80 Tote - Kabul trauert um Opfer von blutigstem Anschlag seit 2001
In Kabul starben bei einem Anschlag 80 Menschen. Es ist damit der blutigste Anschlag in der Stadt seit 15 Jahren.
Nach dem blutigsten Attentat in Kabul seit dem Ende der Taliban-Herrschaft 2001 hat die afghanische Hauptstadt um die 80 Todesopfer getrauert. Mehr als 230 Menschen wurden bei dem Anschlag am Samstag auf eine Demonstration von Angehörigen der schiitischen Minderheit der Hasara getötet. Zu der Bluttat bekannte sich die sunnitische Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS). International wurde der Angriff scharf verurteilt.
ausende Hasara hatten in Kabul für den Bau einer Stromtrasse in ihrer vernachlässigten Heimatprovinz Bamijan demonstriert, als inmitten der Menschenmenge zwei Sprengsätze detonierten. Ein AFP-Fotograf sah am Tatort dutzende zum Teil völlig zerfetzte Leichen. Noch am Sonntag war der Tatort von Schuhen, Ausweisen und Protestbannern übersät. Die Krankenhäuser waren mit der Versorgung der vielen Verletzten überlastet.
Die Dschihadistenmiliz IS bekannte sich zu dem Anschlag. Die IS-nahe Agentur Amaq meldete, zwei IS-Kämpfer hätten sich "inmitten einer Versammlung von Schiiten" in die Luft gesprengt. Die in Afghanistan weitaus mächtigeren Taliban, die gerade mitten in ihrer Sommeroffensive gegen die Armee stecken, wiesen dagegen jede Beteiligung von sich.
Präsident Aschraf Ghani verurteilte den Anschlag und ordnete für Sonntag Staatstrauer an. "Ich verspreche Euch, dass ich das Blut unserer Geliebten an den Tätern rächen werde, wo immer sie seien", sagte Ghani. Den Anschlagsort benannte er um in "Platz der Märtyrer". Obwohl aus Sicherheitsgründen ein zehntägiges Versammlungsverbot verhängt wurde, harrten viele Hasara in der Nacht am Anschlagsort aus.
Dass der blutigste Anschlag in Kabul seit dem Sturz der radikal-islamischen Taliban Ende 2001 auf das Konto der IS-Miliz geht und nicht der weit mächtigeren Taliban, ist ungewöhnlich. Die Dschihadisten waren bislang vor allem in der ostafghanischen Provinz Nangarhar aktiv. Die afghanische Armee geht seit Monaten mit der Luftunterstützung von Nato-Kampfflugzeugen in Nangarhar gegen die Gruppe vor.
Erst kürzlich meldete die Nato, dass die IS-Miliz seit Januar in Nangarhar deutlich an Boden verloren habe und geschwächt sei. Der Analyst Ahmad Saidi sagte, es gebe "keinen Zweifel", dass die Gruppe in Nangarhar unter großem Druck stehe und deshalb zu Anschlägen wie in Kabul greife. Laut dem afghanischen Geheimdienst steht einer der IS-Kommandeure von Nangarhar namens Abu Ali hinter der Tat.
Anschlag in Kabul international verurteilt
Der Anschlag wurde international verurteilt. Die UNO bezeichnete den Angriff auf Zivilisten als "Kriegsverbrechen", während die US-Regierung erklärte, der Anschlag sei besonders schändlich, weil er sich gegen eine friedliche Demonstration gerichtet habe. Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) verurteilte den "furchtbaren Terroranschlag", der offenbar "möglichst viele Menschen in den Tod reißen" sollte.
Der Iran, der traditionell zu den Unterstützern der Hasara gehörte, bezeichnete das Attentat als "einen neuen Akt der Barbarei" der IS-Miliz. Außenminister Mohammed Dschawad Sarif rief zur Einheit der Konfessionen auf. "Schiiten und Sunniten müssen sich vereinen, um die Extremisten zu besiegen", sagte Sarif. Politische Beobachter glauben, mit dem Anschlag wolle die IS-Miliz Hass zwischen Schiiten und Sunniten säen.
Die rund drei Millionen Angehörigen der schiitischen Minderheit, die vor allem in der zentralafghanischen Provinz Bamijan leben, leiden seit altersher unter Diskriminierung. In den 90er Jahren wurden tausende Hasara von den sunnitischen Extremistengruppen Al-Kaida und den Taliban ermordet.
Zehntausende Mitglieder der Volksgruppe hatten bereits im Mai dagegen protestiert, dass die Hochspannungsleitung nicht wie ursprünglich geplant durch die Provinz Bamijan führen soll. Dass sie von der Stromtrasse abgeschnitten ist, deuten die Hasara als erneuten Beweis für die Diskriminierung ihrer Volksgruppe. Dagegen argumentiert Kabul, die geänderte Route sei kürzer und damit billiger. afp
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