fröhlich. „Es geht in erster Linie darum, Hilfe zu leisten.“ Und steigt auch hier das Ausmaß an Gewalt? Ist Ulm da nicht anders als Berlin? „Die Situation ist seit Jahren vergleichsweise stabil“, sagt Handke-Vesely. Im Bereitschaftsdienst werde alle ein bis zwei Wochen eine Frau behandelt, bei der ein Vergewaltigungsverdacht vorliege. Und auch Fröhlich sagt, die Zahl der Beratungen sei „nicht signifikant gestiegen“.

Aber natürlich macht das keinen einzigen Fall besser. Saskia Etzold, die Rechtsmedizinerin aus Berlin, will das nicht hinnehmen. „Jeder Mensch ist bei akuten Bedrohungen zu allem fähig“, sagt sie. „Aber wo ist denn in diesem Land bitteschön die akute Bedrohung?“ Für Etzold gibt es zu viele Entschuldigungen für Gewalt, zu viele zerfasernde Diskussionen. „Manchmal erinnert mich das an die Sandkastenlogik von Kleinkindern: Der hat aber angefangen“, sagt sie. Statt zu sagen: Gewalt ist immer indiskutabel.

Was sie beeindruckt, ist Zivilcourage. Das fängt dabei an, Beleidigungen in Bus und Bahn nicht zu dulden. Es wird zur Hochachtung vor den Männern, die jüngst in Hamburg einen Attentäter samt Messer in Schach hielten, bis die Polizei kam. Doch Zivilcourage ist etwas, von dem Gewaltopfer in Berlin immer seltener erzählen. Noch so ein Trend. mit dpa

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