AfD und Pegida - die Scheinriesen auf Rechtsaußen
Unsere Aufmerksamkeit lässt Bewegungen wie die Pegida oder die AfD stärker wirken, als sie sind. Aber wer kümmert sich eigentlich um den digitalen Mob?
Bleiben wir auf dem Teppich. Nur weil ein Demonstrant einen selbst gezimmerten Galgen durch Dresden trägt und ein einschlägig bekannter Scharfmacher sich darüber beklagt, dass die Konzentrationslager ja leider außer Betrieb seien, steckt Deutschland noch nicht im Schwitzkasten der Rechtsradikalen.
Rechtspopulismus in Deutschland: Nur ein kleiner Teil wird radikal
Trotz aller Versuche, sich bundesweit zu etablieren, ist die Pegida-Bewegung bisher ein rein sächsisches Phänomen geblieben – und ob die Alternative für Deutschland (AfD) das Personal, das Stehvermögen und den Zulauf hat, um so etwas wie eine neue Rechte zu werden, ist ebenfalls noch nicht erwiesen.
Die Flüchtlingskrise und die partielle Ohnmacht der Politik machen vielen Menschen in Deutschland zwar Angst, aber nicht jeder Ängstliche ist deshalb schon ein potenzieller Extremist und nicht jeder Demonstrant ein potenzieller Staatsfeind.
Der Hass und die menschenverachtende Rhetorik, die sich in Dresden oder in einschlägigen Beiträgen im Internet artikulieren, kommen von einer vergleichsweise kleinen Gruppe an Leuten, von denen sich ein noch kleinerer Teil so radikalisiert wie der Mann, der die Kölner Bürgermeisterkandidatin Henriette Reker niedergestochen hat.
Die große Mehrheit der Bundesbürger erträgt die neuen Herausforderungen durch die anhaltende Flüchtlingswelle bisher mit geradezu stoischer Geduld, murrend vielleicht, aber weit davon entfernt, gewalttätig zu werden oder Gewalt auch nur gutzuheißen.
Weder Hetzredner noch ihre Kritiker wissen, wovon sie sprechen
Einige Spitzenpolitiker jedoch, allen voran Justizminister Heiko Maas und die Grüne Katrin Göring-Eckardt, schlagen inzwischen einen Sound an, als drohe Deutschland nach dem Attentat von Köln, den Ereignissen in Heidenau und den Brandanschlägen auf mehrere Asylbewerberheime nun ein ähnlich heißer Herbst wie im Terrorjahr 1977, nur diesmal nicht von links, sondern von rechts.
Nicht zuletzt deshalb wirken Bewegungen wie Pegida und die AfD plötzlich größer, als sie sind: Politische Scheinriesen, die ihre vermeintliche Stärke vor allem aus der Aufmerksamkeit anderer ableiten – und die bekommen sie im Moment nicht zu knapp.
Auch die sich häufenden Vergleiche mit der Spätphase der Weimarer Republik und dem Erstarken der Nationalsozialisten sind völlig fehl am Platz. Wenn ein paar Verblendete und Verwirrte sich jetzt am Jargon aus dieser Zeit bedienen und den Bundestag auf ihren Märschen durch Dresden eine „Quasselbude“ nennen oder die Medien als „Lügenpresse“ diffamieren, zeigt das nur, dass sie nicht wissen, wovon sie reden - und einige ihrer Kritiker auch nicht.
Weder driftet die Gesellschaft heute an ihren Rändern extrem auseinander, noch treiben politischer Revisionismus oder eine Wirtschaftskrise von historischem Ausmaß den Radikalen die Leute zu Hunderttausenden in die Arme. Das Deutschland des Jahres 2015 ist eine gefestigte Demokratie, die auch Umfragewerte von sieben Prozent und mehr für die AfD nicht aus dem Gleichgewicht bringen.
Volksverhetzung im Internet: Wer kümmert sich um den digitalen Mob?
Mit dem Aufstand der Anständigen, den viele Politiker jetzt beschwören, wird es dennoch nicht getan sein. Gegen Volksverhetzer und Brandstifter muss ein Rechtsstaat auch mit der Härte seines Rechts vorgehen. Vor allem das Internet, diese riesige Eskalationsmaschine, ist in weiten Teilen ein rechtsfreier Raum, in dem ungehindert gepöbelt, beleidigt und fremdenfeindlich gehetzt wird, bis hin zu Morddrohungen gegen Bürgermeister und Landräte.
Ein Wirrkopf, der einen Galgen durch die Stadt trägt, ist schnell gestellt, gegen die Flut an Hass-Kommentaren auf Facebook aber kommt auch der sonst so schneidige Justizminister nicht an. Dieser digitale Mob ist das größere Problem, viel größer als Pegida und die AfD.
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