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Bettelbanden
18.07.2014

Das Geschäft mit dem Mitleid

Bettler sind von den meisten Menschen nicht gern gesehen.
Foto: Frank May, dpa

Früher kannte man ihre Gesichter. Sie saßen still an der Straßenecke und baten um Geld. Heute kennt sie keiner. Warum Polizei und Ordnungsdienste fast machtlos gegen Bettler sind.

Vor ein paar Tagen sind sie wieder hier gewesen. „Dort sitzen sie immer“, sagt der Obsthändler an seinem Stand vor der Stadtpfarrkirche Mariä Himmelfahrt und deutet mit der linken Hand die Fußgängerzone hinauf. Drei seien es zuletzt gewesen, in einem Abstand von ungefähr 50 Metern. Auf Knien hätten sie am Straßenrand gekauert und die Hände aufgehalten in der Hoffnung auf ein paar Münzen. „Manchmal laufen sie auch mit Unterschriftenlisten herum“, hat der Obsthändler auf seinem Logenplatz in Landsbergs Flaniermeile schon beobachtet. „Unterschreiben und spenden“ – das würden die Bettler, die kaum Deutsch können, Passanten dann zu verstehen geben. Die Organisationen, für die sie sammeln, gibt es oft gar nicht.

Polizei und Ordnungsämter kennen das Problem – nicht nur in Landsberg, sondern in fast allen mittleren und großen Städten Bayerns. Sogar auf den Dörfern, denn auch dort nimmt das Betteln seit einigen Jahren nahezu flächendeckend zu. „Das gilt für unseren gesamten Zuständigkeitsbereich“, sagt Siegfried Hartmann, Sprecher des Polizeipräsidiums Schwaben-Nord. In Augsburg hat die Verwaltung jetzt genug: Dirk Wurm, der neue Ordnungsreferent, will Bußgelder gegen aufdringliche Bettler konsequent eintreiben – und notfalls sogar mit Erzwingungshaft drohen.

Der Bedürftige, der still und alleine an einer Straßenecke sitzt, um Geld für sein Überleben zu sammeln, ist laut Polizei und Ordnungsdiensten inzwischen fast die Ausnahme. Was Hartmann und seinen Kollegen zunehmend Probleme bereitet, sind Bettler aus dem Ausland. Sie reisen meist in Gruppen und kommen vor allem aus Südosteuropa. Aus Rumänien etwa oder Slowenien. Bei ihren Streifzügen profitieren sie vom Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union. Bis zu drei Monate können sie unangemeldet bleiben. Alles, was sie dafür brauchen, ist ein gültiger Personalausweis oder Reisepass. Wie viele solcher Bettler derzeit in der Region unterwegs sind, weiß keiner. Nach oben hin scheint ihre Zahl so offen wie die Grenzen Europas.

Norwegen will das Betteln ganz verbieten

In Norwegen könnte diese Entwicklung schon bald Folgen haben. Dort berät das Parlament über ein landesweites Bettelverbot, weil in den Städten immer mehr Gruppen aus Osteuropa anzutreffen sind. Und es gibt eine Verbindung zur steigenden Zahl an Straftaten. Weil Norwegen Mitglied im Schengen-Raum ist, können die Bettler ohne Probleme einreisen. Die beteiligten Länder verzichten auf Grenzkontrollen.

Um ihrem Geschäft mit dem Mitleid nachzugehen, ist den Bettlergruppen offenbar kein Weg zu weit. Kosten für Benzin und Verpflegung schrecken sie nicht ab. „Betteln scheint lukrativ zu sein“, sagt Polizeisprecher Hartmann. Die Bettler lassen sich aber auch einiges einfallen, um an Geld zu kommen. In der Kreisstadt Dillingen berichtet die Polizei von Besitzlosen, die sich als Taubstumme ausgeben. In Wertingen im Kreis Dillingen postieren sie sich geschickt vor den Eingängen von Supermärkten, und im Dorf Ebermergen im Kreis Donau-Ries bettelte eine Fremde zuletzt sogar in der Kirche – kurz bevor dort eine Beerdigung begann. „Sie verteilen ungefragt Rosen, geben sich als Straßenmusiker aus, wir kennen das mittlerweile“, sagt Christoph Zerle vom Ordnungsamt in Landsberg. Er erinnert sich sogar an einen Fall, in dem eine Gruppe junger Männer aus Osteuropa ungefragt den Hof eines Einfamilienhauses gepflastert habe.

