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„Sea Eye“
11.05.2016

Flüchtlingsrettung auf See: Warum eine Allgäuerin ihr Leben riskiert

Kaum Sprit, kein Trinkwasser, keine Rettungswesten: Die Flüchtlinge auf diesem Schlauchboot wären nicht mehr weit gekommen. Die Besatzung der „Sea Eye“ hat sie gerettet.
Foto: Claudia Benz

Noch immer spielen sich im Mittelmeer Flüchtlings-Tragödien ab. Im Allgäu gibt es Menschen, die überzeugt sind, dass das nicht sein darf - und deshalb ihr Leben aufs Spiel setzen.

Um Gottes willen, hoffentlich stehen sie nicht auf. Der Gedanke an das, was dann passieren könnte, nimmt immer mehr Gestalt an. Entwickelt sich zu einem dramatischen Szenario, je näher das überfüllte Schlauchboot kommt. Über hundert schwarze Augenpaare blicken voller Angst nach oben, zur „Sea Eye“. 123 Menschen, aneinander gekauert, die nicht ahnen, dass ihr Boot kentern wird, sollten sie versuchen, das Rettungsschiff zu erklimmen.

Die Allgäuerin investiert viel Zeit und Geld - und riskiert ihre Gesundheit

„Please sit down, rest on the boat. We will help you. Um Himmels willen, bleibt sitzen, wir helfen euch.“ Mit Worten und Gesten versuchen die Helfer der „Sea Eye“ den Flüchtlingen aus Nigeria, Ghana, Gambia, aus Kamerun und Libyen zu erklären, was jetzt zu tun ist. Hoffnung leuchtet in den Augen der Menschen, als sie begreifen, dass sie auf ein Schiff gebracht werden. Und langsam scheint den Männern und vier Frauen, die barfuß und in Socken auf dem Boot ausharren, klar zu werden: Sie sind einem Schicksal entronnen, das sie womöglich in den Tod geführt hätte. Bei der nächsten großen Welle auf dem Mittelmeer wären sie vermutlich ertrunken – so wie 3000 Flüchtlinge, die im vergangenen Jahr die Überfahrt nach Europa gewagt haben.

Nur ein einziges Menschenleben retten zu können – das ist es, was freiwillige Helfer antreibt, auf Rettungsschiffen wie der „Sea Eye“ mitzufahren. So wie Renate Barnsteiner. Zehn Tage Urlaub hat die Krankenschwester aus Kempten geopfert, um auf dem Kutter des Regensburger Unternehmers Michael Buschheuer anzuheuern. Sie investiert Zeit und Geld – und riskiert auch ihre Gesundheit.

Es war das Bild eines Vaters, der seinen angeschwemmten toten Jungen im Arm hält, das sie so sehr bewegte. Ein Bild, das ihr nicht mehr aus dem Kopf ging. Weil es nicht sein kann, sagt die begeisterte Seglerin, dass in ihrem geliebten Segelrevier, dem Mittelmeer, Menschen einfach so ertrinken. Darum will die 58-Jährige auf der „Sea Eye“ helfen, deren Einsatzgebiet etliche Seemeilen vor der libyschen Küste liegt.

Und vieles spricht dafür, dass die Besatzung in den kommenden Wochen viel zu tun bekommt. Denn die Flüchtlingswelle dürfte auf lange Sicht nicht abebben, nur weil die Balkanroute dicht ist und Flüchtlinge aus Griechenland zurück in die Türkei geschickt werden.

Beobachter gehen davon aus, dass sich der Strom von Migranten verschiebt – und wieder deutlich mehr Menschen das lebensgefährliche Risiko eingehen, das zentrale Mittelmeer zu überqueren. Österreich trifft bereits Vorkehrungen, den Brennerpass „im Extremfall“ zu schließen. Und die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass mehr als 200.000 Flüchtlinge in Libyen darauf warten, zur italienischen Küste überzusetzen. Schon wieder gibt es Meldungen von Flüchtlingsbooten, die im Mittelmeer sinken.

