CDU in Baden-Württemberg ist auf dem Weg zum Juniorpartner
Die CDU tut sich schwer mit dem Gedanken, nur noch Juniorpartner in einer Koalition mit den Grünen werden zu können. Der Machtverlust verschärft die Personalquerelen.
Manchmal sind die kleinen Sätze besonders entlarvend. „Wir bieten den Grünen Sondierungsgespräche an“, sagt Thomas Strobl, der Chef der baden-württembergischen CDU, nach einer Vorstandssitzung. Der Verstoß gegen die Etikette zeigt, dass die Christdemokraten auch fast zwei Wochen nach der Wahlschlappe arge Probleme mit ihrer neuen Rolle haben.
Denn in einer Koalition mit den Grünen bleibt der machtverwöhnten Südwest-CDU nur noch die Rolle des Juniorpartners. „Die Initiative geht von uns aus“, heißt es im Umfeld von Grünen-Regierungschef Winfried Kretschmann. Heute treffen sich die Unterhändler ein zweites Mal.
Die Südwest-CDU gibt ein merkwürdiges Bild ab. Am Mittwoch mehrt sich die Zahl der Befürworter von Grün-Schwarz fast inflationsartig. 20 Oberbürgermeister aus Südbaden „sprechen sich für eine Koalition der CDU mit den Grünen aus“. Ihre Begründung: „Die Mehrheit der Menschen will Winfried Kretschmann als Ministerpräsidenten, die CDU hat eine herbe Niederlage erlitten, und die grün-rote Regierung hat keine Mehrheit mehr.“
Auch der Landesvorstand votiert bei nur einer Gegenstimme für das Modell. Zuvor hat sich die 42-köpfige Landtagsfraktion unisono für „weitere Gespräche mit den Grünen ausgesprochen“. Doch Strobl bremst nach Kräften. Man sondiere nur, es gebe bei den zwei geplanten Gesprächen „keinen Automatismus für Koalitionsverhandlungen“.
CDU-Führung in Baden-Württemberg hat Angst vor den eigenen Mitgliedern
Die Führungscrew hat Angst vor den eigenen Mitgliedern. „Für viele in meiner Partei ist das nicht vorstellbar“, sagt Strobl. Ein Abgeordneter verteidigt das Spiel auf Zeit: „Es ist noch Trauerarbeit notwendig.“ Für eine Partei, die 58 Jahre den Ministerpräsidenten gestellt hat, ist es schwierig, jetzt die Nummer zwei hinter den Grünen zu sein. Die hatten bei der Wahl gut 30 Prozent bekommen, die CDU war hingegen von 39 auf 27 Prozent abgestürzt. „Es wird Austritte geben und nicht zu wenige“, warnt ein Ex-Minister.
Dabei wissen sowohl Strobl als auch der alte und neue Landtagsfraktionschef Guido Wolf, dass ihnen keine Wahl bleibt. Die Liberalen haben einer Koalition mit Grünen und SPD eine klare Absage erteilt. Die Sozialdemokraten durchkreuzten Wolfs Traum, Kretschmann mit einem Dreierbündnis von CDU, SPD und FDP als Regierungschef abzulösen. Bleibt nur noch die für die CDU riskante Rolle des Juniorpartners der Grünen. „Zu Neuwahlen dürfen wir es nicht kommen lassen“, betont Wolf die „staatspolitische Verantwortung“.
Trotz Kritik will Guido Wolf die Verhandlungen mit den Grünen anführen
Dessen kraftmeierisches Werben für Schwarz-Rot-Gelb hat in den eigenen Reihen Kritik ausgelöst. Von „verheerenden Rückmeldungen der Basis“ berichtet ein Abgeordneter. Inzwischen häufen sich die Rücktrittsforderungen an die Adresse des gescheiterten Spitzenkandidaten, der Verantwortung für ein historisch schlechtes Wahlergebnis übernehmen müsse. „Es gibt eine breite Unzufriedenheit, die jetzt hervorbricht“, sagt der Landeschef der Jungen Union, Nikolas Löbel. Ex-Finanzminister Willi Stächele gibt die Richtung vor. Er selbst, sagt er in Richtung von Wolf, wäre noch am Wahlabend zurückgetreten.
Die anschwellende Kritik hat Wolf nicht davon abgehalten, die Rolle des Verhandlungsführers für sich zu reklamieren. Strobls Konter kam postwendend: „Über Koalitionen verhandeln Parteien.“ Inzwischen herrscht Burgfrieden. Doch für viele ist die Abrechnung mit Wolf nur zurückgestellt. Stächele plädiert dafür, die Fraktionsspitze nach den Koalitionsverhandlungen nochmals neu zu wählen. Wolf hat sich einen Tag nach der Wahl für drei Jahre im Amt bestätigen lassen.
Thomas Strobl stellt Forderungen an den möglichen Koalitionspartner
Die Personalquerelen und neue Eifersüchteleien zwischen Fraktion und Parteivorstand um Posten bilden den Rahmen für das anstehende Tauziehen mit den Grünen. Einige rote Linien hat Strobl bereits gezogen. „Es ist klar, dass es keine zusätzlichen Gemeinschaftsschulen geben wird“, betont er. Die Polizei müsse besser ausgerüstet werden. Für die Grünen schwer verdaulich dürfte die Forderung sein, Migranten zur Integration zu verpflichten, notfalls durch Sanktionen.
Die Grünen strahlen bei alldem die Gelassenheit des Siegers aus. Interviews lehnen ihre Vorleute ab. Stattdessen betonen die Landeschefs Oliver Hildenbrand und Thekla Walker: „Wir wollen konstruktiv über die Zukunft des Landes sprechen.“ Da schwingt zwischen den Zeilen der Vorwurf mit, dass bei der CDU noch nicht alle so weit sind.
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Irgendwie hab ich immer ein schlechtes Gefühl wenn Verlierer durch z.B. Koalitionen zum Gewinner aufsteigen. Koalitionsfreiheit hin oder her - irgendwas ist da faul.