Claudia Roth als Außenministerin?
Bei einem rot-grünen Wahlsieg könnte Claudia Roth Außenministerin werden, weil Jürgen Trittin lieber das Finanzressort will.
Berlin Gerade erst war sie in Libyen. Gut sieben Monate nach dem gewaltsamen Tod von Diktator Muammar al-Gaddafi traf sich Claudia Roth vor wenigen Tagen in der Hauptstadt Tripolis nicht nur mit Mitgliedern der Übergangsregierung, sondern auch mit Menschenrechtsaktivisten, Frauenrechtlerinnen, Flüchtlingen und Mitarbeitern internationaler Organisationen.
Ein Routinetermin für Roth, die in den letzten Jahren viel herumgekommen ist und zahlreiche Krisenherde dieser Welt besucht hat, Afghanistan, den Irak und den Iran, aber auch Syrien und Kolumbien und sogar das weitgehend abgeschottete Nordkorea. Doch dann wird aus der vermeintlichen Routine ein Krimi. Nachdem Bewaffnete den Flughafen in Tripolis blockiert hatten, kam sie nicht mehr aus dem Land; ihren Vorschlag, mit einem Auto ins Nachbarland Tunesien zu fahren, lehnten die für ihre Sicherheit verantwortlichen BKA-Beamten ab, zu gefährlich. Doch Claudia Roth blieb stur. Und erreichte, was sie wollte. Ohne Zwischenfälle kam sie nach Tunis, wo sie ihre politischen Gespräche fortsetzte.
Hindernisse sind dazu da, aus dem Weg geräumt zu werden
Eine Szene, typisch für Claudia Roth. Hindernisse, so scheint es, gibt es nicht im Leben der 57-jährigen Augsburgerin, die seit 2001 mit einer kurzen Unterbrechung an der Spitze der Öko-Partei steht – niemand hat es länger in dieser Position ausgehalten. Und wenn es Hindernisse gibt, werden sie aus dem Weg geräumt. „Claudia Roth wird gerne unterschätzt“, sagt ein einflussreicher Parteifreund aus dem Südwesten im Gespräch mit unserer Zeitung, „sie weiß, was sie will, sie ist ehrgeizig und machtbewusst, sie macht mit Leidenschaft Politik und geht dabei äußerst zielbewusst vor.“ Vor allem sieht sich die einstige Dramaturgie-Assistentin am Landestheater Memmingen und Managerin der Rock-Band „Ton Scheibe Scherben“ um Rio Reiser noch lange nicht am Ende ihrer Karriere. Im Gegenteil, bei der kommenden Bundestagswahl könnte sie zusammen mit Fraktionschef Jürgen Trittin als Spitzenkandidatin antreten – und in einem möglichen rot-grünen Kabinett gilt sie als heiße Anwärterin auf das Amt der Außenministerin, nachdem sie bislang ausschließlich für den politisch unbedeutenderen Posten einer Entwicklungsministerin gehandelt wurde. Jedenfalls sind nach einem Bericht des Spiegel ihre Parteifreunde vom linken Flügel seit einiger Zeit auffällig dabei, ihre außenpolitischen Kompetenzen zu rühmen, die sie sich als Europa- und Bundestagsabgeordnete, als frühere Menschenrechtsbeauftragte der Regierung Schröder und als überzeugte Kämpferin für Bürger- und Freiheitsrechte auf der ganzen Welt erworben habe.
Schon bisher weltweit „bestens vernetzt“
Ihre zahlreichen Reisen in die Krisengebiete der Welt seien „keine Show“, heißt es in der Fraktion, sondern „inhaltlich fundiert“. Sie ducke sich nicht vor Diktatoren, sondern setze sich konsequent für Verfolgte und Benachteiligte ein, ist von ihren Anhängern in der Partei zu hören. „Sie hat seit 20 Jahren eine klare Linie, wenn es um Menschenrechtsverletzungen geht“, und sie sei weltweit „bestens vernetzt“.
Dass Claudia Roth überhaupt für den prestigeträchtigen Posten an der Spitze des Auswärtigen Amtes gehandelt wird, hat einen simplen Grund: Jürgen Trittin hat offensichtlich seine Ambitionen, in die Fußstapfen von Joschka Fischer zu treten, aufgegeben und strebt in einer rot-grünen Regierung das Finanzministerium an. Der Niedersachse hat erkannt, dass der Herr über die Finanzen das zweitwichtigste Kabinettsmitglied ist, während der Außenminister an Bedeutung verloren hat. „Wer die Kasse verwaltet, bestimmt die Politik“, so die Einschätzung der Öko-Partei.
Claudia Roth selber schweigt zu den Spekulationen um ihre Person. „Ich habe zwei Ambitionen für den Herbst 2013: erstens die schwarz-gelbe Regierung in Bayern aus dem Amt jagen und zweitens auch die schwarz-gelbe Regierung im Bund ablösen“, sagt sie gegenüber unserer Zeitung. „Wir brauchen einen Politikwechsel, nicht nur einen Regierungswechsel. Der muss in der Innen-, Europa- und Außenpolitik erfolgen. Und das gibt es nur mit Grün.“ Sie ist erfahren genug, um zu wissen: Der Posten muss zur Person kommen, nicht die Person zum Posten. Aber sie ist stark genug, dass niemand an ihr vorbeikommt.
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