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Foto: Philipp von Ditfurth, dpa
Foto: Philipp von Ditfurth, dpa

Ein vom Fluss Ahr zerstörtes Haus in Marienthal.

Flutkatastrophe
20.07.2021

Wetterforscher: Behörden haben bei der Warnung vor der Flut versagt

Von Bernhard Junginger

Mindestens 160 Menschen sind durch die Flut in Deutschland gestorben. Dabei war lange vorher klar, dass Hochwasser drohte. Wurden die Menschen zu spät gewarnt?

Könnten manche der bislang mehr als 160 Todesopfer des Hochwasser-Dramas in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Bayern noch leben, wenn sie rechtzeitig gewarnt worden wären? Während die Lage in den Katastrophengebieten sich ganz langsam entspannt, wird nun heftig darüber diskutiert, ob Frühwarnsysteme und Alarmierungsketten funktioniert haben.

FDP-Fraktionsvize Michael Theurer sieht "schwere Versäumnisse", für die Innenminister Horst Seehofer die Verantwortung trage. Die Warnungen der Meteorologen seien den Menschen unzureichend kommuniziert worden. Von einer "Flutkatastrophe mit Ansage" spricht Dominik Jung vom Internetportal wetter.net. Unserer Redaktion sagte der Diplom-Meteorologe, dass den Wetterexperten seit Tagen klar gewesen sei, dass da "etwas Großes im Anmarsch ist". Der Deutsche Wetterdienst habe schon am vergangenen Dienstag Unwetterwarnungen mit extremen Niederschlagsmengen herausgegeben. Doch die öffentlichen Stellen hätten nicht entsprechend reagiert. Jungs Fazit: "Im Vorfeld dieser Flutkatastrophe haben die Behörden total versagt. Eine Sprecherin des zuständigen Bundesverkehrsministeriums bestätigte, dass der Deutsche Wetterdienst das Unwetter bereits zwei Tage vorher angekündigt habe.

28 Bilder
Foto: Rhein-Erft-Kreis, dpa
So dramatisch ist die Hochwasserkatastrophe in NRW und Rheinland-Pfalz
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Foto: Rhein-Erft-Kreis, dpa

In der Nacht auf Freitag sind auch in Erftstadt Häuser eingestürzt. Es gibt weitere Tote.

Foto: Roberto Pfeil, dpa

Mit einem Bergepanzer und schwerem Räumgerät rückt die Bundeswehr an, um die Schäden zu beseitigen.

Foto: Thomas Frey, dpa

THW-Helfer sichern in Beller (Kreis Ahrweiler) die eingestützte Stützmauer einer Brücke der Autobahn A61.

Foto: Jonas Güttler, dpa

Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks pumpen an der Steinbachtalsperre Wasser über die Staumauer.

Foto: Jonas Güttler, dpa

Die Polizei patrouilliert in den Innenstädten, um Plünderungen zu verhindern.

Foto: Sebastian Schmitt, dpa

In Kordel (Rheinland-Pfalz) blieb ein Regionalzug liegen.

Foto: Sebastian Schmitt, dpa

Das Klinikum Mutterhaus Ehrang steht unter Wasser und wurde komplett notevakuiert.

Foto: Thomas Frey, dpa

Der Friedhof in Altenahr ist überflutet.

Foto: Thomas Frey, dpa

Ein Baggerfahrer beginnt mit Aufräumarbeiten in dem Ort im Kreis Ahrweiler am Tag nach dem Hochwasser.

Foto: Harald Tittel, dpa

Das Dach eines zerstörten VW Käfers ragt in dem Ort im Kreis Ahrweiler nach dem Unwetter mit Hochwasser aus dem Schutt heraus.

Foto: Lino Mirgeler, dpa

Wasser läuft im Überlauf der Rurtalsperre ab.

Foto: Lino Mirgeler, dpa

Wasser schießt aus dem Auslass des Wasserkraftwerks unter dem Rurstausee.

Foto: Christoph Reichwein, dpa

Die mit einer Drohne gefertigte Aufnahme zeigt die Verwüstungen die das Hochwasser der Ahr in dem Eifel-Ort Schuld angerichtet hat.

Foto: Christoph Reichwein, dpa

Dort sind in der Nacht auf Donnertag mehrere Häuser eingestürzt.

Foto: Polizei via dpa

Die von der Polizei zur Verfügung gestellte Luftaufnahme zeigt den vom Ahr-Hochwasser überfluteten Ortsteil Altenburg in Altenahr.

Foto: Marius Becker, dpa

Nur das Dach eines Autos schaut noch aus dem Wasser, das eine Bahnunterführung in NRW geflutet hat.

Foto: Harald Tittel, dpa

Die Kyll ist in Erdorf über die Ufer getreten und hat Teile des Dorfes geflutet.

