Der Rentenwahlkampf ist eröffnet
Soziales Union und SPD klären bei ihrem Gipfel im Kanzleramt einige wichtige Fragen wie die Angleichung der Ostrenten an Westniveau. Doch das entscheidende Thema bleibt ungeklärt.
Berlin Stärkung der Betriebsrenten, Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente, Einbeziehung der Selbstständigen in die gesetzliche Rentenversicherung und eine Anpassung der Ostrenten an das Westniveau bis 2025 – darauf haben sich die Spitzen der Großen Koalition bei ihrem Rentengipfel im Kanzleramt am Donnerstagabend geeinigt.
Doch die großen Zukunftsfragen der Rente blieben offen. So lehnten die Koalitionäre den Vorschlag von Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) ab, schon jetzt gesetzlich festzulegen, dass das Rentenniveau bis zum Jahr 2045 nicht unter 46 Prozent sinken und der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung bis 2045 nicht über 25 Prozent steigen soll und sich gleichzeitig der Bundeszuschuss um bis zu 7,7 Milliarden Euro pro Jahr erhöhen soll. Die Union sah dafür keinen akuten Handlungsbedarf.
Wir beantworten die wichtigsten Fragen rund um den Rentengipfel.
Wie geht es mit den Renten weiter?
Es bleibt bei der geltenden gesetzlichen Lage, dass das Rentenniveau bis zum Jahr 2030 nicht unter 43 Prozent sinken und der Beitragssatz nicht über 22 Prozent steigen darf. Derzeit liegen das Rentenniveau bei 47,8 Prozent des Durchschnittseinkommens der Erwerbstätigen im Jahr und der Beitragssatz bei 18,7 Prozent des Bruttoarbeitslohns, den Arbeitgeber und -nehmer jeweils zur Hälfte aufbringen müssen. Nach Berechnungen von Nahles besteht allerdings die Gefahr, dass das Rentenniveau bis 2045 auf 41,7 Prozent sinken und der Beitrag auf bis zu 26,4 Prozent steigen könnte, wenn nicht frühzeitig gegengesteuert wird. Entsprechend enttäuscht zeigte sich Nahles am Freitag. „Es ist gestern eine Chance verpasst worden.“ Die Festschreibung einer doppelten Haltelinie bis in die Mitte des Jahrhunderts sei möglich gewesen und hätte „Verlässlichkeit für alle Generationen“ geschaffen. Rentner, Arbeitgeber und Arbeitnehmer hätten sich auf die weitere Entwicklung einstellen können.
Warum haben sich die Koalitionäre nicht geeinigt?
Nach Ansicht von Andrea Nahles hätten CDU und CSU dies „nicht gewollt“. An dieser Stelle habe es „keine einmütige Linie bei der Union“ gegeben. Dagegen machte Unions-Fraktionschef Volker Kauder deutlich, dass das Problem weniger brisant sei als bislang angenommen. „Die gute wirtschaftliche Lage führt dazu, dass das Rentenniveau nicht so absinkt, wie es befürchtet worden war.“ So könne das Niveau von fast 48 Prozent bis 2020 gehalten werden und der Beitragssatz werde stabil bleiben. Ähnlich argumentierte auch CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt: Es gebe eine bessere Situation „als prognostiziert“.
Ist damit der Rentenwahlkampf eröffnet?
Im Prinzip ja. Schon am Freitag warfen sich Union und SPD gegenseitig vor, mit dem Thema im kommenden Wahlkampf punkten zu wollen. „Aus der Sozialministerin Nahles ist heute die Wahlkämpferin Nahles geworden“, sagte der CSU-Sozialexperte Stephan Stracke gegenüber unserer Zeitung. Ihre Festlegung zum Rentenniveau im Jahre 2045 sei „unsolide und deshalb mit uns nicht zu machen“. Dagegen würdigte die SPD-Sozialexpertin Katja Mast gegenüber unserer Zeitung das Konzept von Nahles: „Es stärkt die gesetzliche Rente und schlägt kluge Wege im Kampf gegen Altersarmut vor.“
Was wird aus der CSU-Forderung nach einem weiteren Ausbau der Mütterrente?
Vorerst nichts. Die CSU beharrt auf ihrer Forderung nach einer vollen Angleichung, will dies aber erst nach der Wahl 2017 in Angriff nehmen. Die CDU wie die Wirtschaft sind wegen der Milliardenkosten allerdings skeptisch. Seit Mitte 2014 werden Müttern, die ihre Kinder vor 1992 auf die Welt gebracht haben, zwei Erziehungsjahre für die Rente anerkannt, jüngeren Müttern sogar drei Jahre. Die CSU will die volle Mütterrente für alle und will diese Forderung auch in ihr Wahlprogramm aufnehmen.
Kommt die Lebensleistungsrente für Geringverdiener?
Das ist nicht ganz ausgeschlossen. Beim Rentengipfel im Kanzleramt gab es zwar keinen Beschluss, doch nach Ansicht von Sozialministerin Andrea Nahles ist eine Einigung innerhalb der nächsten Wochen nicht ausgeschlossen. Nach ihren Vorstellungen sollen Menschen, die 35 Beitragsjahre nachweisen können, eine Rente erhalten, die zehn Prozent über dem in der jeweiligen Region geltenden Satz der Grundsicherung liegt, ab 2023 gelten 40 Jahre.
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