FDP sieht sich noch im Rennen
Die mächtigste Frau der FDP, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, spricht über die Aussichten der FDP, enttäuschte Wähler und ihre Probleme mit der Quote.
Als stellvertretende Parteichefin und bayerische Landesvorsitzende ist Sabine Leutheusser-Schnarrenberger die mächtigste Frau in der FDP. Vier Monate vor der Wahl wirbt sie um enttäuschte Wähler der SPD und der Grünen.
Als letzte Partei hat nun auch die FDP den Mindestlohn entdeckt. Warum so spät – und warum überhaupt?
Leutheusser-Schnarrenberger: Wir unterscheiden uns nach wie vor klar von SPD, Grünen und Linken, weil wir keinen einheitlichen Mindestlohn von 8,50 Euro wollen, der für jeden Bäcker, jeden Metzger und jeden IT-Angestellten gilt. Allerdings gibt es Branchen und Regionen, in denen Arbeitgeber und Gewerkschaften nicht mehr gut genug organisiert sind, um sich noch auf Tarifverträge zu einigen. Nur in solchen Fällen wollen wir mit einer vorsichtigen Öffnung des gesetzlichen Instrumentariums eine Lohnuntergrenze einziehen. Wir schließen also lediglich eine Lücke.
Die Steuerpläne von SPD und Grünen kritisieren Sie scharf. Ihr eigenes Programm ist beim Thema Steuern ungewohnt defensiv ausgefallen. Keine Steuersenkungen, kein Familiensplitting. Verlässt die FDP der Mut?
Leutheusser-Schnarrenberger: Die FDP steht für eine realistische Politik. Das bedeutet, dass im Moment die Haushaltskonsolidierung Vorrang hat. Ein einfaches, niedriges und gerechtes Modell mit Steuersätzen von 15, 25 und 35 Prozent finden Sie in unserem Wahlprogramm daher nicht mehr. Der Spielraum für Steuerentlastungen ist ganz, ganz eng, aber aus den Augen verloren haben wir sie deswegen nicht. Bis 2019 wollen wir den Solidaritätszuschlag abschaffen und sobald es die Haushaltslage erlaubt, auch die kalte Steuerprogression entschärfen. Anders als andere Parteien wollen wir aber auch keine Steuern erhöhen.
FDP sieht sich trotz schlechter Quoten noch im Rennen
In den Umfragen kommt die FDP kaum über fünf Prozent hinaus. Wie realistisch ist eine Neuauflage von Schwarz-Gelb noch?
Leutheusser-Schnarrenberger: Die Wahlen in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen haben gezeigt, dass solche Entscheidungen heute häufig erst auf den letzten Metern fallen. In den Umfragen liegen die Union und wir im Moment gleichauf mit Rot-Grün und teilweise sogar leicht vorne. Das Rennen ist also offen. Ich bin zuversichtlich, dass es klappt.
Und wenn es nicht reicht: Können SPD und Grüne Sie in eine Ampelkoalition locken?
Leutheusser-Schnarrenberger: Diese Frage stellt sich schon deshalb nicht, weil die SPD und die Grünen auf ihren Parteitagen klare Absagen an die FDP formuliert haben. Damit ist das Thema beendet.
FDP will Betreuungsgeld überprüfen
Aber mit Ihren Beschlüssen zum Mindestlohn, zur Gleichstellung schwuler und lesbischer Paare und der doppelten Staatsbürgerschaft setzen Sie doch Signale: Wir können auch anders.
Leutheusser-Schnarrenberger: Diese Beschlüsse sind keine Angebote an Sozialdemokraten oder Grüne, sondern Angebote an enttäuschte Wähler dieser Parteien. Mit unserer offenen Gesellschaftspolitik sind wir auch für sie interessant. Die FDP steht nicht nur für Leistung und Marktwirtschaft, sie ist auch die Partei des liberalen Bürgertums und einer liberalen Mittelschicht.
Mit dem Betreuungsgeld hat die FDP schon immer gefremdelt. Nun wollen Sie es noch einmal überprüfen. Ist das schon das Fundament für den ersten Koalitionskrach nach der Wahl?
Leutheusser-Schnarrenberger: Wenn wir alle familienpolitischen Leistungen auf ihren Nutzen und ihre Sinnhaftigkeit hin überprüfen, gehört dazu natürlich auch das Betreuungsgeld. Und ja – wenn der Wähler uns den Auftrag erteilt, kann es noch einmal Gegenstand von Koalitionsverhandlungen werden.
FDP tut sich schwer mit Quoten
Der Versuch, auch in der FDP eine Frauenquote einzuführen, ist beim Parteitag in Nürnberg erneut gescheitert. Warum haben es die Frauen in der FDP so schwer?
Leutheusser-Schnarrenberger: Die FDP tut sich nicht mit den Frauen schwer, sie tut sich mit Quoten schwer. Außerdem können wir schlecht eine Quote beschließen, die 40 Prozent aller Parteiämter und Listen für Frauen reserviert, wenn nur 24 Prozent unserer Mitglieder Frauen sind. Unser Ziel muss es sein, mehr Frauen für unsere Partei zu gewinnen – das aber wird uns nicht mit einer unrealistischen Frauenquote gelingen, sondern nur mit einer guten Bildungspolitik und einer guten Familienpolitik. In diesen Kontext gehört auch unsere kritische Haltung zum Betreuungsgeld: Es passt nicht zu unserem modernen Familienbild.
Nur zwei der 20 Mitglieder des Parteipräsidiums sind Frauen: Sie und die baden-württembergische Vorsitzende Birgit Homburger. Sagt das nicht alles?
Leutheusser-Schnarrenberger: In der öffentlichen Wahrnehmung ist die FDP noch immer eine Männerpartei. Dass es auch anders geht, zeigen wir in Bayern. Auf den ersten sechs Listenplätzen für die Bundestagswahl finden Sie drei Frauen. Das gibt es in keinem anderen Landesverband.
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