Warum ein Kölner Staub sammelt
Seit 13 Jahren archiviert der Künstler Wolfgang Stöcker Dreck aus aller Welt
Gerade gibt es frischen Staub aus Georgien. „Den hat mir ein Nachbar von einer Geschäftsreise mitgebracht“, freut sich Wolfgang Stöcker über die feinen Brösel aus einer Kirche. Der Beutel – Typ Drogentütchen – wandert samt Nummer und Notizen in einen Aktenordner. Damit ist das Pröbchen ganz offiziell Teil des Deutschen Staubarchivs. Der Künstler und Historiker Stöcker hat es gegründet. „Ich hatte nach einer Verbindung von Kunst und Geschichte, Humor und Vergänglichkeit gesucht“, erzählt der 47-Jährige.
In gut 20 Ordnern hortet er rund 400 Proben aus aller Welt, fein unterteilt in „Kulturstäube“ etwa aus Museen, „Politische Stäube“ aus Parlamenten oder Rathäusern, „Kulinarische Stäube“ vor allem aus Weinkellern, „Naturraumstäube“ und „Musikalische Stäube“ aus berühmten Instrumenten wie etwa Beethovens Hammerflügel.
Die umfangreichste Rubrik des Archivs trägt die Überschrift „Sakrale Stäube“: Flusen, Wollmäuse oder Körnchen aus der weltgrößten Moschee in Abu Dhabi, einem Tempel in Laos oder der Klagemauer, vor allem aber aus unzähligen Kirchen wie dem Hamburger Michel oder dem Kölner Dom.
2004 hat er mit einigen Briefen an Kirchen, in denen er um Staubproben bat, begonnen. Als das Aachener Domkapitel nach dem Sinn des Ganzen fragte, fing er an, sich mehr mit Staub zu befassen, und fragte sich: „Was hat es damit auf sich?“
Die Antworten fallen so vielschichtig aus wie der Staub in einem alten Keller. So sei die Substanz meist nichts anderes als Architekturabrieb und damit ein Symbol für Kultur. Zudem sei Staub „ein Demokrat“, weil er auch vor Palästen nicht haltmache. Solche Gedankenspiele freuen auch Stöckers viele „Staubscouts“ – also Menschen, die für ihn Staub sammeln. Durch sie ist er zu Proben aus Lüftungsschächten des Empire State Building, von der Chinesischen Mauer, dem früheren Düsseldorfer Stadion und vom Taj Mahal gelangt.
Doch bei allem Sammlerstolz – bestimmte Stäube kommen für Stöcker nicht in die Tüte. „Mir wurde einmal Staub aus einem Foltergefängnis der Roten Khmer in Kambodscha angeboten. Das habe ich abgelehnt, weil er mit zu viel negativer Energie aufgeladen ist.“
Wo Stöcker gerne mal richtig abstauben würde? „Ich schreibe seit Jahren die Bundespräsidenten an, aber die reagieren nie. Und Frau Merkel schickt auch keinen Staub“, klagt er. (kna)
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