Deutscher Menschenrechtler Peter Steudtner kommt frei
In der Türkei hat der Prozess gegen Peter Steudtner begonnen. Dabei gab es eine Überraschung: Der deutschen Menschenrechtler kommt frei.
Bis kurz vor 23 Uhr muss der deutsche Menschenrechtler Peter Steudtner warten, dann endlich kommt die Erleichterung: Das Gericht in Istanbul spricht ihn frei – und mit ihm sieben seiner Mitangeklagten. Er kann wieder zurück nach Deutschland reisen. Mehr als 100 Tage ist es her, dass Peter Steudtner seine Freiheit verlor. Seitdem saß er in einem türkischen Untersuchungsgefängnis, weil er mehrere terroristische Vereinigungen unterstützt haben soll. Der Deutsche selbst hatte schon zum Auftakt des Prozesses seine sofortige Freilassung gefordert: „Ich habe nie in meinem Leben irgendeine militante oder terroristische Organisation unterstützt“, sagte er. Doch die Anklageschrift forderte zunächst zwischen fünf und zehn Jahren Haft für den 45-Jährigen und seine Mitangeklagten. Dann allerdings änderte die türkische Staatsanwaltschaft ihre Meinung und forderte ebenfalls, dass die Angeklagten auf freien Fuß kommen. Und so urteilte schließlich auch das Gericht.
Fragwürdige Gerichtsverfahren dieser Art gibt es in der Türkei seit dem Putschversuch im Sommer 2016 jede Menge. Recep Tayyip Erdogan ließ das Gericht schon vor Monaten wissen, was seiner Meinung nach zu tun ist: Der Präsident beschuldigte die Menschenrechtler, sie hätten einen Staatsstreich vorbereiten wollen. Beweise gibt es nicht.
Immerhin: Zwischen Festnahme und Prozessbeginn ist vergleichsweise wenig Zeit vergangen. Die Anklageschrift ist offenbar in aller Eile geschrieben worden, nachdem Außenminister Mevlüt Cavusoglu angesichts der Proteste der Bundesregierung eine rasche Bearbeitung zugesagt hatte. Das ließ hoffen, dass die Türkei die Krise mit der Bundesregierung nicht verschärfen will. Auch der Sinneswandel der Staatsanwaltschaft lasse sich nicht ohne ein Eingreifen der Regierung erklären, schreibt der amerikanische Türkei-Experte Howard Eissenstat auf Twitter.
Wie es ihm in der Haft erging, schilderte Steudtner beim Prozess. Nach der Festnahme habe er drei Tage in einer Zelle gesessen ohne Verbindung zur Außenwelt. Die Ankläger konfrontieren ihn mit bizarren Vorwürfen zu einem vermeintlichen deutschen Überwachungsprogramm namens „Elephant“. Gemeint sei wohl „Elefand“ – die Abkürzung steht für die Elektronische Erfassung von Deutschen im Ausland. Es ist ein Angebot des Auswärtigen Amtes, um bei Katastrophen wie Erdbeben betroffene Bundesbürger rasch kontaktieren zu können. Wie viele Deutsche im Ausland hatte sich auch Steudtner dort registriert. Das hätten die Ankläger leicht herausfinden können. Aber das hätte nicht ins Bild gepasst.
Dieses Bild sieht so aus: Zusammen mit anderen Menschenrechtlern trifft sich Steudtner im Juli zu einer Geheimsitzung auf der Insel Büyükada nahe Istanbul, um staatsfeindliche Gruppen zu einem Aufstand anzustacheln. Die Schuldvorwürfe gründen auch auf den Aussagen eines Übersetzers. Bei dem Seminar ging es etwa um Datensicherheit für Menschenrechtsaktivisten – der Dolmetscher vermutete staatsfeindliche Aktivitäten und ging zur Polizei. Aus dem Treffen von Aktivisten, darunter Vertreter von Amnesty International, wurde in den Augen des türkischen Staates eine Besprechung von Umstürzlern.
In dem Prozess ging es um mehr als das Schicksal des Berliners. Die Bundesregierung hat verdeutlicht, dass eine Normalisierung des Verhältnisses beider Staaten nur bei Freilassung von Häftlingen wie Steudtner oder den Journalisten Deniz Yücel und Mesale Tolu möglich ist.
Hier lesen Sie unseren Kommentar: Erleichterung nach einem Prozess, den es nicht hätte geben dürfen
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