Der Ansturm auf Europa: Was jetzt zu tun ist
Hunderttausende fliehen vor dem Elend in ihrer Heimat. Es gibt keine einfache Lösung. Nötig ist großherzige Hilfe, ohne die Integrationskraft zu überfordern.
Seit Jahresbeginn sind 140 000 Menschen aus Nordafrika über das Mittelmeer geflüchtet. Tausende sind ertrunken, das Mittelmeer ist zum Massengrab geworden. Ein Ende dieser humanitären Katastrophe ist nicht in Sicht, ganz im Gegenteil. Hunderttausende warten allein an den Küsten Libyens auf ihre Chance, nach Europa zu gelangen – auch auf das Risiko hin, bei der von skrupellosen Schleuserbanden organisierten Überfahrt ums Leben zu kommen.
Flüchtlingszahlen steigen weiter
Die Europäische Union ist darauf nicht vorbereitet und bietet ein klägliches Bild von Zerrissenheit und mangelnder Handlungsfähigkeit. Das ist umso alarmierender, als die Zahl der Flüchtlinge ja weiter steigen wird und Europa vor der „größten sicherheitspolitischen Herausforderung des 21. Jahrhunderts steht“, wie der Historiker Herfried Münkler glaubt. In dessen Zukunftsszenario überschreiten nicht Armeen, sondern „gewaltige Flüchtlingsströme“ die Grenzen. Es mag sein, dass Münkler allzu schwarz malt. Doch Europa hat es zweifellos mit einem riesigen Problem zu tun. Zumal es ja keine einfache Antwort auf die Frage gibt, wie das wohlhabende, humanitären Werten verpflichtete Europa auf den Ansturm reagieren soll.
Abschotten und Mauern hochziehen – das wäre weder menschlich noch erfüllte es seinen Zweck. Ein Europa, das den Flüchtlingen die kalte Schulter zeigt, beginge Verrat an seinen Prinzipien.
Die Grenzen also öffnen und „legale Zugänge“ schaffen, wie es etwa die Grünen und die von einem hohen moralischen Podest aus operierenden Gesinnungsethiker fordern – das käme einer Einladung für Millionen gleich und brächte sowohl die soziale als auch die politische Ordnung europäischer Gesellschaften ins Wanken.
Die Fluchtursachen an der Wurzel bekämpfen
Das alternde Europa, zumal auch Deutschland, ist auf Einwanderung angewiesen und kann den Zuzug junger, meist hochmotivierter Menschen gut gebrauchen. Allerdings kommt es darauf an, die Integrationsfähigkeit des Landes nicht zu überfordern. Ein reiches Land wie Deutschland muss zu „großherziger Hilfe“ (Gauck) bereit sein – und ist es ja. Aber es muss um des inneren Friedens willen auch die Grenzen seiner Integrationskraft im Auge behalten, zumal ja die Asylsuchenden nur den kleineren Teil der jährlich fast 500 000 Zuwandernden ausmachen. Das heißt dann auch, das Asylrecht konsequenter anzuwenden und nur jenen auf Dauer Zuflucht zu bieten, die vor politischer Verfolgung geflohen sind. Dazu gehört dann auch die Anerkennung der Tatsache, dass Deutschland naturgemäß nur einen begrenzten Beitrag zur Linderung des Elends in der arabischen und afrikanischen Welt leisten kann.
Europa muss Verantwortung übernehmen
Niemand verlässt gern seine Heimat. Die meisten fliehen aus Ländern, in denen – wie in Syrien oder Eritrea – Bürgerkrieg, bittere Armut und Unterdrückung herrschen. Der Schlüssel zur Eindämmung gewaltiger Wanderungsbewegungen liegt deshalb in einer Verbesserung der Verhältnisse in den Herkunfts- und Transitländern. Europa muss mehr tun, um die Fluchtursachen an der Wurzel zu bekämpfen. Das kostet viel Geld und erfordert die Bereitschaft, mehr Verantwortung zu übernehmen.
Auf absehbare Zeit jedoch wird sich an den furchtbaren Zuständen nichts ändern. Für den Augenblick geht es darum, Menschen in Not bestmöglich zu helfen und zugleich zu versuchen, den Ansturm in geregeltere Bahnen zu lenken. Die Palette der Maßnahmen reicht vom Kampf gegen die Schleuserbanden über den Aufbau von Aufnahmezentren in Nordafrika bis hin zur gerechteren Verteilung der Flüchtlinge in der EU. Wobei es, wie gesagt, keine einfache Lösung gibt – schon gar keine, die über jeden moralischen Zweifel erhaben wäre.
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