Die Balkanroute ist dicht, aber…
Rund 61000 Menschen sitzen in Griechenland fest und Schleuser machen immer noch Geschäfte mit ihrer Not
Berge von weggeworfenen Schwimmwesten erinnern auf Lesbos an die vielen Menschen, die bis vor einem Jahr über die Ägäis kamen. Ein Jahr nach Schließung der Balkanroute durch Staaten nördlich von Griechenland herrscht Stille zwischen den orangefarbenen Halden. Die Sperrung der Balkanroute hat den Flüchtlingszustrom aus der Türkei über Griechenland nach Mitteleuropa weitgehend zum Erliegen gebracht.
Aber zehntausende Migranten harren in griechischen Lagern unter teils unwürdigen Zuständen aus. „Erfreulich ist, dass keine Menschen, wie vor zwei Jahren, im Meer zwischen der türkischen Ägäisküste und den griechischen Inseln ums Leben kommen“, sagt ein Offizier der Küstenwache. Nicht erfreulich ist, dass Schleuser weiter gute Geschäfte mit der Not machen.
Die Fakten: Im Januar und Februar 2016 kamen knapp 124500 Migranten und Flüchtlinge aus der Türkei nach Griechenland und reisten danach nach Mitteleuropa weiter. Anfang März 2016 wurde die Balkanroute durch Mazedonien nach und nach mit Zäunen, Wachhunden und Polizisten mit dem Schlagstock in der Hand geschlossen. Ein Jahr später – im Januar und Februar 2017 – setzten noch 2379 Migranten und Flüchtlinge zu den griechischen Inseln über. Bedeutend zu diesem schlagartigen Rückgang hat auch der seit April 2016 geltende EU-Türkei-Flüchtlingspakt beigetragen. Wer seitdem aus der Türkei zu den griechischen Inseln übersetzt, kann zurückgeschickt werden, wenn kein Asyl gewährt wird.
Der Stand der Dinge für die Migranten und Flüchtlinge in Griechenland: Rund 61000 Menschen sitzen in Flüchtlingslagern auf den Inseln und dem Festland fest. Viele von ihnen harren in Zelten aus. Schlepper versprechen, sie über „geheime Wege“ ihrem Ziel näher zu bringen. Mit Autos und Minibussen werden Migranten in die Region der Hafenstadt Thessaloniki gebracht. Dort trennen sich die Wege: Ein Teil der Migranten wird über die mazedonische Grenze weiterbefördert, über Grenzübergänge, die nicht durch einen Zaun gesichert sind. Ein anderer Teil nimmt die alte Migrationsroute nach Italien: Aus den westgriechischen Häfen Patras und Igoumenitsa laufen täglich mehrere Fähren Richtung Italien aus. Migranten versuchen, irgendwie auf eine von ihnen zu gelangen.
Am schlimmsten trifft es diejenigen, die auf den griechischen Inseln festsitzen. Für sie gelten jetzt die Bestimmungen des EU-Türkei-Flüchtlingspakts. Wer kein Asyl bekommt, soll in die Türkei geschickt werden.
Die Asylverfahren in Griechenland ziehen sich wegen Personalmangels in die Länge. Bisher hat die EU nur einen Bruchteil der versprochenen rund 400 Asylrichter geschickt. Auch die sogenannte Umsiedlung von Migranten und ihre Verteilung in alle EU-Staaten kommt nur mühsam voran. Trotz der Organisationsprobleme gelingt es der Regierung unter Ministerpräsident Alexis Tsipras bisher, die Lage einigermaßen unter Kontrolle zu halten. Takis Tsafos, dpa
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