Auch der goldene Käfig bleibt ein Käfig
In Deutschland wird an Hafteinrichtungen für Kriminelle gearbeitet, die nach ihrer Haft in Gewahrsam bleiben sollen. Ein Wellnessprogramm für Schwerverbrecher?
Die Sicherungsverwahrten nutzen die Chance. Kaum ist Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) in den neu gestalteten Innenhof getreten, wird es hinter den vergitterten Fenstern des weißen Gebäudes laut. Einige der Eingesperrten beklagen ihre persönliche Situation, fordern ihre Freiheit, weil sie die Strafe für ihre Verbrechen längst verbüßt haben. Später beim Rundgang durch das umfassend renovierte Haus poltert einer heftig an der abgeschlossenen Stahltür.
Schwerkriminelle werden zum Schutz der Bürger weggesperrt
„Die Sicherungsverwahrten sind schwierig“, sagt Thomas Rösch, der Leiter der Justizvollzugsanstalt Freiburg. Hier konzentriert das Land die rückfallgefährdeten Schwerkriminellen, die zum Schutz der Bürger auch nach der Haftstrafe nicht in die Freiheit entlassen werden. „Es gibt hier keinen Einzigen, der in einer normalen bürgerlichen Familie aufgewachsen ist“, erklärt Psychologe Thomas Kesenheimer.
Die meisten hätten schwere Persönlichkeitsstörungen, seien rücksichtslos, gewaltbereit und ohne Gewissen. Die langen kriminellen Karrieren hätten ihren Ursprung meistens in einer Jugend im Heim. Obwohl weit mehr als die Hälfte der Männer wegen Sexualdelikten hier sind, setzt Rösch auf Frauen im Wachpersonal. „Mehr als fünf Jahre hält das hier aber niemand aus“, betont er. Dann wechseln die Vollzugsbeamten.
Täter in der Sicherungsverwahrung sollen besser behandelt werden
Das Bundesverfassungsgericht hat vor knapp zwei Jahren verlangt, dass die Straftäter in der Sicherungsverwahrung besser behandelt werden müssen. Die Richter in den roten Roben schreiben eine räumliche Trennung von der Haft vor und eine individuelle Betreuung mit einem Vollzugsplan und jährlicher Überprüfung durch externe Gutachter. Alle über den unabdingbaren Entzug der äußeren Freiheit hinausgehenden Belastungen seien zu vermeiden. Das Land hat deshalb in Freiburg ein bisher für Untersuchungshäftlinge genutztes Gebäude umgebaut.
Die „Verwahrten“ leben nicht mehr in Zellen, sondern in „Zimmern“ mit 14 Quadratmetern, die sie nach eigenem Geschmack einrichten dürfen. Es gibt auf jeder der vier Etagen einen Gemeinschaftsraum und eine Gemeinschaftsküche. Selbst das Wachpersonal spürt das Problem. „Das sieht aus wie ein goldener Käfig“, räumt einer ein. Aber am Ende seien die Betroffenen doch weggesperrt. Das neue Konzept kostet das Land jährlich zwei Millionen Euro. Pro Tag veranschlagt Rösch den finanziellen Aufwand für einen Verwahrten auf das Doppelte der 110 Euro, die es bei einem normalen Häftling sind.
Rösch, ein Mann mit über 20 Jahren Erfahrung als Gefängnisleiter, sieht das viele Geld für die letzte Chance gut angelegt. Therapie und Behandlung der Schwerverbrecher seien ein Vorteil für die Bevölkerung: „Wenn wir einen Schwerverbrecher so weit kriegen, dass er nicht mehr rückfällig wird, ist es ein Zugewinn an Sicherheit.“ Für ein wenig blauäugig hält der Praktiker die Richter allerdings. „Das Gericht ist vielleicht etwas zu therapiegläubig.“ Bei rund einem Fünftel der Sicherungsverwahrten sieht Rösch auch bei den geplanten wöchentlichen Angeboten keine Chance auf Besserung.
Der Praxistest läuft
Stickelberger versucht eine Diskussion über die hohen Kosten im Keim zu ersticken. „Jeder Straftäter, der nicht mehr rückfällig wird, spart uns Geld“, betont der SPD-Minister. Baden-Württemberg sei im Ländervergleich führend. Zum 1. Juni tritt das Gesetz in Kraft. Stickelberger: „Jetzt läuft der Praxistest.“ Danach werde „eventuell nachgesteuert“.
Diese Analyse trifft exakt die Situation in Bayern. Auch im Freistaat wird auf Hochtouren gebaut, um die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes umzusetzen. Auch hier betritt das Justizministerium Neuland. Auf dem Areal der Justizvollzugsanstalt Straubing entsteht zurzeit ein Neubau. Die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) hatte das Prinzip Sicherungsverwahrung vehement verteidigt. „Keine Frage: Das Bundesverfassungsgericht hat uns hier vor enorme Herausforderungen gestellt“, räumt sie gegenüber unserer Zeitung ein. Die Kritik der Opferverbände an einer zu luxuriösen Ausstattung der Gebäude in Straubing lässt Merk nicht gelten: Es gehe bei dem Projekt keinesfalls „um ein Wellnessprogramm für Sicherungsverwahrte“. Gleichzeitig sieht sie sich als Anwältin der Opfer von Verbrechen, deren Interessen sie immer wieder auf die Tagesordnung gesetzt habe. Die Ministerin gibt sich pragmatisch, wenn sie sagt, dass es keine andere Wahl gegeben habe, als die Vorgaben aus Karlsruhe umzusetzen: „Tun wir das nicht, droht die Entlassung brandgefährlicher Gewalt- und Sexualstraftäter.“
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