Zwei Tote, 27 Verletzte: Rentner kommt nach Irrfahrt vor Gericht
Ein Rentner verwechselt Gas und Bremse seines Automatikautos. Der Wagen rast in die Menschenmenge. Es gibt zwei Tote und 27 Verletzte. Knapp ein Jahr danach beginnt der Prozess.
Am Ort des Unglücks sind die Spuren des damaligen Geschehens längst beseitigt. Straßencafés haben ihre Tische und Stühle wieder ins Freie gestellt, Geschäfte und Marktleute ihre Stände aufgebaut. Die kleine Gasse in der historischen Altstadt von Bad Säckingen am Hochrhein ist belebt mit Einheimischen und Touristen.
Vor knapp einem Jahr war hier ein Rentner mit seinem Auto in die Menschenmenge gerast. Er hatte den Ermittlungen zufolge Gas und Bremse seines Automatikautos verwechselt. Es gab zwei Tote und 27 Verletzte. Nun beginnt der Prozess gegen den heute 85-Jährigen.
Das Amtsgericht in der 17 000 Einwohner zählenden Kleinstadt im Süden Baden-Württembergs, direkt an der Grenze zur Schweiz, verhandelt von diesem Dienstag (2. Mai/9.00 Uhr) an einen Fall, der Anfang Mai vergangenen Jahres überregional in die Schlagzeilen kam - und generelle Fragen aufwarf nach der Kompetenz von Senioren im Straßenverkehr. Vor Gericht steht ein Rentner, dessen Auto über das Kopfsteinpflaster sowie durch zwei Straßencafés raste und erst an der Sitzbank vor einem Modegeschäft zum Stehen kam.
Zwei Tote und 27 Verletzte
Eine 63 Jahre alte Frau sowie ein 60 Jahre alter Mann kamen durch die Irrfahrt des Rentners ums Leben. Beide wurden von dem Auto erfasst. 27 Menschen wurden verletzt, 9 von ihnen schwer. Sie waren in der Fußgängerzone unterwegs, als das Auto dort plötzlich auf sie zuraste. Das Unglück hatte sich an einem Samstagmittag in der bei Touristen und Ausflüglern beliebten Innenstadt des Ortes ereignet.
Angeklagt ist der Rentner wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung, sagt eine Gerichtssprecherin. Bei einer Verurteilung drohen ihm laut Strafgesetzbuch (StGB) bis zu fünf Jahre Haft oder eine Geldstrafe. Bei fahrlässiger Körperverletzung sind es den Angaben zufolge bis drei Jahre Gefängnis oder eine Geldstrafe.
"Uns bot sich ein Bild des Schreckens", erinnert sich ein Helfer, der damals Verletzte versorgte. Der Wagen sei mit hoher Geschwindigkeit unkontrolliert in die Menschenmenge gefahren. Es habe für die Passanten keine Chance gegeben, auszuweichen.
Fahrer stark mitgenommen
Den Führerschein musste der Mann gleich nach dem Unfall abgeben, sagt eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Der Senior darf seither nicht mehr Auto fahren. Auch er war damals verletzt worden. Das Unglück, sagen Ermittler, habe den Mann stark mitgenommen. Vor Gericht wird er Angehörigen und Hinterbliebenen von Opfern gegenüberstehen. Zwei von ihnen sind in dem Prozess als Nebenkläger vertreten. Mit einem Urteil wird Gerichtsangaben zufolge Mitte Mai gerechnet (Az.: 2 LS 24 JS 3442/16).
Der Unfall hatte eine Debatte über Senioren als Autofahrer ausgelöst. Das Bundesverkehrsministerium sowie der ADAC lehnten danach eine strengere Überprüfung von Senioren mit Pflichttests erneut ab. Der ADAC rief Senioren aber dazu auf, sich selbst kritisch unter die Lupe zu nehmen und im Zweifel Rat bei einem Mediziner zu holen.
Zudem können Senioren, wenn sie an ihrer Fahrtauglichkeit zweifeln, den Führerschein freiwillig abgeben. Zu einem Anstieg solcher freiwilligen Führerscheinabgaben führte der spektakuläre Fall in Bad Säckingen in der Region aber nicht, sagt eine Sprecher des Landratsamtes Waldshut. Die Zahlen seien seit Jahren stabil.
Führerschein für Busfahrtkarte
Pro Jahr geben in dem ländlich geprägten Landkreis den Angaben zufolge im Durchschnitt 60 bis 70 Senioren ihren Führerschein freiwillig ab. Im Gegenzug erhalten sie für ein Jahr freie Fahrt mit Bussen und Bahnen in dem Landkreis. Dieses Angebot, das es auch andernorts gibt, wird von den Behörden als Erfolg gewertet. Bevor es hierfür Freifahrttickets gab, hatten in dem Kreis im Schnitt nur fünf Senioren pro im Jahr ihren Führerschein freiwillig abgegeben. Landes- oder bundesweite Zahlen hierzu gibt es den Angaben zufolge nicht. dpa
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