Die Le-Pen-Partei verjagt ihren alten Gründer
Zwischen Jean-Marie Le Pen und seiner Tochter Marine herrscht offener Krieg. Werden die Rechtsradikalen ohne den bekennenden Rassisten und Antisemiten jetzt salonfähig?
Verschont hat Jean-Marie Le Pen noch keinen seiner Gegner in seinem politischen Leben. Das wird er auch nicht mit seiner neusten Feindin tun – selbst wenn es sich um die eigene Tochter Marine handelt, die vor vier Jahren den Vorsitz seiner Partei übernommen hat. „Ich schäme mich dafür, dass die Vorsitzende des Front National meinen Namen trägt“, donnerte der 86-Jährige gestern im französischen Radio. Solle sie doch ihren Lebensgefährten und Parteifreund Louis Aliot oder den homosexuellen Parteivize Florian Philippot heiraten. Eine Le Pen sei Marine nicht mehr. „Ich erkenne keinerlei Verbindung zu jemandem an, der mich auf eine derart skandalöse Weise verrät.“
Le-Pen-Clan trägt Familiendrama in Öffentlichkeit aus
So rächt sich der Mitbegründer des Front National für die von seiner Tochter vorangetriebene Entscheidung des Parteivorstandes am Vorabend, seine Mitgliedschaft vorläufig auszusetzen. Damit wird er für seine letzte Provokation bestraft: Er verharmloste wiederholt die Gaskammern in den NS-Konzentrationslagern als „Detail der Geschichte“, obwohl er bereits dafür verurteilt wurde. Bei einem Partei-Kongress im Sommer dürfte ihm auch der Ehrenvorsitz entzogen werden. Von einer Kandidatur bei den Regionalwahlen hatte er zuvor zugunsten seiner 25-jährigen Enkelin Marion Maréchal-Le Pen verzichtet, die ihm ideologisch und persönlich näher steht als seine Tochter.
Sind die Le Pens sonst stets die ersten, die die Skandale der anderen Parteien empört anklagen, so tragen sie seit einigen Wochen ihr Familien-Psychodrama über die Medien aus. Ihr Vater dürfe nicht mehr im Namen des FN sprechen, hatte Marine Le Pen erklärt, nachdem er bei der Partei-Feier am 1. Mai sein Störpotenzial bewiesen hatte: Im roten Mantel stieg er nach ihrer Rede auf die Bühne und riss die Arme in Siegerpose in die Luft, während seine Anhänger applaudierten. Genervter Miene stand sie daneben. Nun ist der Streit eskaliert.
Tochter von Le Pen will Frankreich regieren
„Kriegserklärung bei den Le Pens“ titelten gestern die Zeitungen. Der Bruch scheint vollzogen – und er eröffnet eine neue Ära für Frankreichs extreme Rechte. Sie könnte in die Umbenennung in „Marine-blauer Zusammenschluss“ münden, mit der sich die Rechtspopulistin endgültig von ihrem Vater absetzen will, der den FN seit seiner Gründung 1972 geprägt hat. Als bekennender Rassist und Antisemit behinderte er zunehmend ihre Strategie der „Entdämonisierung“, die die Partei salonfähig machen soll.
Anders als ihr Vater will die 46-jährige Juristin an die Regierung. Sie treibt die Verjüngung der Partei voran, baut ihre lokalen Strukturen aus, präsentiert sie als „Stimme des Volkes“. Mit Erfolg: Bei allen Wahlen seit ihrem Sprung an die Parteispitze 2011 verzeichnete der FN Zuwächse.
Marine Le Pens Ergebnis von 18 Prozent bei der Präsidentschaftswahl 2012 dürfte sie 2017 noch toppen, auch weil sie vom Verdruss der Wähler über die bürgerlichen Parteien profitiert. In Umfragen wird die Abnabelung vom Vater positiv gewertet. Doch in Rente, das hat der alte Patriarch der Tochter angedroht, wird er aber keineswegs gehen: „Ich denke an Attacke.“
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