Am „Grexit“ wird der Euro nicht zerbrechen
Griechenland hat das Vertrauen aller anderen Eurostaaten verspielt. Das Hilfsangebot steht. Es ist Zeit, auch über einen geordneten Ausstieg nachzudenken.
Was für ein peinliches Schauspiel! Ganz Europa schaut nach Athen, als ob dort die Zukunft Europas entschieden würde. Ganz Europa wartet gebannt darauf, welche Täuschungsmanöver und Winkelzüge Ministerpräsident Tsipras noch auf Lager hat. Die wiederholt düpierten Geldgeber Griechenlands klammern sich an die vage Hoffnung, dass die linksradikale Regierung Tsipras doch noch einlenken wird. Man hat jene Tür, die Tsipras eben erst hinter sich zugeschlagen hat, umgehend wieder geöffnet.
Bei allem Respekt für den Versuch der Europäischen Union, den Laden zusammenzuhalten: Die Bürger und Steuerzahler jener 18 Eurostaaten, die dem bankrotten Land mit hunderten von Milliarden Euro beigesprungen sind, haben dieses Theater satt. Das zur grandiosen politischen Farce geratene Gezerre fügt dem ohnehin schon ramponierten Ansehen der EU weiteren Schaden zu.
Die Gläubiger sind den Griechen mit ihrem „letzten“, in Wahrheit bereits nachgebesserten Angebot weit entgegengekommen – weiter, als die Regeln der Eurozone eigentlich erlauben. Keinem anderen Krisenstaat ist so sehr geholfen worden. Spanier, Portugiesen, Iren, Letten, Slowenen oder Slowaken fragen sich längst mit Recht, warum sie sich harten Reformanstrengungen aussetzen sollen, während Athen auf bedingungsloser Hilfe samt Schuldenerlass beharrt und einen großzügigen Rabatt erhält. Und auch jetzt, da das Hilfsprogramm ausgelaufen ist, Athen de facto pleite ist und die Griechen ihre Bankkonten räumen, hält die EZB das Land mit frischem Geld über Wasser.
Regierung Tsipras gibt Deutschland die Schuld an der Misere Griechenlands
An Solidarität und an der Bereitschaft zum Kompromiss fehlt es wirklich nicht. Umso ärgerlicher sind die ständigen Finten Athens und der Versuch, anderen – speziell den Deutschen – die Schuld an der griechischen Misere in die Schuhe zu schieben. Die Regierung Tsipras hat ihre Karten überreizt und das Vertrauen aller anderen Eurostaaten verspielt.
Niemand, und das ist ja richtig so, will Hellas ins Bodenlose stürzen und das griechische Volk für den Crash-Kurs ihrer Regierung büßen lassen. Aber es muss nun endlich Klarheit darüber her, ob Griechenland in der Währungsunion bleiben, die Spielregeln und Vereinbarungen akzeptieren will oder nicht. Keine neuen Verhandlungen vor der Volksabstimmung am Sonntag: Das ist das Mindeste, was die Geldgeber nach dem jüngsten Affront ihrer Selbstachtung schuldig waren.
Referendum schafft keine Klarheit
Ob das in letzter Minute aus dem Hut gezauberte Referendum Klarheit schafft? Wohl kaum. Abgestimmt wird über eine Vereinbarung, die es gar nicht gibt. Sagt das Volk indirekt Nein zum Euro, wird sich Tsipras in seinem Feldzug gegen die europäische Spar- und Reformpolitik bestärkt fühlen. Sagt es Ja, beginnt der ganze Verhandlungszirkus von vorne – mit einer Regierung, die aus ideologischen Gründen keine Bedingungen und Reformauflagen der Geldgeber akzeptieren will, den Machtkampf mit der EU verloren hat und ihr Land jetzt ins Chaos stürzt.
Der Grexit hat seinen ökonomischen Schrecken verloren
Es bleibt im geopolitischen Interesse Europas, das EU- und Nato-Mitglied Griechenland im Euro zu halten. Aber der „Grexit“ hat längst seinen ökonomischen Schrecken verloren; ein Austritt Griechenlands würde weder die Eurozone sprengen noch das Projekt Europa scheitern lassen. Und jeder Versuch, Griechenland unter Missachtung des europäischen Regelwerks und des Kompromiss-Prinzips zu „retten“, fügte der Einheit Europas mehr Schaden zu als ein Ausscheiden Griechenlands.
Das Hilfsangebot an Athen steht weiter. Gut so. Doch wenn Griechenland als souveräner Staat auf seiner Position beharrt, dann muss alsbald über einen geordneten Ausstieg aus dem Euro verhandelt werden.
Bringt das Referendum am Sonntag Klarheit?
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