G7-Gipfel: Bei vielen Themen blieben die Politiker vage
Klima und mehr: An Themen fehlte es den großen Sieben in Elmau nicht. Trotzdem blieb vieles im Vagen. Weshalb eigentlich?
Sie kennen sich, sie schätzen sich – und sie sind gerne unter sich. Spekulationen, der freie Platz in der Runde der großen Industrienationen könnte nach dem Rauswurf von Wladimir Putin bald mit einem Australier oder einem Inder besetzt werden, wehrt Angela Merkel deshalb ungewohnt barsch ab: „Nein.“
Über mehrere Jahrzehnte waren Amerikaner und Briten, Deutsche und Franzosen, Italiener, Kanadier und Japaner bei ihren jährlichen Gipfeln im Frühsommer zu siebt, ehe aus der G7 die G8 wurden: die großen, starken Volkswirtschaften des Westens – und Putins aufstrebendes Russland. Seit der Annexion der Krim durch russische Truppen ist wieder alles, wie es früher war, und das soll nach dem Willen der Kanzlerin auch so bleiben. „Das Format hat sich bewährt“, sagt Kanzlerin Merkel zum Abschluss des Gipfels im oberbayerischen Elmau. Aus den großen Sieben werden so schnell keine großen Acht mehr.
Das liegt nicht nur daran, dass Putin in der Ukraine-Krise nicht nachgibt und den Westen mit immer neuen Provokationen wie einer Liste unerwünschter Politiker nervt. Angela Merkel hat die Zweckgemeinschaft der G7, in der es über Jahrzehnte vor allem um Handels- und Währungsfragen ging, kurzerhand zu einer „Verantwortungsgemeinschaft“ aufgewertet. „Uns verbindet mehr als Wohlstand und Wirtschaftskraft“, beteuert sie, betont die gemeinsamen Werte wie Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit und legt die Hürden für eine Rückkehr Putins so mit jedem Wort ein paar Zentimeter höher.
Unterstützergruppe für die Ukraine
Die Botschaft, die die Siebenergruppe aus Elmau nach Moskau schickt, ist unmissverständlich: Wenn Russland noch weiter gegen die im Abkommen von Minsk vereinbarten Maßnahmen zur Beruhigung des Ukraine-Konflikts verstößt, muss es mit neuen Sanktionen rechnen. „Unsere Hoffnung ist, dass wir keine zusätzlichen Schritte unternehmen müssen, weil Russland sich an Minsk hält“, sagt US-Präsident Barack Obama kurz vor dem Rückflug nach Washington. Vom japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe wird gar die Forderung kolportiert, die Siebenergruppe dürfe eine mit Gewalt erzwungene Grenzverletzung wie auf der Krim „auf keinen Fall“ akzeptieren. Pressestimmen G7-Gipfel: "Zum Schluss jubelte sogar Greenpeace"
Die Situation in der Ukraine, die sich in den vergangenen Wochen wieder zugespitzt hat, gehört zu den beherrschenden Themen des Gipfels – die Hilfe, die die sieben Staats- und Regierungschefs anbieten können, ist allerdings eher seelsorgerischer Art. Ihre Botschafter in Kiew sollen sich zu einer Art Unterstützergruppe zusammenschließen und der Ukraine bei ihrem schwierigen Reformprozess zur Seite stehen. Der Rest ist Hoffen. Hoffen, dass Putin irgendwann wieder einlenkt.
Auch bei den meisten anderen Themen, die auf ihrer Tagesordnung stehen, bleiben die großen Sieben vage. Bis kurz vor Schluss ist unklar, ob sie sich tatsächlich zu dem Ziel bekennen, die Erderwärmung nicht über die kritische Marke von zwei Grad steigen zu lassen. Dass diese Zahl explizit in der Abschlusserklärung des Gipfels steht, ist keine Selbstverständlichkeit. Vor allem der Japaner Abe sträubt sich lange. Er will die Lücken in der Energieversorgung seines Landes nach der Reaktorkatatstrophe von Fukushima auch durch neue Kohlekraftwerke schließen. „Harte Arbeit“, sagt Angela Merkel, seien die Gespräche über diesen Teil des Kommuniqués gewesen. Aber zum Schwur wird es erst bei der Klimakonferenz der Vereinten Nationen Ende des Jahres in Paris kommen. Nach dem Willen der G7 sollen die Länder der Welt dann endlich verbindliche Ziele für den Abbau von Treibhausgasen formulieren.
Intensiv mit Fragen der Entwicklungspolitik beschäftigt
Die Siebenergruppe alleine wird die Atmosphäre nicht retten können. Sie kann nur mit gutem Beispiel vorangehen. Bis zum Ende des Jahrhunderts wollen die großen Industrienationen deshalb ohne fossile Brennstoffe wie Kohle oder Öl auskommen. Dekarbonisierung nennen die Unterhändler der Kanzlerin das.
Aus der neuen Rolle als „westliche Wertegemeinschaft“ leitet die Kanzlerin überdies eine besondere Verantwortung der reichen Industrienationen für die Armen und Hungernden in Asien, Afrika und Lateinamerika ab. Mit verschiedenen Initiativen wollen die Länder der G7 die Ausbildung von Frauen forcieren, Millionen von Bauern besser für Ernteausfälle durch Wetter- und Naturkatastrophen entschädigen und bis 2030 mindestens 500 Millionen Menschen aus Hunger und Mangelernährung holen. Wie beim Klima werden die Vereinten Nationen auch in der Entwicklungspolitik mit einer großen Konferenz im September die Weichen neu stellen. Nie zuvor, sagt Entwicklungsminister Gerd Müller, habe sich ein Gipfel der großen Industrieländer so intensiv mit den Fragen der Entwicklungspolitik beschäftigt wie der in Elmau. Oder, anders formuliert: „Eine Welt ohne Hunger ist möglich.“
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