Schlechtes Wetter, hoher Wellengang, immer wieder Warnungen

Mehr als 200 Menschen haben die Helfer der „Sea Eye“ in den letzten Wochen in Sicherheit gebracht, gemeinsam mit der „Sea Watch“. Jetzt liegt der umgebaute Fischkutter wieder im Starthafen auf Malta. Dort geht Renate Barnsteiner, die Krankenschwester aus Kempten, mit sieben weiteren Freiwilligen aus ganz Deutschland an Bord.

Dann heißt es erst einmal warten. Schlechtes Wetter, hoher Wellengang, Warnungen, wonach Rettungsschiffe vor der libyschen Küste von den Libyern nicht „gerne gesehen werden“, machen ein Auslaufen der „Sea Eye“ unmöglich. Bei Nord-Nordost-Wind, erklärt Kapitän Arno Hummel, im normalen Leben Unfallchirurg, der Besatzung immer wieder, mache es keinen Sinn, nach Flüchtlingsbooten zu suchen. Sie würden wieder an die Küste zurückgespült.

Die Besatzung der „Sea Eye“ hat diese Flüchtlinge vor der libyschen Küste gerettet.
Foto: Claudia Benz

Renate Barnsteiner kümmert sich um das kleine Hospital auf dem Schiff, prüft die Medikamente, bereitet mit Allgemeinarzt Wilfried Schnappauf alles für den Notfall vor. Denn nur, wenn Flüchtlinge dringend Hilfe brauchen, werden sie an Bord genommen. Mit ein Grund für die Krankenschwester, die am Klinikum Kempten arbeitet, sich auf der „Sea Eye“ zu engagieren. Hier kann sie ihre berufliche Qualifikation einsetzen, hier kann sie sich nützlich machen.

Doch das Warten in Malta geht an die Substanz. Die Schilderungen der Crew-Mitglieder, die bereits auf hoher See waren, beschäftigen Renate Barnsteiner. Wird sie durchhalten bei Windstärke 7 und Wellen, die drei bis fünf Meter hoch sein können? Kann sie überhaupt Hilfe leisten? Ist sie der Aufgabe gewachsen?

Nach drei Tagen geht die „Sea Eye“ aufs Meer. Wie eine Nussschale schaukelt sie Richtung libyscher Küste. Zwei Tage kaum Schlaf und Essen, zwei Tage jede Hand an irgendeinem Haken und Griff – und immer dieses flaue Gefühl im Magen. Vier Stunden lang müssen jeweils zwei Crew-Mitglieder Wache schieben. Mit dem Fernglas Ausschau halten nach Flüchtlingsbooten. Auf einem Meer, das grenzenlos scheint, in einen Horizont, der unendlich ist. Wasser und Himmel, Himmel und Wasser, blau, grau, tiefschwarz in der Nacht.

Renate Barnsteiner kämpft. Mit sich, der Seekrankheit und der Angst, ein Boot zu übersehen, nicht da sein zu können, wenn sie gebraucht wird. Gedanken, die am vierten Tag von der Realität überholt werden. Frühmorgens wird ein Schlauchboot voller Menschen gesichtet. Wie eine Schiffschaukel wogt es auf dem Wasser hin und her.

Plötzlich geht alles ganz schnell

Dann geht alles schnell. Die zentrale Seenotrettung, die Maritime Rescue Coordination Centres in Rom, bekommt die Koordinaten des Bootes. Das nächste große Schiff wird informiert, die Flüchtlinge aufzunehmen. Mittlerweile lässt die „Sea Eye“, die keine Kapazität für die Unterbringung von Flüchtlingen hat, ihr Schlauchboot ins Wasser, bringt Getränke und Rettungswesten zum Boot, das immer wieder abdreht. Die Angst der Flüchtlinge, dass sie zurückgebracht werden an Land, ist groß. Erst langsam verstehen die Menschen auf dem Schlauchboot, das unter ihrer Last zu sinken droht, dass Hilfe naht.

