Deutschland bleibt Europas Zugpferd
Die Ukraine-Krise zeigt auch in der Bundesrepublik wirtschaftliche Auswirkungen. Doch das Wohl der deutschen Wirtschaft hängt nicht an Russland, meint unser Autor.
Angela Merkel hat einen feinen Humor. So ließ sie jüngst beim Treffen der Star-Ökonomen in Lindau durchblicken, wie skeptisch ihr als Physikerin die prophetischen Gaben der Zunft erscheinen. Die Kanzlerin frotzelte: „Nun kommen wir aus den Jahren, in denen man nicht immer den Eindruck hat, dass die Wirtschaftswissenschaften schon alles wissen, was auf uns zukommt.“ Diese Bemerkung trifft natürlich ins Schwarze und mahnt zur Demut in der Frage, wie sich die deutsche Wirtschaft im Zeichen der Ukraine-Krise entwickeln könnte.
Demut ist nicht die Kernkompetenz der Wirtschaftspropheten
Prognosen sind aber ein Kerngeschäft für Ökonomen, und gerade Regierungen wollen wissen, wie es konjunkturell weitergeht und sich die Steuereinnahmen entwickeln. So ist Demut nicht die Kernkompetenz von Wirtschaftspropheten, obwohl sie ihnen gut zu Gesicht stünde. Schließlich lassen sich Krisen auch herbeireden.
Ökonomen beschwören leichtfertig Gefahren
Das Prinzip der sich selbst erfüllenden Prophezeiungen ist bekannt. Dennoch spielen Ökonomen derzeit mit dem Feuer, wie Ferdinand Fichtner vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Er beschwört leichtfertig die Gefahr einer Rezession herauf. In einer medial überdrehten Welt, die verbale Mücken zu Elefanten aufbläst, werden Einzelmeinungen rasch zur realen Gefahr hochstilisiert.
Die beste Medizin gegen das nun schon seit Monaten andauernde, immer lauter anschwellende Herbeireden einer Krise sind Fakten. Und die sprechen eine andere, optimistischere Sprache: Das Wohl der deutschen Wirtschaft hängt nicht an Russland.
Wirtschaftssanktionen gegen Russland treffen Export nur mäßig
Das Land rangiert nur auf Platz elf der für die heimischen Exporteure wichtigsten Nationen. Auf Rang eins steht Frankreich, gefolgt von den USA, Großbritannien, den Niederlanden, China, Österreich und Italien. Auf Basis dieser Tabelle lässt sich (natürlich mit aller Vorsicht) eine Vorhersage für die weitere Entwicklung des deutschen Außenhandels ableiten.
Dass einstige Sorgenkinder wie die USA und Großbritannien wirtschaftlich wieder spürbar in Form gekommen sind, ist gut für Deutschland. Es macht es den Unternehmern viel leichter, die nach wie vor anhaltende fundamentale ökonomische Schwäche Frankreichs und die Probleme Italiens zu verkraften.
Deutschland kann konjunkturell der starke Mann Europas bleiben
Da sich aber auch das Wachstum in China auf hohem Niveau abgekühlt hat, muss Deutschland unter dem Strich wohl in diesem Jahr die Hoffnung auf 2,0 Prozent Wachstum aufgeben. Aber auch Raten von 1,5 bis 1,8 Prozent, wie sie derzeit wahrscheinlicher erscheinen, sind immer noch gut. Deutschland kann also konjunkturell der starke Mann Europas bleiben. Auch deswegen, weil viele Bürger hierzulande in den vergangenen Jahren kräftig konsumierten. Anderes bleibt ihnen bei den lächerlich mickrigen Zinsen für ihr Erspartes kaum übrig.
Arbeitslosenzahlen machen Hoffnung
Was aber vor allem zur Hoffnung Anlass gibt: Die Zahl der Erwerbstätigen ist in Deutschland mit rund 42,5 Millionen auf den zweithöchsten Stand seit der Wiedervereinigung nach oben geschnellt. Davon kann Frankreich nur träumen. Wenn Staatspräsident François Hollande versucht, das Wachstum in der zweitgrößten Volkswirtschaft Europas durch politische Reformen anzukurbeln, ist das immerhin eine gute Nachricht für uns.
Frankreich muss Lohnnebenkosten senken
Leider steht Paris dabei noch ein langer Reformweg bevor. Deutschland brauchte nach der tiefen Krise Mitte der 90er Jahre fast ein Jahrzehnt, um Maßnahmen zu ergreifen, die es Unternehmen ermöglicht haben, erfolgreicher zu arbeiten. Der Lohn waren hunderttausende neue Arbeitsplätze.
Doch Frankreich hat nach Schweden noch immer die höchsten Lohnnebenkosten in Europa. Ändert sich das nicht, bleibt dem Land der deutsche Erfolgsweg versperrt.
Die Diskussion ist geschlossen.