Bei der Kommunalwahl in Köln sind Stimmen vertauscht worden
Es klingt wie ein närrischer Scherz: Bei der Kommunalwahl am Rhein sind Stimmen von SPD und CDU vertauscht worden. Jetzt wurde neu ausgezählt – mit kuriosen Folgen.
In Köln steht das Rheinische Grundgesetz bekanntlich über allem. In Artikel 3 heißt es da: „Et hätt noch emmer joot jejange.“ Auf Hochdeutsch: Es ist bisher doch immer noch gut gegangen. Diesmal nicht. Überhaupt nicht. Bei der Kommunalwahl in der Domstadt vor einem Jahr ist etwas passiert, wovon jeder Wahlleiter albträumt: In einem Stimmbezirk haben die ehrenamtlichen Helfer beim Auszählen von Briefwahlbögen die Stimmen von CDU und SPD vertauscht. Gar nicht gut gegangen.
Mehrheit von SPD und Grünen in Köln ist jetzt weg
Tatort Rodenkirchen: eine kleine bürgerliche Bastion im ansonsten eher sozialdemokratisch geprägten Köln. Hier im Süden der Stadt liegt die CDU traditionell vorn. Diesmal nicht. Diesmal holte die SPD fast doppelt so viele Stimmen wie die konservative Konkurrenz. So steht es zumindest im amtlichen Wahlergebnis. Doch nicht nur die CDU, sondern auch andere Parteien schöpften Verdacht. Monatelang kämpften sie vor Gericht für eine Neuauszählung der 703 Stimmen im „Briefwahlbezirk 20874“. Die ist am Dienstag erfolgt, und jetzt wackelt der Dom. Kölner KarneWAHL mitten im Jahr.
Es ist nämlich so: SPD und Grüne hatten im Rathaus bislang eine Mini-Mehrheit von gerade einmal einer Stimme. Und die ist jetzt futsch. Mit dem korrigierten Ergebnis hat die CDU der SPD ein Mandat abgenommen, und schon reicht es nicht mehr. Und es kommt noch besser: Denn der Sozialdemokrat, der nun seinen Platz im Stadtrat räumen muss, ist nicht irgendein Hinterbänkler, sondern dummerweise ausgerechnet der Kandidat der SPD für die Oberbürgermeisterwahl im September. Der Herr heißt Jochen Ott, ist Parteichef und hat jetzt ein Problem.
SPD-Politiker Ott will als Oberbürgermeister ins Rathaus zurückkehren
Wenn der Spitzenmann aus dem Stadtrat fliegt, gibt das zumindest nicht unbedingt Rückenwind für den bevorstehenden Wahlkampf. „Jochen Ott ist fott!“, schreibt der Kölner Express nicht ohne Spott. Der SPD-Politiker gibt sich zwar kämpferisch und verspricht, im Herbst ins Rathaus zurückzukehren – dann eben als Oberbürgermeister. Doch auch ihm ist natürlich klar, dass seine Sozialdemokraten nun in einem äußerst unschönen Licht dastehen, nachdem sie die Neuauszählung der Briefwahlstimmen mit allen Mitteln hatten verhindern wollen. Wie es jetzt weitergeht? Die SPD mit ihrem Noch-Oberbürgermeister Jürgen Roters (er tritt im September nicht mehr an) könnte natürlich gemeinsam mit den Grünen wechselnde Mehrheiten organisieren und erst einmal weiterregieren. Im Landtag von Nordrhein-Westfalen hat Ministerpräsidentin Hannelore Kraft das schließlich auch schon mal gemacht – und länger durchgehalten als erwartet.
„Echte Fründe ston zesamme“, singen die Herren von der Kölner Band „De Höhner“. Doch echte Freunde, die zusammenstehen, sind Rote und Grüne am Rhein eben seit langem nicht mehr. Es war ja schon ein Affront gegen den Partner, dass die Grünen in seltener Einigkeit mit CDU und FDP für die Neuauszählung des ominösen Briefwahlbezirks gekämpft hatten. Doch dann kündigten sie auch noch an, bei der OB-Wahl statt des nun in Not geratenen SPD-Mannes Ott die parteilose Kandidatin Henriette Reker zu unterstützen, hinter der auch die CDU steht.
Steht Rot-Grün vor dem Aus?
Ist Rot-Grün damit schon am Ende? Nicht unbedingt. Denn eine schlüssige Alternative gibt es auch nicht wirklich. Die triumphierende CDU bräuchte schon mindestens zwei Verbündete, um eine Mehrheit unter ihrer eigenen Führung zusammenzukriegen. Oder sie müsste sich in einer Großen Koalition mit der Rolle des Juniorpartners begnügen.
Und so könnte es vorerst tatsächlich beim wackeligen rot-grünen „Gestaltungsbündnis“ bleiben, wie ein Spitzenmann der Grünen die dezimierte Koalition gestern bezeichnet hat. Einfacher wird es nicht.
In solchen Fällen greift im Rheinischen Grundgesetz dann wohl Artikel 2: „Et kütt wie et kütt.“ Es kommt, wie es kommt...
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