Foto: Thomas Frey, dpa

Die Straßen in Esch (Kreis Ahrweiler) haben sich in reißende Ströme verwandelt.

Foto: Thomas Frey, dpa

Andauernde Regenfälle haben in Rheinland-Pfalz zahlreiche Ortschaften und Keller geflutet.

Foto: David Young, dpa

Die Feuerwehr versucht, die Wassermassen mit Sandsäcke zu stoppen.

Foto: Fabian Strauch, dpa

Ein Fahrrad steht mittem im Wasser der Wupper.

Foto: Fabian Strauch, dpa

Die Wupper in der Wuppertaler Innenstadt tritt über das Ufer.

Foto: Daniel Vogl, dpa

Der Fluss Selbitz ist in der Nähe des örtlichen Wasserkraftwerks übergelaufen.

Foto: Ralf Roeger, dpa

Ein Boot der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) ist bei Hochwasser in Aachen unterwegs.

Foto: B & S, dpa

Drei Personen machen Fotos und beobachten die Wassermassen, die sich über eine Straße und ein Restaurant ausbreiten.

Foto: Thomas Frey, dpa

Feuerwehrleute errichten im Ahrtal bei Mayschoss eine Sperrwand aus Holz. Sie soll verhindern, dass das Hochwasser der Ahr in den Ort läuft.

Foto: Oliver Berg, dpa

Ein Mann steht mit Regenschirm am Rheinufer. Der kräftige Regen lässt den Rhein weiter steigen. Der Pegelstand lag in Köln am Mittwochmorgen bei 5,47 Metern.

Foto: Uwe Anspach, dpa

Uferpflanzen werden am Rhein an einer Uferpromenade von Flusswasser umspült. Im Hintergrund liegt ein Touristenschiff vor Anker.

Hochwasser-Warnsystem: Britische Forscherin spricht von Systemversagen

"Monumentales Systemversagen" konstatiert auch die britische Hydrologin Hannah Cloke. Die Professorin der Universität Reading ist eine der Entwicklerinnen des europäischen Hochwasser-Warnsystems, über das die Regierungen Belgiens und Deutschlands bereits vier Tage vor Beginn des Hochwassers an Rhein und Meuse gewarnt worden seien. 24 Stunden vorher sei den deutschen Stellen dann nahezu präzise vorhergesagt worden, in welchen Gegenden schwere Überflutungen drohten. Genannt worden seien dabei auch jene Gebiete an der Ahr, in denen mehr als 110 Menschen als Folge der Überschwemmungen ihr Leben verloren. "Irgendwo ist diese Warnkette dann gebrochen, so dass die Warnungen nicht bei den Menschen angekommen sind", sagte Cloke.

Der Feuerwehrverband fordert eine Aufarbeitung

Karl-Heinz Banse, der Präsident des Deutschen Feuerwehrverbands forderte gegenüber unserer Redaktion "eine Aufarbeitung und Evaluierung" der Katastrophe. "Dabei ist auch zu klären, ob etwa Warnsysteme angepasst werden müssen – beispielsweise mit der analog angesteuerten Sirene als Ergänzung zu digitalen Medien." Für Forderungen oder gar Schuldzuweisungen sei jetzt zwar noch nicht der angemessene Zeitpunkt, doch er verspricht: "Wir werden nach der Bewertung auch den Finger in die Wunde legen." Bereits bei einem bundesweiten "Warntag" im vergangenen Jahr hatte sich gezeigt, dass es vielerorts keine funktionierenden Sirenen mehr gibt. Im Katastrophenschutz setzt Deutschland heute unter anderem auf Warn-Apps wie "Nina" – doch Experten bemängeln, dass durch sie etwa Schlafende nicht erreicht werden.

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Foto: Boris Roessler, dpa
Foto: Boris Roessler, dpa

Dutzende Wohnwagen, Autos und Wohnmobile wurden im Ort Ahrweiler in Rheinland-Pfalz von der Flutwelle mitgerissen und hängen nun zusammengequetscht an einer Ahrbrücke.

Innenminister Seehofer: Beim Bund hat alles funktioniert

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte am Montag, dass die Meldewege, soweit der Bund zuständig sei, funktioniert hätten. Er schließe aber nicht aus, "dass wir das ein oder andere verbessern müssen." Rücktrittsforderungen wies er als "billige Wahlkampf-Rhetorik" zurück. Die Entscheidung über die Ausrufung des Katastrophenfalles und die Anforderung zusätzlicher Kräfte liegt im föderalen System bei Landkreisen und Landesregierungen. Im Hochwasser-Krisengebiet in Euskirchen sagte Seehofer: "Zentralismus verbessert hier gar nichts."

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