Durchschaubares Manöver
Der Generalstaatsanwalt ermittelt gegen netzpolitik.org wegen Landesverrats. Dieses Manöver ist durchschaubar - und ein untragbarer Angriff auf die Pressefreiheit.
Jeder blamiert sich, so gut wie er kann. Mit dieser Binse möchte man es gerne abtun, das Ermittlungsverfahren des Generalstaatsanwalts gegen die Betreiber und Blogger von netzpolitik.org. Wenn es so einfach wäre.
Tatsächlich ist die Situation ernster. 50 Jahre nach der Spiegel-Affäre - in deren Zuge der damalige Verteidigungsminister Franz Josef Strauß gehen musste - packen Verfassungsschützer wieder die Keule des "Landesverrats" aus, um kritische Journalisten in Deutschland mundtot zu machen.
Angestoßen hat dieses Ermittlungsverfahren eine Behörde, die sich in den vergangenen Monaten und Jahren vor allem durch eine blamable Untätigkeit ausgezeichnet hat.
Da wird jahrelang das Handy der Bundeskanzlerin von Spionen abgehört. Auch das Finanz-, Wirtschafts- und Außenministerium wurden (und werden?) vom US-Geheimdienst systematisch belauscht. Die Rechtsterroristen der NSU konnten über Jahre hinweg ungestraft mordend durch Deutschland ziehen. Wahrlich, die deutschen Verfassungsschützer haben sich zuletzt nicht mit Ruhm bekleckert.
Das gilt auch für den Generalstaatsanwalt. Selbst als immer neue Abhöraktionen der NSA gegen deutsche Politiker bekannt wurden, sah Harald Range keinen Grund, Ermittlungen einzuleiten und für Aufklärung zu sorgen.
Aber jetzt, wenn es gegen zwei Journalisten geht, wird er plötzlich aktiv. Markus Beckedahl und Andre Meister von netzpolitik.org hatten den Budgetplan des Bundesamts für Verfassungsschutz öffentlich gemacht. Darin wurde deutlich, wie stark der Verfassungsschutz die "Massendatenauswertung von Internetinhalten" ausbauen will.
Es ist verständlich, dass die Behörde gerne wissen möchte, wie diese vertraulichen Dokumente an die Öffentlichkeit gelangen konnten. Tatsache ist aber auch: Die Blogger von netzpolitik.org haben mit der Veröffentlichung genau das getan, was Aufgabe der Medien in einer Demokratie ist. Sie haben ihre Kontrollfunktion ausgeübt. Mit Landesverrat hat das nichts zu tun. Das Ermittlungsverfahren dürfte vielmehr genau das sein, als was es erscheint: Potentielle Quellen von netzpolitik.org sollen eingeschüchtert werden - und die beiden Blogger gleich mit dazu.
Das aber ist nichts anderes als ein Angriff auf die Pressefreiheit.
Generalstaatsanwalt und Verfassungsschützer täten gut daran, sich endlich ihren eigentlichen Aufgaben zu widmen. Einschüchterungsversuche gegen Journalisten gehören nicht dazu.
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