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  3. Jo Cox: Mord an Jo Cox lässt Großbritannien nicht los

Jo Cox
24.11.2016

Mord an Jo Cox lässt Großbritannien nicht los

Ein Bild der Trauer, ein Bild des Schocks: Der Mord an der Labour-Abgeordneten Jo Cox im Juni erschütterte viele Briten.
Foto: Ben Stansall, afp (Archiv)

Jo Cox wurde eine Woche vor der Brexit-Abstimmung getötet. Sie war eine überzeugte EU-Anhängerin. Das Land steht unter Schock. Nun muss der Täter lebenslang in Haft.

Von seiner Seite nur Schweigen. Thomas Mair sagt nichts. Erklärt sich nicht. Verzieht kaum eine Miene. Dafür verschränkt er meist die Arme, während er den Ausführungen im Londoner Gerichtssaal lauscht, die nicht nur grausam klingen, sondern sich auch um seine Person drehen. Mair, 53 Jahre alt, arbeitsloser Gärtner mit angegrautem Vollbart und zurückweichendem Haaransatz, ist angeklagt, die britische Labour-Abgeordnete und leidenschaftliche EU-Befürworterin Jo Cox umgebracht zu haben. Eine Tat, die Großbritannien – genau eine Woche vor dem historischen Brexit-Referendum – zutiefst schockiert hat.

Nur wenige Male hat sich Mair überhaupt vor dem Strafgericht geäußert. Etwa bei einer ersten Anhörung. Auf die Frage nach seinem Namen antwortet der Engländer, der sich selbst als „Aktivist“ bezeichnet, mit den bizarren Worten „Tod den Verrätern, Freiheit für Britannien“. Die Staatsanwaltschaft spricht von einer politisch motivierten Tat.

Jener 16. Juni beginnt als normaler Tag in einer alles anderen als normalen Zeit. Im traditionell auf Höflichkeit bedachten Vereinigten Königreich ist es alltäglich geworden, gegen Einwanderer zu wettern, auf die politische Klasse zu schimpfen, Experten als Populisten abzutun, mit Nazi-Vergleichen zu kokettieren und gewählte Volksvertreter zu beschimpfen. Der Wahlkampf, er gerät völlig aus den Fugen. Der Ton ist schrill. Aggressiv. Beleidigend.

Jo Cox kämpfte für die europäische Idee

An jenem Morgen enthüllt der Chef der rechtspopulistischen Partei Ukip, Nigel Farage, ein ausländerfeindliches, an Nazi-Propaganda erinnerndes Plakat. Premierminister David Cameron tourt durchs Land und bringt die wirtschaftlichen Vorteile einer EU-Mitgliedschaft unters Volk. Und die Labour-Abgeordnete Helen Joanne Cox, von allen nur „Jo“ genannt, macht sich um die Mittagszeit auf den Weg in eine Bücherei mitten in Birstall, einer kleinen Stadt in der nordenglischen Grafschaft West Yorkshire. Sie will sich den Fragen ihrer Wähler stellen. Die 41-Jährige kämpft für die europäische Idee, engagiert sich für Flüchtlinge und verteidigt nach wie vor die Zuwanderung, die in Großbritannien so umstritten ist.

Thomas Mair lauert ihr bereits auf der Straße auf, bewaffnet mit zwei Handfeuerwaffen und einem Messer. Er schießt der Abgeordneten ohne Vorwarnung in den Kopf. Er sticht auf sie ein, als sie bereits in einer Blutlache am Boden liegt. Ein 77-jähriger Mann, der Cox zu Hilfe eilt, erleidet ebenfalls eine Stichverletzung am Bauch. Aber er überlebt.

Zwei Kolleginnen ruft Cox noch zu: „Geht weg! Lasst ihn lieber mich verletzen – lasst ihn nicht euch verletzen!“ Die Augenzeugen berichten später, dass Mair sich kurz entfernt, dann aber umkehrt und abermals auf die noch lebende Jo Cox einsticht. Mehrfach ruft er „Britain first“ („Großbritannien zuerst“) – es ist der Name einer rechtsextremen Organisation. Zudem kokettieren einige Brexit-Befürworter mit ähnlich klingenden Slogans.

Steckte also ein politisches Motiv hinter der Tat? Oder ist Mair nur ein „geistig kranker Einzelgänger“, wie am Tag danach einige konservative Zeitungen mutmaßten? Der Wahlkampf wird nach dem Tod von Cox vorübergehend ausgesetzt. Eine ungewöhnliche Stille legt sich über die Insel. Sie wirkt umso beklemmender angesichts des lauten Wahlkampf-Getöses der vorherigen Wochen. Doch wer es wagt, die Tat in einen direkten Zusammenhang mit dem garstigen Tonfall der Brexit-Kampagne zu bringen, wird öffentlich gescholten und beschuldigt, den Vorfall auf geschmacklose Weise auszunutzen. Laute Boulevardblätter wie Sun oder DailyMail, die monatelang auf teilweise hetzerische Art Stimmung gegen Einwanderer und Brüssel gemacht haben, vermeiden das Wort „Terrorist“ und sprechen auch nicht von einer rechtsradikalen Gesinnung. Vielmehr wird Mairs „psychische Erkrankung“ betont.

Für Brendan Cox, den Mann der ermordeten Parlamentarierin, sind es schwere Tage und Wochen. Jeden Tag redet der Witwer mit seinem fünfjährigen Sohn Cuillin und der dreijährigen Tochter Leijla über ihre Mutter. Auch die brutale Art und Weise, wie sie ermordet wurde, lässt er, gemäß dem Rat von Psychologen, nicht aus. Dennoch kann er die Frage, die ständig in seinem Kopf hämmert, weder sich noch seinen Kindern beantworten. Die Frage nach dem Warum.

