Abwahl von Salomon: Droht das Ende des grünen Traums?
Freiburgs langjähriger Oberbürgermeister Dieter Salomon machte einst die Grünen mehrheitsfähig. Seine Wahlniederlage trifft die Partei jetzt ganz hart.
Die malerische Ecke von Deutschlands Südwesten mit der vom Schwarzwald umschlossenen Universitätsstadt Freiburg gilt als Geburtswiege der Grünen. Hier gründete sich in den Siebzigerjahren die schon damals in Teilen sehr bürgerliche Bewegung im Widerstand gegen das am Ende nie gebaute Atomkraftwerk Wyhl am nahen Kaiserstuhl.
Freiburg ist Wendepunkt für die Grünen - zum zweiten Mal
Und 2002 sendete die Stadt im Breisgau eine politische Sensation in die Bundesrepublik aus: Erstmals wurde ein Grüner Oberbürgermeister einer deutschen Großstadt. Es war der Beginn des Aufstiegs der Grünen zur regierungsfähigen Mehrheitspartei. Seit Sonntag steht Freiburg erneut für einen Wendepunkt der Grünen, die es zur stärksten politischen Kraft Baden-Württembergs gebracht haben: Die Regierungspartei hat möglicherweise ihren Zenit überschritten.
Die Niederlage des 16 Jahre lang regierenden grünen Oberbürgermeisters Dieter Salomon erregt weit über die Landesgrenzen so viel Aufsehen wie sein einstiger Einzug ins Rathaus. Der 57-Jährige wird trotz einer durchaus erfolgreichen Regierungsbilanz und einer skandalfreien Amtsführung nun von seinem 24 Jahre jüngeren Gegenkandidaten Martin Horn abgelöst: Der parteilose Pfarrerssohn galt bis vor wenigen Monaten noch als politischer Nobody, der hauptberuflich in der Stadt Sindelfingen Europa-Austauschprogramme organisiert hatte.
Allerdings entdeckten die im Südwesten bei der Landtagswahl auf unter 13 Prozent abgeschmierten Sozialdemokraten das große politische Talent des internetbegeisterten studierten Politikwissenschaftlers. Und im Wahlkampf wirkte der Kandidat Horn ein bisschen wie ein Dieter Salomon in jung.
SPD wittert nach Niederlage der Grünen Morgenluft
Der 33-Jährige trieb den altgedienten Oberbürgermeister vor allem mit der Wohnungspolitik vor sich her: Auch in der 230.000-Einwohner-Stadt Freiburg explodieren die Mieten und Immobilienpreise. So versuchen die Grünen in Bund und Land, die Salomon-Niederlage vor allem mit lokalpolitischen Gründen zu erklären.
„Nach 16 Jahren ist es in vielen Kommunen so, dass die Leute dann irgendwann sagen, jetzt brauchen wir auch mal jemand anderen an der Spitze“, sagte Grünen-Chefin Annalena Baerbock. Allerdings gilt gerade bei Oberbürgermeisterwahlen in ganz Deutschland, dass populäre Stadtoberhäupter in der Regel eher an der Altersgrenze als am Wählerwillen scheitern. Die von den Grünen an den Rand landespolitischer Bedeutungslosigkeit gedrängten Sozialdemokraten hoffen bereits auf einen Domino-Effekt: „Salomon 2018, Kuhn 2020, Kretschmann 2021: Das könnte der Beginn einer Serie sein.“
Mit Salomon verliert Winfried Kretschmann einen Mitstreiter
So tönte SPD-Landesvize Frederick Brütting mit Blick auf den Stuttgarter Oberbürgermeister und die nächste Landtagswahl. Tatsächlich dümpelt die Koalition von Deutschlands erstem grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann in einer schweren Krise vor sich hin – der innerparteiliche Dauerstreit der CDU lähmt die ganze Regierung.
Und kaum jemand stand neben Kretschmann zuletzt so sehr für das Modell einer grünen „CDU light“ wie der Freiburger OB. Im Lokalwahlkampf wurde Salomon von den Christdemokraten mit größerer Geschlossenheit unterstützt als von seiner eigenen Partei. Der Blick auf das Wahlergebnis zeigt, dass der grüne Pragmatiker am besten in ehemaligen CDU-Hochburgen abschnitt.
Allerdings lag er in 38 von 39 Wahlbezirken hinter seinen Herausforderern: Dreimal überholte ihn seine Gegenkandidatin und frühere Parteifreundin Monika Stein. Viele Linke in Salomons Partei unterstützten die Ex-Grüne. Die Niederlage des bürgerlichen Realpolitikers Salomon könnte damit auch andernorts den fast vergessenen Flügelstreit zu neuem Leben erwecken.
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