Die Linke und der Tortenwurf: Nur Platz für eine Protestpartei
Die Linke muss sich entscheiden: Will sie Opposition um jeden Preis oder doch eine rot-rot-grüne Koalition? Das Dagegen-Sein beherrscht die AfD besser.
Die Torte, die Sahra Wagenknecht ins Gesicht flog, hat ihr eigentliches Ziel verfehlt. Anstatt noch mehr Zwietracht in die Linkspartei zu tragen, hat die schmierige Attacke die Genossen in Magdeburg zur Solidarität mit der ungeliebten Fraktionsvorsitzenden gezwungen. Plötzlich ist die 46-Jährige nicht mehr Frauke Petrys Schwester im Geiste, weil auch sie in der Flüchtlingskrise von den Grenzen der Aufnahmebereitschaft spricht, sondern die Frau, die der Parteitag mit stehenden Ovationen feiert, als sie umgezogen und frisch geschminkt wieder in die Halle zurückkehrt – Sahra Unangreifbar.
Sieht erst nach Widerspruch aus, folgt aber einer gewissen Logik
Eine Linke, die argumentiert wie eine Rechte: Was auf den ersten Blick noch wie ein Widerspruch in sich aussieht, folgt bei genauerem Hinsehen doch einer gewissen Logik. Mit der wiedererstarkten Alternative für Deutschland versucht inzwischen eine zweite Partei, den Zorn auf die etablierte Politik, persönliche Unzufriedenheit und diffuse Ängste vor dem sozialen Abstieg in Abgeordnetenmandate umzumünzen – und das auch noch mit deutlich größerem Erfolg. Damit ist die Linke nicht nur ihr Monopol als Protestpartei los. Auch dort, wo sie regieren will, geht ihre Rechnung nicht mehr auf: In Sachsen-Anhalt wollte sie in einer rot-rot-grünen Koalition nach Thüringer Vorbild den Ministerpräsidenten stellen, landete dann aber noch hinter der AfD in der Opposition. In Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern droht ihr im Herbst ein ähnliches Schicksal.
Vor allem in den neuen Bundesländern verliert die Linke gerade hunderttausende von Wählern an die AfD, ohne darauf wirklich eine Antwort zu haben. Soll sie bei ihrer Politik des bedingungslosen Willkommens bleiben und voller Stolz vorrechnen, dass sie bisher noch gegen jede Verschärfung des Asylrechts gestimmt hat? Oder es mit der Methode Wagenknecht versuchen und sich zur Anwältin der besorgten Bürger machen? Die Vorbehalte gegen Flüchtlinge sitzen im Osten seit jeher besonders tief, also auch bei den Stammwählern der Linken. Je mehr sie dort an die Rechtspopulisten verliert, umso existenzbedrohlicher wird die Lage für sie, zumal sie im Westen ja nie wirklich Fuß gefasst hat. Nicht von ungefähr spricht ihr früherer Vorsitzender Klaus Ernst von einer Art „Abwärtsspirale“, in der die Partei stecke. Setzt sich der Trend nach unten fort, könnte die Linke im nächsten Jahr sogar an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Für zwei Parteien, die nur vom Protest leben, ist im Bundestag kein Platz.
Vor und nach Tortenwurf von Magdeburg: Linke weiß nicht, was sie wollen soll
Der Tortenwurf von Magdeburg hat das wahre Dilemma der Partei nur für ein Wochenende in den Hintergrund gedrängt. Sie wirkt nicht nur saft- und kraftlos, wie Gregor Gysi ihr mitleidslos attestiert. Sie weiß auch nicht, was sie wollen soll: Opposition um jeden Preis, gewürzt mit jeder Menge Moralin und einer Prise Klassenkampf – oder irgendwann doch ein rot-rot-grünes Bündnis im Bund? Im Moment haben sich die beiden Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger in ihrer Nische bequem eingerichtet – auf Dauer aber wird das Dagegen-Sein zu wenig sein, um sich in einem rasant verändernden politischen System zu behaupten.
In Thüringen zeigt Bodo Ramelow, dass es auch anders geht. Gemessen an den Befürchtungen, die ihn auf seinem Weg in die Staatskanzlei in Erfurt begleitet haben, regiert der frühere Gewerkschafter dort vergleichsweise pragmatisch und unspektakulär. Ihm ist gelungen, wovon die Bundespartei noch politische Lichtjahre entfernt ist: Den Menschen das Gefühl zu geben, dass sie ihr Leben auch dann einigermaßen unbehelligt weiterleben können, wenn die Linkspartei irgendwo mitregiert. Katja Kipping und Bernd Riexinger vermitteln ihnen das genaue Gegenteil.
Die Torte hat ihr eigentliches Ziel verfehlt…
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