Schwester Renate wird gebracht. Sie hilft, eine hochschwangere Frau an Bord zu hieven. Osatzsu Kinsley heiße sie, erzählt die 29-Jährige aus Nigeria mit leiser Stimme. Die Krankenschwester hält ihre Hand, fragt immer wieder, ob es ihr gut geht. „Alles fine“, antwortet die Frau mit schwacher Stimme. Sie bekommt Wasser und Obst, wird medizinisch versorgt. Sie habe ihre zwei Kinder in Nigeria zurückgelassen, flüstert sie Renate zu. Nein, sie habe nichts bezahlt für die Überfahrt. Und nein, sie habe keine Ahnung, wie sie auf das Boot gekommen sei. Angst liegt in den Augen der Frau. Angst vor den Schleusern, die, so erzählt man sich auf den Rettungsschiffen, den Flüchtlingen eintrichtern, keine Informationen preiszugeben.

Nicht alle Flüchtlingsboote kommen an.
Foto: Claudia Benz

Doch längst nicht alle kommen überhaupt so weit. Erst einmal müssen die Flüchtlinge die Zwölf-Meilen-Zone vor der libyschen Küste überwinden, um von Rettungsschiffen aufgenommen zu werden. Werden sie innerhalb dieser Zone von der libyschen Küstenwache aufgegriffen, bringt diese sie zurück.

Osatzsu aus Nigeria hatte Glück, genauso wie die 122 anderen an Bord. Ihr drittes Kind wird in „another land“ geboren werden, sagt sie. Und dass sie dann ihre anderen Kinder nachholen will. Später wird die Schwangere auf ein anderes Schiff gebracht. Die „Dignity I“, das große Rettungsschiff von Ärzte ohne Grenzen, hat mittlerweile den Einsatzort erreicht, nimmt die Flüchtlinge, die acht Stunden lang auf dem Boot und monatelang zu Fuß unterwegs waren, auf und bringt sie an die italienische Küste.

Sie rufen "Gott schütze dich" zum Abschied

Manche rufen zum Abschied „God bless you“, „Gott schütze dich“. Denn erst jetzt – beim Blick auf ihr Boot, das mit wenigen Hinterlassenschaften im Meer davonschwimmt – dürfte vielen klar geworden sein: Mit den paar Litern Benzin, einem fast defekten Motor und kaum Trinkwasser an Bord wären sie nicht mehr weit gekommen. Gut möglich, dass die nächste Welle sie weggespült hätte. Weggespült wie viele andere vor ihnen – und viele, die es nach ihnen nicht schaffen dürften.

Das weiß auch die achtköpfige Besatzung der „Sea Eye“. Doch in diesem Moment, nach einem aufreibenden Einsatz, nach körperlichen und psychischen Strapazen zählt für Kapitän Arno Hummel nur eines: „Wie hat es sich gelohnt, dass wir da waren.“ Und doch sind da auch andere Gedanken. Daran, dass die Möglichkeiten der „Sea Eye“ begrenzt sind. Dass die Besatzung hier draußen auf dem Meer nicht alle finden kann. „Da schaust du dann aufs Meer und kannst nichts tun. Das ist das Schlimmste, denn du weißt, irgendwo sind sie untergegangen, irgendwo hätte man noch jemanden retten können.“ Auch Renate Barnsteiner hat, wie die anderen Crewmitglieder, Tränen in den Augen, wenn sie darüber nachdenkt.

Doch an diesem Tag, nach dieser Rettung, sind es auch Tränen der Freude. Tränen der Erleichterung. Darüber, dass sie durchgehalten hat, dass sie es geschafft hat, diesen Einsatz durchzustehen. Ein Einsatz, der sie an ihre Grenzen gebracht hat. Aber auch ein Einsatz, der 123 Menschen die Chance auf ein neues Leben bieten.

Denn nur ein einziges Menschenleben zu retten – das ist es, was auch die anderen Helfer auf der „Sea Eye“ antreibt. Mittlerweile sind es 150. Ob der langjährige Kemptener Unfallchirurg Professor Tilman Mischkowsky, der Ingenieur Dr. Alois Mundt – oder Renate Barnsteiner, die Krankenschwester aus dem Klinikum in Kempten.

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