Experten: Geld für Steuersenkungen ist eigentlich vorhanden
Der Aufschwung wird auch im Jahr 2016 noch anhalten. Deshalb können öffentliche Kassen bald mit hohen Überschüssen rechnen. Doch die Politik denkt vorerst nicht an Steuersenkungen.
Im Streit um eine spürbare Steuersenkung gehen der Koalition allmählich die Argumente aus. Nach Berechnungen der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute werden Bund, Länder, Gemeinden und Sozialkassen dank der guten Konjunktur in den nächsten Jahren Überschüsse von 20 Milliarden Euro und mehr pro Jahr erwirtschaften. Der Zeitpunkt für den Abbau der kalten Progression und des sogenannten Mittelstandsbauches sei heute „besser denn je“, betonte der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft, der Münchner Ökonom Timo Wollmershäuser, vor Journalisten in Berlin. Beide Phänomene treffen die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen überdurchschnittlich hart.
Union und SPD sprechen sich gegen Steuersenkungen
Union und SPD haben bisher lediglich ein Abschmelzen der kalten Progression im Wahljahr 2017 angedeutet. Aus Sicht der Forschungsinstitute dagegen besteht schon jetzt „dringender Handlungsbedarf“. Angesichts der sich abzeichnenden Budgetüberschüsse, heißt es in der sogenannten Gemeinschaftsprognose, bestehe sogar die Möglichkeit einer großen Reform der Einkommenssteuer.
Trotz der Erhöhung des Grund- und des Kinderfreibetrages und der geplanten Anhebung des Kindergeldes „expandieren die Steuereinnahmen merklich“. Nach einer gängigen Faustformel bringt ein Prozentpunkt mehr Wachstum dem Staat zusätzliche Einnahmen von gut sechs Milliarden Euro.
Für das laufende Jahr erwarten die Institute inzwischen ein Wachstum von 2,1 Prozent, nachdem sie im Herbst noch von allenfalls 1,2 Prozent ausgegangen waren. Als Grund dafür nennen sie neben dem niedrigen Ölpreis und dem schwachen Euro, der die deutschen Exporte beflügle, auch die neue Kauflust der Deutschen. Der private Konsum sei mittlerweile „die Stütze des Aufschwungs“. Er habe vor allem dank der steigenden Beschäftigung und der anziehenden Löhne in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres „an Schwung gewonnen“ und werde auch im laufenden Jahr kräftig zulegen.
Für das nächste Jahr erwarten die Gutachter ein Wirtschaftswachstum von 1,8 Prozent. Die Arbeitslosenquote soll bis dahin von zuletzt 6,7 Prozent auf nur noch 5,9 Prozent sinken. Die Zahl der Erwerbstätigen liegt mit 43 Millionen auf einem Rekordhoch.
Der Freibetrag für Alleinerziehende steigt
Auf eine kleine Steuerentlastung haben sich Union und SPD am Donnerstag bereits verständigt. Nach langem Streit soll neben dem Kindergeld und dem Kinderfreibetrag nun auch der sogenannte Entlastungsbetrag für Alleinerziehende um 600 Euro auf 1908 Euro rückwirkend zum Jahresanfang erhöht werden – zum ersten Mal nach elf Jahren. Mit dem Steuernachlass gewährt der Staat Alleinerziehenden eine Art Kompensation für das Ehegattensplitting, das zusammenlebende verheiratete Paare steuerlich begünstigt. Für das zweite und jede weitere Kind soll sich der Freibetrag um jeweils 240 Euro pro Jahr erhöhen.
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