Terror-Cousine: Vom feiernden Cowgirl zur IS-Selbstmordattentäterin
Wer sie von früher kannte, kann es kaum fassen: Hasna Aït Boulahcen hat sich beim Anti-Terroreinsatz in Saint-Denis selbst in die Luft gesprengt. So wurde sie zur IS-Attentäterin.
Wer sie von früher kannte, kann es kaum fassen: Hasna Aït Boulahcen, dieses lebenslustige, etwas verrückte Mädchen mit dem Cowboyhut soll die Terroristin sein, die sich am Mittwochmorgen bei einem spektakulären Anti-Terror-Einsatz in der Pariser Vorstadt Saint-Denis in die Luft gesprengt hat? Noch vor kurzem habe Boulahcen ihm erzählt, dass sie glücklich und mit einem Marokkaner verlobt sei, sagt ein Ex-Nachbar gegenüber einer Zeitung. Ich höre mit meinen Dummheiten auf, versicherte sie demnach.
Innerhalb weniger Monate hatte sie sich von einem rauchenden und trinkenden Cow-Girl in eine glühende Anhängerin des Terrornetzwerks Islamischer Staat (IS) verwandelt, die zu allem bereit ist: zum Morden wie zum Sterben. Ich habe sie nie einen Koran öffnen sehen, zitieren französische Medien ihren Bruder. Er trauere um die Opfer. Und doch wurde die 26-Jährige zur ersten weiblichen IS-Kamikaze Europas.
Abdelhamid Abaaoud war am Tatabend in der Nähe des Bataclan
Am Freitag konnte ihre Leiche eindeutig identifiziert werden. Noch ist unklar, ob die Französin mit marokkanischen Wurzeln wirklich die Cousine von Abdelhamid Abaaoud war, der einen belgischen Pass hatte und als Drahtzieher der Pariser Terrorserie gilt. Von ihm ist inzwischen bekannt, dass er am Tatabend in einer U-Bahnstation im Pariser Vorort Montreuil von Überwachungskameras gefilmt wurde, während im Konzertsaal Bataclan noch die Schießerei mit Geiselnahme im Gange war.
Wie Boulahcen starb er fünf Tage später bei dem Antiterror-Einsatz in ihrem Versteck unweit des Fußballstadions Stade de France in Saint-Denis, einem der sechs Tatorte. Außerdem wurde dort der Körper einer weiteren toten Frau gefunden, deren Identität noch nicht bekannt ist. Der Terrorzelle kamen die Ermittler offenbar durch das Abhören von Boulahcens Telefon auf die Spur.
Lobeshymnen auf Freundin des Terroristen Amédy Coulibaly
Ein Video hat die Momente festgehalten, kurz bevor eine Eliteeinheit der französischen Polizei die Wohnung stürmte. "Wo ist dein Freund?", schreit darauf ein französischer Polizist. Sie brüllt zurück: "Er ist nicht mein Freund!" Dann detoniert ihr Sprengstoffgürtel. Hatte sie versucht, noch Einsatzkräfte mit sich in den Tod zu reißen?
Offenbar war die junge Frau früher in Drogendelikte verstrickt und außerdem als Geschäftsführerin einer Baufirma eingetragen, die gerade liquidiert wird. Im Internet hatte die junge Frau Lobeshymnen auf Hayat Boumeddienne veröffentlicht, die Freundin des Terroristen Amédy Coulibaly, der im Januar in Paris eine Polizistin erschoss sowie vier Menschen in einem jüdischen Supermarkt. Boumeddienne soll danach über die Türkei nach Syrien ausgereist sein. In ihrem Facebook-Profil präsentiert sich Hasna Aït Boulahcen mit Waffen und Ganzkörperschleier. In diesem Aufzug habe sie sie zunächst gar nicht erkannt, als sie sie nach längerer Zeit wiedersah, erzählt Khemissa, eine Freundin aus Kindertagen: "Sie sagte mir, sie werde nach Syrien fahren, den Dschihad machen. Aber da sie immer ein wenig verrückt war, habe ich sie nicht ernst genommen."
Weibliche Selbstmordattentäterinnnen beim IS ungewöhnlich
Boulahcen galt als instabil, stammte aus einem zerrütteten Elternhaus und lebte im Alter von acht bis 15 Jahren bei einer Pflegefamilie. Regelmäßig soll sie ihren Vater im lothringischen Ort Creutzwald besucht haben, der in einem Peugeot-Werk in der der Nähe arbeitete. Nachdem sie zunächst ein Mädchen wie alle anderen gewesen sei, wurde sie im Teenageralter immer unzugänglicher, beeinflusst von schlechtem Umgang, bezeugt ihre Pflegemutter anonym in den Medien. Angesichts der Terroranschläge in New York am 11. September 2001 habe das Kind vor dem Fernseher applaudiert.
Als 2008 der Kontakt abbrach, habe sie sich gesagt: "Sie ist verloren." Der Spezialistin Fatima Lahnait, die einen Bericht über Kamikaze-Frauen veröffentlicht hat, zufolge beträgt deren Anteil an den Selbstmordattentätern allgemein rund 15 Prozent. Beim IS sei dies aber sehr ungewöhnlich, wo Frauen im Regelfall als Basis im Hintergrund, physische, moralische und psychologische Stütze dienten. Aber es könnte sich auch um ein Signal handeln. Bei einer Frau erhöht sich die Auswirkung eines solchen Aktes auf die Gesellschaft. Nach Einsatz in Saint-Denis: Polizei findet dritte Leiche in Wohnung
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