Die Polizei kennt die Tricks, kommt aber oft zu spät

Doch es geht auch ganz klassisch. Erst kürzlich wurde die Polizei in Landsberg wieder zu einem Fall gerufen, in dem Bettler einfach an Haustüren klingelten und unverhohlen um Geld baten. Vor allem in Dörfern werde diese Methode gern praktiziert, sagt Sprecher Franz Kreuzer. „Die Bettler werden in einem Ort ausgesetzt, laufen von Tür zu Tür und klingeln.“ Meist hätten sie ein Schriftstück dabei, das auf ihre missliche Lage hinweist oder zu Spenden für vermeintliche Hilfsorganisationen aufruft. „Bettelzettel“ nennen die Polizisten das.

Sie wissen genau, wie die Bettler vorgehen. Trotzdem kommen sie oft zu spät. „Wir rennen den Banden hinterher“, sagt Kreuzer. Betroffene würden sich, wenn überhaupt, erst an die Polizei wenden, wenn sie von anderen Fällen hören oder in der Zeitung lesen.

Ist die Polizei doch rechtzeitig vor Ort, hat sie immer noch ein Problem: „Die Bettler erzählen uns nichts“, sagt Kreuzer. Kein Wort davon, dass sie in einer größeren Gruppe unterwegs sind. Kein Wort davon, dass sie nur deshalb nie mehr als ein paar Euro in der Tasche haben, weil sie ihr ganzes erbetteltes Geld an Hintermänner abgeben müssen. Kein Wort davon, dass sie oft selbst die Ausgebeuteten sind.

Kreuzer und seine Kollegen wissen nur eines mit Sicherheit: „Die Bettler sind gut instruiert.“ Polizei und Ordnungsdienste gehen davon aus, dass die Bettelkarten, mit denen sich die Leute zum Beispiel als Hochwasseropfer ausgeben, meist gefälscht sind. Ihnen aber den Betrug nachzuweisen, ist kaum möglich. Das einzige Mittel, mit dem man unmittelbar reagieren könne, sei ein Platzverweis.

Für längere Observationen fehlt der Polizei oft das Personal

Für ein Verwarnungsgeld oder gar Erzwingungshaft sei der Verwaltungsaufwand oft zu groß, heißt es aus dem Landsberger Ordnungsamt. „Die Leute haben ja meistens nicht einmal eine feste Adresse, an die wir den Bescheid schicken könnten.“ Außerdem löse eine Strafe für die Bettler selbst nicht das Grundproblem, bestätigt Polizeisprecher Kreuzer: „Wir bräuchten die Hintermänner.“ Die aber treten nur selten öffentlich auf, für eine aufwendige Observation fehlen gerade kleineren Inspektionen das Personal und die Zeit. Noch dazu warten die Banden nicht, bis die Polizei sich aufgestellt hat. Sie ziehen einfach weiter, in eine andere Region, ein anderes Bundesland, das Gebiet einer anderen Polizeidienststelle.

In Norwegen könnte damit 2015 Schluss sein, wenn das Parlament das Gesetz zum Bettelverbot verabschiedet. Die Mehrheit jedenfalls scheint gesichert, auch die oppositionelle Zentrumspartei befürwortet das geplante Verbot. Wer dann noch bettelt, muss mit Geldbußen und bis zu drei Monaten Gefängnis rechnen – egal ob Handlanger oder mächtiger Hintermann. Bei den Wählern im Land gehen die Meinungen dazu weit auseinander. In einer Umfrage der ARD-Tagesschau ist eine Passantin froh, dass ihr das Dilemma zwischen Geben-Müssen und Nicht-Geben-Wollen abgenommen werden könnte. Ein zweiter Mann verurteilt die Gesetzidee als reine Verdrängungsstrategie.

