Deutschlands Weg ins Ökoenergieland
Nach der Atomkatastrophe in Japan hat Deutschland die ersten Reaktoren vom Netz genommen. Der Weg vom Kohle- und Atom- zum Ökoenergieland ist trotzdem noch lange, sagen Experten. Möglich aber ist er.
Nach der Havarie der Kernreaktoren in Japan hat Deutschland die ersten Reaktoren vom Netz genommen. Der Weg vom Kohle- und Atom- zum Ökoenergieland ist trotzdem noch lange, sagen Experten. Möglich aber ist er durchaus.
Mit Prognosen soll man vorsichtig sein, insbesondere wenn es um Energie geht. Das weiß man spätestens seit der fehlgeschlagenen Voraussage des renommierten Club of Rome, der Anfang der 70er Jahre zu wissen glaubte, die Ölvorräte würden binnen 25 Jahren zu Ende gehen. Volker Quaschning, Professor für regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, wagt dennoch die These, eine Energiewende werde bereits in absehbarer Zeit gelingen. Das heißt: keine Atom- und Kohlekraftwerke mehr. Nur mehr Energie aus regenerativen Kräften.
„Bis 2050 könnte man so den kompletten Energiebedarf der Republik decken“, sagt Quaschning im Gespräch mit unserer Zeitung. Allerdings müssten bessere politische Rahmenbedingungen geschaffen werden. „Wir haben doch bis vor zwei Wochen diskutiert, ob wir zu viel Solarstrom produzieren“, berichtet Quaschning. Noch immer gebe es insbesondere in den südlichen Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg große Vorbehalte – auch gegenüber Windkraftwerken. Die würden aus naturschutzrechtlichen Gründen mancherorts selbst neben Atomkraftwerken nicht genehmigt.
Was die Zukunft der Stromerzeugung betrifft, ist der Wissenschaftler trotzdem sehr zuversichtlich. „Wenn der Ausbau erneuerbarer Energien schneller vorangetrieben wird als bisher, könnte das Ziel sogar schon 2030 erreicht werden.
Windkraft könnte 40 Prozent des Strombedarfs decken
Sein Zukunftsszenario skizziert er so: Am Ende wird insbesondere die Windkraft 30 bis 40 Prozent des Strombedarfes decken, Photovoltaik 20 bis 30 Prozent, daneben Wasserkraft und Biomasse, deren Potenzial in Deutschland aber begrenzt sei.
Hermann Albers, Präsident des Bundesverbandes Windenergie, äußert sich ebenfalls zuversichtlich: „Schon bevor die Bundesregierung im vergangenen Herbst die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke beschlossen hat, haben wir klar gesagt: Bereits 2020 kann jede zweite Kilowattstunde aus erneuerbarem Strom kommen.“ Allein die Windenergie könnte bis dahin etwa 30 Prozent der deutschen Stromversorgung ausmachen. „Damit können wir die Kernenergie vollständig ersetzen“, so Albers. Auch das Umweltbundesamt ist optimistisch. Eine von der Behörde in Auftrag gegebene Studie besagt, dass sich bis 2050 zumindest die deutsche Stromversorgung vollständig auf erneuerbare Energien umstellen lässt. „Das ist bereits mit der heute verfügbaren Technik möglich“, meint Umweltbundesamt-Präsident Jochen Flasbarth. Und: Bis zu 47 Prozent Stromversorgung könne bereits im Jahr 2020 erreicht werden.
Mehr Gebäude müssen saniert werden
In Sachen Gesamtenergie-Bilanz sieht es noch nicht so gut aus. Der Energieverbrauch müsse erheblich gesenkt werden, fordert Quaschning. Dies lasse sich insbesondere über Gebäudesanierung realisieren. Doch bisher würde nur ein Prozent der Häuser jährlich saniert. „Es müssten etwa drei- bis viermal so viele sein, damit sich die Hälfte der verbrauchten Wärmeenergie einsparen und das Ziel 2050 erreichen ließe“, sagt der Professor.
Laut Quaschning gibt es zudem bei der Umstellung auf Ökostrom noch Probleme. Eines davon: Die großen Energieversorger, die bislang hauptsächlich mit Kohle- und Atomstrom ihr Geld verdienen, hätten nur ein begrenztes Interesse am Ausbau dieser Energie, behauptet er. Außerdem seien die Stromnetze auf zentrale Versorger ausgerichtet. „Wir müssen sie noch stärker aus- und dezentral umbauen“, fordert der Experte, der einräumt, dass Ökoenergie den Strom seiner Meinung nach um einige Cent pro Kilowattstunde teurer machen wird. Doch auch in den vergangenen Jahren habe es Strompreissteigerungen von rund elf Prozent gegeben.
Aktuell liegt der Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch nach Angaben des Statistischen Bundesamtes bei knapp 16 Prozent, Atomenergie bei 22,7. Vor allem Kohle ist immer noch der Energieträger Nummer eins. Fast 43 Prozent stehen für sie noch zu Buche.
Jürgen Großmann, Vorstandschef des Energieriesen RWE, ist für eine behutsame Änderung der Aufteilung dieses Kuchens. Er sagte in einem Interview mit der Zeit: „Wir sind doch längst dabei, unseren Energiemix zu verändern. Die Gesellschaft muss aber anerkennen, dass man in einem Industrieland nicht einfach so auf Kohle und Kernenergie verzichten kann, wenn man Wohlstand und Versorgungssicherheit erhalten will.“
Natürlich sei es richtig, auf Erneuerbare zu setzen und sie auszubauen, aber dies habe seinen Preis, sagt Großmann. Billige Energie und gleichzeitig ein kompletter Umbau der Energieversorgung sei nicht möglich, glaubt der Manager.
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