Ein Kampfjet für die neue Harmonie
Ein gemeinsames Militärprojekt könnte ein neues Kapitel der deutsch-französischen Zusammenarbeit symbolisieren. Doch das soll erst der Anfang sein
Sie sind zwei, die sich inzwischen gut kennen und das darf, ja das soll man gerne sehen. Zwar verbieten sie sich allzu nahe Vertraulichkeiten; politisch aber passt kein Blatt zwischen sie – das machten Angela Merkel und Emmanuel Macron bei ihrer gemeinsamen Pressekonferenz zum Abschluss des 19. deutsch-französischen Ministerrates klar. „All die Herausforderungen, über die wir gesprochen haben, reichen über unsere Grenzen hinaus“, sagte der französische Präsident. „Deshalb brauchen wir große Übereinstimmungen.“
Die meisten Mitglieder der beiden Kabinette hatten sich am Vormittag zu Gesprächen in ihren jeweiligen Ressorts getroffen. Diplomaten hatten vorsichtshalber vor dem Regierungsgipfel die Erwartungen an große „Knaller-Ankündigungen“ heruntergeschraubt: Angestoßen würden Projekte, die nicht von heute auf morgen umsetzbar seien. Um ein „Europa, das beschützt“ gehe es, so Macron – das reiche von einer Reform der Entsenderichtlinie über eine gemeinsame Unternehmensbesteuerung und eine „effiziente und humane“ Flüchtlingspolitik bis hin zur Vereinbarung einer „Allianz für den Sahel“, in deren Folge sich Deutschland an der Seite Frankreichs stärker in Afrika engagieren wird. Eine Ankündigung ließ dann aber doch aufhorchen: Neben der Einigung auf einen europäischen Verteidigungsfonds wollen beide Länder längerfristig ihre Verteidigungssysteme aufeinander abstimmen. „Ein gemeinsamer Einkauf, gemeinsame Entwicklung und Kompatibilität der Verteidigungssysteme bringen Europa nach vorne“, sagte Merkel. Längerfristig soll eine neue Generation eines europäischen Kampfjets entwickelt werden, der die aktuellen Kampfflugzeug-Flotten ersetzt. Bis Mitte nächsten Jahres wird demnach ein „Fahrplan“ ausgearbeitet.
Weil Macron sehr auf symbolische Gesten und eine starke deutsch-französische Achse setzt, kam ihm das turnusgemäße Ministertreffen sehr gelegen. Noch vor dem Gipfel schickte Macron vorab in einem Interview einen mahnenden Appell an Deutschland, es solle für eine „Wiederbelebung der öffentlichen und privaten Investitionen in Europa sorgen“. Seine wirtschaftliche Stärke verdanke es „zum Teil Missständen in der Eurozone“ und der Schwäche anderer Länder. Auf diese kritischen Töne angesprochen, erwiderte der französische Präsident, er sei unvollständig zitiert worden. Zwar bestehe der Wunsch nach höheren Investitionen. Doch Deutschland habe vor 15 Jahren Reformen durchgeführt, die Frankreich noch immer nicht gemacht habe – man erteile einander also keine Lektionen.
Bereits Anfang der Woche hatte es in Deutschland aus einem anderen Grund Irritationen über Macron gegeben. Der französische Präsident hatte darum gebeten, die EU-Steuer auf Finanzgeschäfte auf Eis zu legen. Begründung: Man wolle zunächst abwarten, um die Folgen des EU-Austritts Großbritanniens genauer abzuschätzen– die sogenannte Finanztransaktionssteuer. Hintergrund ist offenbar, dass Frankreich Londoner Banken nach Paris locken will. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble versicherte, dass Deutschland alles tun werde, damit die Steuer zustande komme.
In Paris spielte dieses Reizthema – zumindest offiziell – keine Rolle. Andere Fragen standen im Vordergrund. Es ging um Bildung, Kultur und Sprachpolitik. Am Vormittag hatten Merkel und Macron gemeinsam ein Sprachlern-Projekt des Deutsch-Französischens Jugendwerks (DFJW) besucht, an dem Schüler aus dem sozial schwachen Pariser Vorort Clichy-sous-Bois und der Rütli-Schule im Berliner Viertel Neukölln teilnehmen. Initiativen, die helfen sollen, einen Trend umzukehren: In beiden Ländern sinkt die Bereitschaft der Schüler, die Sprache des Nachbarlandes zu lernen. Macron hatte bereits zuvor angekündigt, die schon lange etablierten deutsch-französischen Klassen zu erhalten, die die sozialistische Vorgängerregierung abschaffen wollte.
Die Diskussion ist geschlossen.