Die Polizei holt Sarkozy ab
Premiere in Paris: Erstmals wird mit Nicolas Sarkozy ein früherer Staatschef in Gewahrsam genommen. Es geht um den Verdacht der Bestechung. Die Affären könnten seine Comeback-Pläne durchkreuzen.
Ist das die Rache der „kleinen Erbsen“, als die Nicolas Sarkozy die Juristen verunglimpft hat? Obwohl selbst ausgebildeter Anwalt, behandelte er sie zur Zeit seiner Präsidentschaft mit süffisanter Herablassung. Seit er seine Immunität verloren hat, hängt er jedoch von der Justiz ab. Sie ermittelt in mehreren Affären, in die er verwickelt ist.
Meist geht es dabei um illegale Wahlkampffinanzierung. Verdächtigungen gab es also schon länger, sein Vorgänger Jacques Chirac wurde sogar wegen eines Systems fiktiver Jobs verurteilt. Doch noch nie kam ein französischer Ex-Präsident in Polizeigewahrsam – Sarkozys gestriges Verhör bei der Anti-Korruptions-Polizei im Pariser Vorort Nanterre war eine Premiere.
Sarkozy's Handy wurde abgehört
Zu Jahresbeginn war herausgekommen, dass eines seiner Handys, das er unter einem anderen Namen für Gespräche mit seinem Anwalt Thierry Herzog, angemeldet hatte, monatelang abgehört worden war. Die Erkenntnisse daraus führten zu einem Ermittlungsverfahren wegen Bestechung und Verletzung des Ermittlungsgeheimnisses.
Vorgeworfen wird dem 59-jährigen Ex-Staatschef, sich über einen hochrangigen Staatsanwalt am Kassationsgerichtshof, Gilbert Azibert, illegal Informationen über ein laufendes Verfahren beschafft, Einflussnahme versucht und diesem im Gegenzug einen prestigeträchtigen Posten in Monaco in Aussicht gestellt zu haben. Aus der Versetzung wurde jedoch nichts. Auch Azibert, ein weiterer Top-Jurist und Anwalt Herzog kamen in Polizeigewahrsam.
Bei dem Ermittlungsverfahren am Kassationsgerichtshof ging es um den Verdacht, der inzwischen verstorbene libysche Ex-Machthaber Muammar al-Gaddafi habe Sarkozy 2007 millionenschwere Wahlkampfhilfe geleistet, wie er selbst und sein Umfeld wiederholt behauptet hatten. Dabei beschlagnahmten die Untersuchungsrichter Sarkozys Terminkalender, die auch einen regelmäßigen Kontakt mit dem Geschäftsmann und Ex-Politiker Bernard Tapie verrieten.
Dieser bekam unter Sarkozy in einem umstrittenen Schiedsverfahren eine Entschädigungszahlung in Höhe von 403 Millionen Euro aus Steuergeldern zugesprochen. Häufige Treffen zwischen Tapie und Sarkozy-Vertrauten schürten die Vermutung, es habe Absprachen gegeben.
Die Vorwürfe haben sich noch nicht bestätigt
Eindeutig bestätigt werden konnte bislang keiner der Vorwürfe gegen den Ex-Präsidenten. Mangels Beweisen wurden auch die Ermittlungen im Verdacht eingestellt, er habe die Altersschwäche der L’Oréal-Erbin Liliane Bettencourt ausgenutzt, um seinen Wahlkampf 2007 illegal von der Milliardärin sponsern zu lassen. Ebenfalls nicht erwiesen ist seine Verwicklung in den Skandal um exorbitante Kosten und getürkte Abrechnungen seiner Wahlkampagne 2012, die seine bürgerlich-rechte Partei UMP derzeit in finanzielle und rechtliche Probleme bringt.
Auch in den aufgezeichneten Telefonaten, von denen die Zeitung Le Monde drei veröffentlicht hat, geben er und sein Büroleiter wenig Belastendes preis. Dem Journalisten Fabrice Lhomme zufolge deckten sie allerdings ein „System Sarkozy“ auf: Der Ex-Präsident habe ein umfangreiches Netz an Informanten bei Polizei und Justiz unterhalten und versucht, auf sie Druck auszuüben und Einfluss zu nehmen. Untersucht wird zudem, ob er über die Abhöraktion in Kenntnis gesetzt wurde.
Schlechte Aussichten für die Comeback-Pläne von Sarkozy
Auch wenn seine Schuld in keiner der Affären nachgewiesen ist, so wirft deren Häufung ein ungünstiges Licht auf Sarkozy und bedroht seine Comeback-Pläne. Längst gilt als ausgemacht, dass der Ex-Präsident bei den Wahlen 2017 nochmals antreten will. Doch sein früherer Premierminister François Fillon und Ex-Außenminister Alain Juppé, die ebenfalls Ambitionen auf das höchste Amt im Staat hegen, stellen sich ihm in den Weg. Auch einstige Weggefährten kritisieren ihn inzwischen offen, wie Ex-Arbeitsminister Xavier Bertrand, der erklärte, seine Politik „war nicht auf der Höhe“.
Wenn im Herbst ein neuer Parteivorsitzender gewählt wird, wäre das vielleicht Sarkozys letzte Chance, die UMP hinter sich zu bringen. Die Partei wird seit seiner Wahlniederlage von Führungs- und Richtungsstreitigkeiten gebeutelt. Zumindest unter den Stammwählern hat er sich viele Anhänger bewahrt. Diese tun die Ermittlungen gegen ihr Idol denn auch als Komplott ab. Schon das hohe Polizeiaufkommen zeige, dass man „den früheren Präsidenten um jeden Preis anschuldigen will“, befand der UMP-Abgeordnete Daniel Fasquelle. Für andere ist es gerade ein Zeichen für die Unabhängigkeit der Justiz, auch gegen einen früheren Staatschef zu ermitteln – ob er sie als „kleine Erbsen“ bezeichnet hat oder nicht.
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