Das triste Ende des „Dschungels“
Kälte, Resignation, Schmutz: Über die Räumung des wilden Flüchtlingslagers in Calais sogar viele Slum-Bewohner froh. Und auch Hilfsorganisationen begrüßen die Entscheidung.
Hunderte Meter lang ist die Schlange der Wartenden vor jener Halle, in der sich ihr weiteres Schicksal entscheidet. Die Ersten haben sich schon seit dem Morgengrauen angestellt. Sie sind bereit, dem Aufruf der französischen Regierung zu folgen und in einen der Busse zu steigen, die sie wegbringen aus Calais. Weg aus dem wilden Flüchtlingslager, den alle „Dschungel“ nennen. Weg aus dem Schmutz, der Kälte und der Resignation, die hier herrschen. Hinein in eine ungewisse Zukunft in einem der 287 Erstaufnahmelager in ganz Frankreich. Dort sollen sie vorerst untergebracht und beraten werden, bis sie einen Asylantrag stellen – oder ihre Abschiebung ansteht.
Vor der Räumung: Ausschreitungen im "Dschungel von Calais"
Nachdem es in der Nacht zu vereinzelten Ausschreitungen zwischen Polizei, Aktivisten der Organisation „No Borders“ („Keine Grenzen“) und Flüchtlingen gekommen war, begann die Auflösung ohne größere Zwischenfälle. Nach Angaben der französischen Behörden verließen im Lauf des Tages mehr als 2300 Flüchtlinge das Camp, voll besetzte Busse starteten im Viertelstundentakt. Auch die nächsten Tage wird die Aktion fortgesetzt.
Zuletzt hausten 6500 bis 8000 Flüchtlinge, davon mehr als 1000 Kinder und Jugendliche, in Zelten und improvisierten Hütten. „Wir sind froh, den Dschungel zu verlassen“, sagt der Sudanese Adam Nureddine. „Aber wir haben Angst, nach Italien zurückgeschickt zu werden, wo wir unsere Fingerabdrücke abgegeben haben.“ Überwiegend aus dem Sudan, Eritrea und Äthiopien stammend, wollten die meisten Flüchtlinge über den Ärmelkanal nach Großbritannien, wo sie Familie oder Freunde haben oder sich bessere Jobchancen ausrechnen. Doch da die Behörden in der Flüchtlingskrise die Kontrollen verschärften, wurde die illegale Überfahrt immer schwieriger. Mehrere Flüchtlinge wurden auf der Schnellstraße zum Tunnel überfahren.
Hilfsorganisationen begrüßen die Räumung des "Dschungels"
Das Eingreifen von Präsident François Hollande mag auch am in Frankreich aufziehenden Wahlkampf liegen. Doch faktisch war die Situation nicht mehr haltbar – nicht für die Flüchtlinge und nicht für die Bewohner von Calais. Viele Hilfsorganisationen begrüßen die Räumung, da sie den Flüchtlingen ein Dach über dem Kopf bringe. „Niemand kann für den Erhalt des Slums sein, aber wir brauchen angemessene Lösungen für diese Männer und Frauen“, sagt Pierre Henry von der Initiative „Asylland Frankreich“.
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