BND hat offenbar in der Türkei geschnüffelt - Experten fordern Kodex
Nachdem offenbar auch der Bundesnachrichtendienst Verbündete ausgeforscht hat, wird in Berlin jetzt der Ruf nach Konsequenzen laut.
Der Bundesnachrichtendienst soll die Türkei ausspioniert haben. Im Gespräch mit unserer Zeitung forderte der ehemalige Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Hansjörg Geiger, eine Art Ehrenkodex, in dem sich alle Länder der Europäischen Union bzw. der Nato verpflichten, die Regierungen und die Wirtschaft anderer Mitgliedsländer nicht mehr auszuspionieren. Wörtlich sagte er: „Gegen Verbündete spioniert man nicht.“
Ausnahme: Wenn die Operationen der Sicherheit Deutschlands dienen
Eine Ausnahme könnten allerdings Operationen sein, die sich nicht direkt gegen einen Staat wie die Türkei richten, sondern dazu dienten, Gefahren für Deutschland abzuwehren, etwa durch den Drogenschmuggel oder durch kurdische Extremisten. Für eine effizientere Kontrolle der Geheimdienste in der Bundesrepublik schlug Geiger erneut einen „Nachrichtendienstbeauftragten“ nach dem Vorbild des Wehrbeauftragten vor, der nicht nur auf Versäumnisse reagiere, sondern auch präventiv tätig sein müsse. Die Abgeordneten im gegenwärtigen Kontrollgremium des Bundestages „können das so nicht leisten“, sagte Geiger, der auch schon Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz war.
Nach übereinstimmenden Medienberichten überwacht der BND mit der Türkei auch ein Nato-Land. Sie soll bereits seit 2009 als Zielgebiet im Auftragsprofil des Dienstes stehen, weil die Aktivitäten der kurdischen Arbeiterpartei PKK und anderer extremistischer Gruppen ebenso Bedeutung für Deutschlands innere Sicherheit hätten wie der Drogenschmuggel oder die Schleuserkriminalität über die Türkei. In den sogenannten Kernländern sammelt der BND nicht nur offen zugängliche Informationen, sondern setzt auch nachrichtendienstliche Mittel ein, indem er Gespräche abhört oder V-Leute anwirbt.
Der BND ein "Staat im Staate"?
Während Regierung und BND zu den Vorwürfen nicht Stellung nehmen wollten, kündigten Regierungsvertreter in Ankara bereits eine Überprüfung an. Grüne und Linke forderten eine zügige Aufklärung. Offenbar sei der BND ein „Staat im Staate“, kritisierte der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Jan Korte. „Es ist unfassbar, dass wir erst nach über einem Jahr erfahren, dass auch unsere eigenen Nachrichtendienste aktives Ausspähen verbündeter Staaten betreiben“, betonte Grünen-Chefin Simone Peter. Der CDU-Experte Patrick Sensburg bezeichnete es dagegen als „unerlässlich“, dass der BND Informationen in Krisengebieten wie dem an der türkisch-irakischen Grenze sammle.
Außerdem soll der BND eher zufällig mindestens zwei über Satellit geführte Telefonate des amerikanischen Außenministers John Kerry und seiner Vorgängerin Hillary Clinton mitgeschnitten haben. Im Falle Clinton landete die Mitschrift eines Telefonates mit Ex-UN-Generalsekretär Kofi Annan allerdings nicht im Schredder, sondern wurde von einem inzwischen festgenommenen Mitarbeiter des BND offenbar an die Amerikaner verkauft.
Die Diskussion ist geschlossen.