Viele Städte verweigern die Genehmigung zum Betteln

In Deutschland gibt es zum Umgang mit der Bettelei keine einheitliche Regelung. Zuständig ist jede Gemeinde selbst. Die meisten bayerischen Städte bedienen sich eines findigen Tricks, um lästige Bettler zumindest auf dem Papier fernzuhalten: Sie weisen das Betteln in ihren Satzungen als genehmigungspflichtige Sondernutzung aus – und verweigern im selben Dokument grundsätzlich die Genehmigung dafür. So ist es in Augsburg, so ist es in München, auch Städte wie Ingolstadt oder Landsberg verfahren nach diesem Muster. „Stilles Betteln wird geduldet“, sagt der Sprecher des Landsberger Ordnungsamts. Wer nur am Straßenrand sitzt und die öffentliche Ordnung nicht stört, den lassen Behörden und Polizei gewähren – außer es besteht ein konkreter Verdacht, dass eine Bande dahintersteckt. Zu hundert Prozent verboten ist das Betteln in vielen Städten nur auf eigens ausgewiesenen Flächen – in Augsburg etwa auf dem Stadtmarkt oder in den öffentlichen Grünanlagen.

Ein generelles Verbot, wie Norwegen es plant, halten viele für falsch, die täglich mit Armut zu tun haben. „Ein solches Gesetz verstößt gegen internationale Verträge und Menschenrechte“, glaubt Thomas Specht, Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe. Er hält die norwegischen Pläne für „unhaltbar“ und ist überzeugt davon, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das Gesetz kassiert, sollte es tatsächlich umgesetzt werden.

Immer mehr Bettler kommen aus den neuen EU-Ländern

„Solche Verbote verdrängen das Problem nur“, sagt auch Thomas Duschinger von der Wohnungslosenhilfe Südbayern. Das sehe man an München, wo die Stadt die Verbotszonen für das Betteln im Laufe der Jahre stetig erweitert habe. „Aus den Augen, aus dem Sinn – das ist nicht sinnvoll.“

Duschinger weiß, wovon er redet. Während Politik und Kommunen grübeln, wie sie den Zustrom von Bettlern aus Osteuropa abfangen, kümmert sich Duschinger um die „stillen Bettler“ – jene, die zum Teil seit Jahren ihren festen Platz in Bayerns Innenstädten haben, Tag für Tag an Ampeln, Unterführungen oder Fußgängerzonen ihre Hand aufhalten. Zusammen mit einer zweiten Koordinierungsstelle für Nordbayern betreut die Münchner Wohnungslosenhilfe 2500 bis 5000 „klassische Obdachlose“.

Hinzu kämen seit einiger Zeit immer mehr Zuwanderer aus den neuen EU-Ländern. Wie viele, kann selbst die Koordinierungsstelle nicht sagen. „Viele kommen eigentlich wegen des Arbeitsmarkts“, sagt Duschinger. „Sie haben meist nichts weiter dabei als eine Tasche.“

Eine unheilvolle Kombination

Keine Arbeit, keine Wohnung, kein Geld: Zu dieser unheilvollen Kombination kämen oft noch Suchtverhalten oder psychische Erkrankungen. Dann sei Betteln manchmal der einzige Weg, etwas Geld für den Alltag zu sammeln, sagt Duschinger. Die Wohnungslosenhilfe bietet solchen Leuten nicht nur Koch- und Duschmöglichkeiten. Mitarbeiter suchen die Obdachlosen gezielt auf und beraten sie zu ihrer Situation. In „Beratungs- und Unterstützungsangeboten“ sieht Duschinger einen Weg, dem Betteln auf lange Sicht am effizientesten zu begegnen.

Polizist Franz Kreuzer aus Landsberg hat sich darauf eingestellt, dass ihn die Jagd auf Bettlerbanden wohl bis zum Ruhestand begleiten wird. Was für Passanten bleibt, ist die immer selbe Frage: Soll ich Bettler unterstützen? Letztendlich müsse das jeder für sich entscheiden, sagen die Leute von der Wohnungslosenhilfe. Wichtig aber sei vor allem eins: den Menschen auf der Straße mit Würde zu behandeln.

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