Mord an Jo Cox: Vergiftete Atmosphäre

Natürlich war da die aufgeheizte Stimmung vor dem EU-Referendum, die zur vergifteten Atmosphäre beigetragen habe, sagt der Witwer. Doch das ist in seinen Augen nicht alles. „Es ist eine tiefergehende Krankheit in unserer Politik: Die steigende Tendenz, die Schuld für unsere Probleme anderen in die Schuhe zu schieben – seien es Einwanderer, Muslime oder Europa.“

Tatsächlich geht es in den Monaten vor der Abstimmung vor allem um das Reizthema Immigration. Ein Teil des EU-kritischen „Leave“- Lagers nutzt die Angst vor Überfremdung aus. Die Brexit-Befürworter schießen immer schärfer gegen Zuwanderer und das Polit-Establishment. Doch die Polemik und das Spiel mit Halbwahrheiten beherrschen auch jene, die eine Mitgliedschaft in Brüssel befürworten. So entsteht ein vergiftetes Klima, das bis heute manche Teile des Landes beherrscht.

Pöbeleien, Beleidigungen und sogar körperliche Angriffe häufen sich: In der Woche nach dem Brexit-Votum steigt die Zahl der berichteten Hassverbrechen in England, Wales und Nordirland, verglichen mit dem Vorjahr, um 46 Prozent auf 1827. Und selbst einen Monat nach dem Referendum hat sich die Situation kaum beruhigt, wie die nationale Polizei-Statistik belegt. „Das Brexit-Votum hat Ressentiments und Gefühle an die Oberfläche gebracht, die aufgrund einer politischen Korrektheit zuvor unter dem Teppich verborgen waren“, sagt Barbara Drozdowicz vom „East European Resource Centre“, einer Organisation, die in London osteuropäische Migranten berät.

Die britische Gesellschaft ist tief gespalten. Das belegt das Brexit-Votum. Und das zeigt der Prozess vor dem Strafgerichtshof Old Bailey in London. Staatsanwalt Richard Whittam sagt am Mittwoch: „Die schiere Grausamkeit und die absolute Feigheit des Mordes bringen die beiden Seiten der Menschheit von Angesicht zu Angesicht.“ Auf der einen Seite das Opfer, das für Toleranz und Gerechtigkeit kämpft, auf der anderen Seite der Täter, der brutal handelt.

Mörder von Jo Cox hat sich akribisch vorbereitet

Es wird deutlich, wie akribisch sich der Mörder vorbereitet hat. Mair befasst sich mit dem Ku Klux Klan und den Nazis, recherchiert über Serienmörder und rechtsextreme Politiker. In einem kleinen Regal neben seinem Bett stehen Bücher über deutsche Militärgeschichte, den Holocaust und die nationalsozialistischen Lehren. Darüber hat er, wie zur Zierde, einen goldenen Reichsadler angebracht. Und Mair sammelt Zeitungsartikel, die sich mit Cox’ Unterstützung für die EU-Mitgliedschaft beschäftigten. Ermittler finden darüber hinaus die ausgedruckte Biografie von Cox’ Webseite und ein Zitat von ihr: „Ich glaube, dass es die patriotische Wahl wäre, für den Verbleib Großbritanniens in der EU zu stimmen.“

Für Richter Alan Wilkie besteht kein Zweifel, dass Mair die Tat aus politischen Gründen verübt hat. „Sie werden nicht von Liebe zum Land motiviert, sondern von Bewunderung für Nazis und ähnliche antidemokratische Überzeugungen“, sagt er. Das Strafgericht verurteilt Mair zu einer lebenslangen Haftstrafe wegen Mordes.

Mairs Bekannte wollen von seiner Gesinnung nichts mitbekommen haben. „Tommy“, so sein Spitzname, sei ein unauffälliger Einzelgänger gewesen, „der oft einfach nur in seinem Garten saß“, beschreibt ihn ein Nachbar. Einer, der „mal eine Freundin hatte, als er jünger war“, die ihm jedoch von einem Kumpel ausgespannt wurde. Der seit seiner Jugend im selben Haus derselben Sozialbausiedlung wohnte, sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser hielt, kaum Alkohol trank und keine Drogen nahm, wie Nachbar Stephen Lees erzählt. „Er war nett, diskret und zurückgezogen.“ Kathleen Coke, einer anderen Nachbarin, hat er häufig geholfen, ihre Hecke zurückzuschneiden. „An dem Tag der Tat hat er mich nett auf der Straße gegrüßt“, sagt sie.

Jo Cox stirbt kurz nach der Attacke an ihren Verletzungen. 15 Stichwunden und drei Schüsse hatte Mair ihr zugefügt. Sowohl am Tatort in ihrem Wahlbezirk Batley and Spen als auch in London vor Westminster legen im Anschluss tausende Menschen Blumen nieder, zünden Kerzen an, versuchen gemeinsam den Schock zu ertragen. Zwei Tage lang trauert das Königreich. Politiker reagieren bestürzt und mahnen zur Mäßigung. Dann legt sich das Grau des wolkenverhangenen Himmels über den Berg der Sträuße. Der Wahlkampf setzt wieder ein. Der Ton hatte sich derweil kaum verändert. Am 23. Juni dann entscheidet sich die Mehrheit der Briten für den Austritt aus der EU.

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