Alfred Bioleks Bekenntnis zum 80. Geburtstag
Von Alfred Biolek, kurz "Bio", hat das deutsche Fernsehen gelernt, sich nicht zu ernst zu nehmen. Der Mann, der am Donnerstag 80 Jahre alt wird, hat noch andere Verdienste.
Nein, sagt Alfred Biolek. Er möchte nicht über das Fernsehen reden. Also nicht über das aktuelle Programm. Was solle er da auch sagen. Er schaue ja kaum noch fern.
Aus seinem Mund klingt das zunächst überraschend. Da hat einer das Fernsehen im Laufe seiner Karriere aus jedem Blickwinkel kennengelernt, als Jurist, als Redakteur, als Moderator, als Entertainer, als Produzent. Da hat er mal so nebenbei zwei Formate erfunden, die das Medium bis heute prägen, die Talkshow und die Kochshow. Und jetzt, da er 80 Jahre alt wird, räumt dieser Pionier ein, dass er mit dem Medium nichts mehr anfangen könne.
Er klingt müde und ein bisschen resigniert, und in gewisser Weise ist er das auch – nicht erst, seit er 2010 eine Treppe hinuntergestürzt ist und sich nur langsam erholt hat von den Folgen eines Schädelbruchs.
Die Talkshow und die Kochshow hat Alfred Biolek für das deutsche Fernsehen erfunden
Bioleks Geschichte, das ist nicht nur eine Geschichte der Superlative: die verrücktesten Prominenten, die monströsesten Koteletten, die leckersten Horsd’œuvres, der süffigste Kochwein. Es ist auch eine Geschichte, die immer von der Suche erzählt hat. Der Mensch Alfred Biolek, er hat lange gebraucht, um sich selber zu finden, und es war wohl eher ein Zufall, dass ihm dabei das Fernsehen in die Quere kam.
Er war schon 35 und hatte das zweite Staatsexamen als Jurist in der Tasche. Paragrafen langweilten ihn zu Tode, doch Biolek ist einer, der schwer Nein sagen kann. Er sollte die Rechtsanwaltskanzlei des Vaters übernehmen. Es kam anders.
Ein neuer TV-Sender suchte 1963 einen Jungjuristen: das ZDF. Biolek bekam den Job. Nur wenige Wochen später tauchte er selber auf der Mattscheibe auf, als Moderator der Sendung „Tips für Autofahrer“.
Die Szene hat etwas von Woody Allen: Ein kleiner Mann mit sehr großer Brille lauert einer Passantin auf, die einfach so über die Straße gelaufen ist. Er ruft: „Sie kennen doch die Regel: Handzeichen schaffen Klarheit. Warum haben Sie es denn nicht getan?“
Typisch Biolek. Immer eine Spur zu beflissen – und keine Angst davor, sich selber die Blöße zu geben. Das wurde sein Markenzeichen. Sandra Maischberger hat es in ihrer gerade gezeigten ARD-Doku „Mensch, Bio“ einfühlsam verhüllt.
Die Enthüllung seiner Homosexualität im TV war ein Schlag für Alfred Biolek. Heute redet er offen darüber
Sie hat Alfred Biolek an Orte begleitet, die ihn geprägt haben. Ins tschechische Freistadt, wo die Familie im Zweiten Weltkrieg vertrieben wurde. Oder nach New York, wo er ein Austauschjahr als Schüler verbrachte und in den achtziger Jahren mit seinem ersten Lebensgefährten Keith lebte, lange, bevor ihn der Filmemacher Rosa von Praunheim in der RTL-Krawall-Show „Explosiv – der heiße Stuhl“ als Homosexuellen outete.
Biolek redet heute offen darüber. Er sagt, er habe lange gebraucht, um sich seine Liebe zu Männern einzugestehen. Das Outing sei „ein ganz, ganz schwerer Schlag ins Rückgrat“ gewesen, doch im Nachhinein habe er sich wie befreit gefühlt.
Verklemmtheit auf der einen Seite, der Drang, sich auf der Bühne darzustellen und der Hunger nach Anerkennung andererseits: Das sind die beiden Seiten Bioleks. Fragt man ihn selber nach seinen Koordinaten, spricht er von Genuss und Disziplin. Und davon, dass er das unfassbare Glück gehabt habe, beides beruflich miteinander zu verbinden.
Wohl wahr. Heute muss man unwillkürlich schmunzeln, wenn man sieht, wie er nach Stationen beim ZDF und als Produzent der Rudi-Carrell-Show „Am laufenden Band“ 1991 plötzlich selber im Rampenlicht stand, als Gastgeber der Talkshow „Bios Bahnhof“. Wie er selber sang und tanzte und es ihm mit dieser unverwechselbaren Mischung aus Chuzpe und Zutraulichkeit gelang, Gäste wie den Dalai Lama aus der Reserve zu locken.
Man mag diese Art distanzlos finden. Ein langjähriger Freund von Biolek spricht das in der ARD-Doku sogar offen aus. Dass es Biolek nie vermocht hätte, zwischen echten und falschen Freunden zu unterscheiden. Doch ohne diese Unvoreingenommenheit, ohne ein gewisses Laisser-faire wäre Biolek seinen Gästen wohl nie so nahe gekommen. Auch später nicht, als er mit „Alfredissimo!“ das Show-Cooking als eigenes Genre etablierte. Auf wundersame Weise hat er es geschafft, dem Fernsehen beizubringen, sich selber nicht so wichtig zu nehmen.
Ein Sturz hätte Alfred Biolek vor vier Jahren fast das Leben gekostet
Es ist ein amerikanisches Verständnis von TV-Unterhaltung. Mit dem Siegeszug des Privatfernsehens hat es sich verselbstständigt. Und vielleicht erklärt auch das, warum er, der Pionier, heute kaum noch fernsieht. Seine Kölner Firma meldete 2010 Insolvenz an. Er hat das Feld bestellt, ernten können andere.
Doch ganz loslassen kann er nicht. Zwar beteuert der Single: „Wenn man achtzig ist, sitzt man lieber zu Hause, denkt an die früheren Zeiten, liest was und freut sich, dass man ein ruhiges Leben führt.“ Dabei ist er immer noch viel unterwegs, als Vorzeige-Promi auf Kreuzfahrtschiffen oder als Gastgeber von „Genuss-Shows“.
Der Sturz hätte ihn fast das Leben gekostet. Er hat sich wieder aufgerappelt. Jetzt müsste er niemandem etwas mehr beweisen. Aber so ist das eben mit einem Mann, der zu 150 Prozent in seiner Rolle als Gastgeber aufgegangen ist. In der ARD-Doku sagt eine Freundin: „Alfred kann einfach nicht allein sein.“
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