Die Opposition wirft Innenminister Seehofer Untätigkeit vor
Exklusiv Trotz seiner selbst gesetzten Frist bis Anfang August hat Seehofer noch kein einziges Abkommen mit EU-Partnern erzielt. Manche vermuten Kalkül dahinter.
Horst Seehofer hat sich die Frist selbst gesetzt. Bis Anfang August wollte der Bundesinnenminister Abkommen mit seinen Kollegen in Österreich, Italien, Griechenland und Spanien ausloten, um Flüchtlinge an der deutschen Grenze zurückweisen zu können, die bereits in einem dieser Länder registriert sind. Doch zum Ablauf der Frist gibt es keine einzige solche Vereinbarung – dafür eine Menge Kritik am zuständigen Minister. Wolfgang Kubicki vermutet sogar Kalkül hinter der passiven Rolle des Ministers. „Horst Seehofer weiß genau, sollte es keine entsprechenden bilateralen Abkommen geben, läuft es am Ende auf die von ihm favorisierte nationale Lösung hinaus“, sagt der FDP-Vize. „Seine bisherige Untätigkeit in dieser Frage zielt klar auf die Bundeskanzlerin und deren Richtlinienkompetenz.“
Kubicki: "Seehofer fächert dem Unionsstreit neue Luft zu"
Hintergrund: Seehofer hat angekündigt, dass er die Zurückweisung von Flüchtlingen notfalls ohne Abkommen anordnen wolle. Angela Merkel wiederum lehnt das strikt ab und lässt keinen Zweifel daran, dass sie auch von ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch machen würde, um Seehofer zu stoppen. „Wer geglaubt hatte, die schwarz-rote Koalition komme langsam in einen normalen Arbeitsmodus, hat den tiefen und sehr persönlichen Riss zwischen beiden Unions-Parteivorsitzenden unterschätzt“, sagt Kubicki. Für ihn steht fest: „Mit dieser Retourkutsche fächert Seehofer dem verglimmenden Unionsstreit wieder neue Luft zu.“
Der stellvertretende Grünen-Fraktionschef Konstantin von Notz geht ebenfalls hart mit dem Innenminister ins Gericht. „Der Populismus und Mangel an Ernsthaftigkeit Seehofers und seiner CSU schaden unserem Land“, sagte er. „Horst Seehofer hat in der Vergangenheit stets die markantesten Sprüche und knackigsten Überschriften produziert, wenn es darum ging, die Politik von Kanzlerin und Bundesinnenministerium zu kritisieren. Nun merkt er, dass viele der seit Jahren bestehenden Probleme eben nicht trivial sind – sie bedürfen einer intensiven inhaltlichen Auseinandersetzung. Eine solche vermisst man aber bei Horst Seehofer bis heute.“ Anstatt Probleme endlich anzugehen, produziere der CSU-Chef steile Überschriften und mache das Ministerium zur bayerischen Wahlkampfzentrale.
Auch in der SPD macht sich Unmut breit
„Herr Seehofer ist mit vielen Ankündigungen gestartet. Bisher muss man nüchtern feststellen, dass noch kein Vorhaben richtig zu Ende gebracht wurde und man in wichtigen Bereichen wie Bekämpfung von Alltagskriminalität, Heimat und Bau noch überhaupt nicht weiß, was seine Agenda ist. Ich hoffe, dass er sich in den kommenden Monaten darauf konzentriert, konkrete Probleme zu lösen“, sagt der innenpolitische Sprecher des Koalitionspartners, Burkhard Lischka.
Bei einer Bierzelt-Rede im oberbayerischen Töging am Inn hat sich Seehofer skeptisch über den Ausgang der Verhandlungen mit anderen EU-Staaten zur Rücknahme von Migranten geäußert. Es herrsche in den Gesprächen ein gutes Klima, sagte er am Donnerstagabend, es seien aber eben Verhandlungen. „Sowohl die Griechen wie die Italiener sagen uns, dann müsst ihr uns aber auch was abnehmen“, sagte er.
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Mag ja sein, dass Seehofers politische Perspektive zuletzt endlicher geworden ist. Auch ist denkbar, dass man ihm als Sündenbock für schlechte Umfragewerte in der CSU gerne ein Alleinstellungsmerkmal „zubilligt“. Aber dass „Nordlichter“ Einfluss auf bayerische Politik nehmen möchten, das ist - gelinde gesagt - irritiernd!
Einige scheinen über Seehofer alles ganz genau zu wissen. Danach ist Seehofer erstens untätig. Zweitens ist er als bayerischer Streihansl sogar ganz bewusst untätig, um erneut einen Großkonflikt mit Merkel vom Zaun zu brechen. Und drittens tut er das im vollen Wissen darum, dass er der CSU damit schadet. Plausibel oder eher Märchenstunde?
Realistischer erscheint da doch die Vermutung, dass man mit einer beispiellosen Kampagne Seehofer und die CSU demontieren möchte, ist die bayerische Dominanz doch vielen gerade im Norden schon lange ein Dorn im Auge. Es wäre jedenfalls ein verheerendes politisches Signal, wenn man inzwischen sogar bereit wäre, den ohnehin schon stark in Mitleidenschaft gezogenen politischen Anstand endgültig auf dem Altar des Populismus zu opfern.
Wenn jemand vorzuwerfen ist, jeglichen politischen Anstand auf dem Altar des Populismus geopfert zu haben, dann der CSU und ihren Führungsfiguren Dobrindt, Söder, Seehofer, Scheuer . . .
Was hat Seehofer als Innenminister bis jetzt geleistet?
Man wird nicht gerade viel positives finden, dabei gibt es Probleme in seinem Bereich als Innenminister mehr als genug. Schlimm genug, dass er sich nicht für Seenotrettungsschiffe im Mittelmeer einzusetzt. Die vielen Ertrunkenen im Mittelmeer in den letzten Wochen werden wohl oder übel als negatives Beispiel in der Geschichte Europas erscheinen. Letztlich ist es nichts anderes als unterlassene Hilfeleistung.
Im Übrigen hat Seehofer den stark in Mitleidenschaft gezogenen politischen Anstand als Getriebener seiner eigenen Partei selbst massiv eingeleitet.