Bauvorhaben in Berlin: ein Fass ohne Boden
In der Hauptstadt Berlin hapert es bei Bauvorhaben und Renovierungen. Der Hauptstadt benötigt vor allem eins: Geld. Doch noch immer mangelt es Berlin an vielem.
Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff ist ein Architekt, wie ihn Berlin selten gehabt hat. Im Mai 1740 erteilt Friedrich II. ihm den Auftrag, eine Oper zu bauen – und schon im Dezember 1742 sind die Arbeiten so weit fortgeschritten, dass der ungeduldige König die in Pelze gehüllte Hofgesellschaft zur feierlichen Eröffnung bitten kann. Als sich der Vorhang für die Ouvertüre zu „Cesare e Cleopatra“ hebt, türmt sich draußen, neben dem Gerüst, zwar noch der Schutt. Drinnen jedoch jubelt das Premierenpublikum auf provisorischen Holzbänken einer Mailänder Diva und einem Veroneser Kastraten zu.
Verglichen mit ihrem Bau ist die Renovierung der Berliner Staatsoper ein Jahrhundertwerk. Wie am neuen Flughafen musste auch ihr Eröffnungstermin mehrfach verschoben werden – und wie am Flughafen addieren sich auch bei ihr die Kosten zu immer beängstigenderen Summen. Mit knapp 400 Millionen Euro wird die Sanierung des prächtigen Gebäudes fast doppelt so teuer wie geplant, wirklich darüber aufregen aber will sich in Berlin niemand. Andernorts müsste ein Bausenator nach einem solchen Skandal um sein Amt zittern. In Berlin wird der Bausenator in einer Woche neuer Bürgermeister.
Berlin lebt vor allem vom Länderfinanzausgleich
Auch 25 Jahre nach dem Fall der Mauer ist die Hauptstadt für die Steuerzahler in ganz Deutschland noch ein teures Risiko. Sie lebt vor allem vom Länderfinanzausgleich, der ihr jedes Jahr über drei Milliarden Euro bringt, von außerplanmäßigen Zuschüssen des Bundes wie den 200 Millionen für das geplante Museum für moderne Kunst – und von ihrem Ruf, arm, dabei aber doch irgendwie sexy zu sein. Berlin ist hip, Berlin ist bunt, eine Metropole, so schillernd und sorglos wie Klaus Wowereit, die nur im Heute lebt und nicht groß ans Morgen denkt. Und wenn sie es doch einmal tut, muss es schon ein Weltereignis sein. Olympia 2024? Warum eigentlich nicht! Irgendjemand wird es schon bezahlen...
Bei der Staatsoper geht diese Rechnung nicht ganz auf, weil der Bund seinen Zuschuss bei 200 Millionen Euro gedeckelt hat. Die reflexhafte Art jedoch, mit der die Berliner Landespolitik jetzt auf die neuen Hiobsbotschaften von der Baustelle reagiert, erinnert doch stark an ihren Umgang mit dem Flughafendebakel. Mit Gründen, warum ein Bauvorhaben teurer und teurer wird, ist sie immer schnell bei der Hand – in diesem Fall sind es die marode Bausubstanz, die Insolvenz eines Ingenieurbüros und der Denkmalschutz. Politische Konsequenzen aber haben solche Fehlplanungen und Fehleinschätzungen selten. Im Gegenteil. Dass das Kosten-Chaos an der Oper gerade jetzt publik wurde, hat vor allem einen Grund: So fällt es noch in Wowereits Amtszeit und nicht in die seines Nachfolgers Michael Müller.
Berlin braucht neue Arbeitsplatze und neuen Wohnraum
Berlin und das Geld: Das war schon vor dem Mauerfall vor allem eine Geschichte des Nehmens. Sowohl die Hauptstadt der DDR als auch das alte Westberlin wurden von den Regierungen der beiden deutschen Staaten mit Subventionen nur so gefüttert und gestreichelt. Der Umzug von Parlament und Regierung an die Spree hat das Gefühl, dass die Töpfe des Bundes und der anderen Länder schier unerschöpflich sind, noch verstärkt.
Eine Stadt mit der Anziehungskraft von Berlin aber kann sich nicht selbst genug sein. Sie braucht mehr neue Arbeitsplätze, industrielle auch, neuen Wohnraum, und nicht zuletzt ein völlig neues Verständnis von Verantwortung. Für Kinder über drei, zum Beispiel, ist der Besuch eines Kindergartens in Berlin seit Jahren kostenfrei – egal, was die Eltern verdienen. In Bayern dagegen, das diesen Bonus über den Finanzausgleich mit bezahlt, können junge Familien von solchen Zuständen nur träumen.
Michael Müller, der neue Bürgermeister, übernimmt von seinem Vorgänger Wowereit einen Flughafen, auf dem niemand fliegt, eine Oper, in der niemand singt, und mehr als 60 Milliarden Euro Schulden. Viel verändern aber wird sich im Roten Rathaus durch diesen Wechsel nicht, schließlich ist der Neue der politische Ziehsohn des Alten, ein Kind der Subventionshauptstadt und ihrer Bunkermentalität. Das prägt. Für immer.
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