Geheimdokument sagte Terror des NSU-Trios voraus
Ein Geheimdokument verschafft dem Skandal um Ermittlungspannen bei der NSU-Mordserie neue Nahrung. Demnach ahnte der Verfassungsschutz die Gefahr offenbar vor dem ersten Mord.
Ein angeblich streng geheimes Dokument des sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz, das an den damaligen Landesinnenminister Klaus Hardraht (CDU) und mehrere Verantwortliche seines Hauses gerichtet war, warnte laut dem ARD-Magazin Report Mainz bereits im April 2000 vor möglicher Terrorgefahr der untergetauchten Neonazis Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe.
Im Schatten einer Polizeirazzia untergetaucht
Das Schreiben entstand bereits vier Monate vor dem ersten Mord der NSU-Terrorgruppe. Der Verfassungsschutz beantragte damit laut Report die geheime Überwachung der Telefone und des Briefverkehrs des Trios und vier weiterer namentlich genannter Unterstützer. Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe konnten im Januar 1998 im Schatten einer Polizeirazzia untertauchen. Die Beamten hoben damals die Bombenwerkstatt des Trios aus, ließen Böhnhardt jedoch am Tatort entkommen.
In dem Schreiben offenbaren die Verfassungsschützer einen richtigen Riecher: „Das Vorgehen der Gruppe ähnelt der Strategie terroristischer Gruppen, die durch Arbeitsteilung einen gemeinsamen Zweck verfolgen“, zitiert das Fernsehmagazin aus dem Schreiben. Der Zweck der Gruppe sei es, „schwere Straftaten gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung zu begehen“. Bei dem Trio sei „eine deutliche Steigerung der Intensität bis hin zu schwersten Straftaten feststellbar“, sagten die Ermittler aus heutiger Sicht richtig voraus.
Unterstützernetzwerk hinter dem Trio vermutet
Auch vermuteten die Verfassungsschützer ein Unterstützernetzwerk hinter dem Trio: Die schnelle, professionelle und praktisch spurlose Flucht des Trios im Jahr 1998 sei ein Anhaltspunkt dafür, dass sie ohne die entsprechende Unterstützung so nicht realisierbar gewesen wäre. „Nur durch engste Bindungen in einem abgeschlossenen Zirkel mit wenigen verschwiegenen Mitwissern wird eine solche Flucht möglich“, heißt es laut Report in dem Schreiben, welches bis heute nur in sogenannten Geheimschutzstellen der Parlamente eingesehen und nicht kopiert werden dürfe.
Der Grünen-Vertreter im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages, Wolfgang Wieland, sagte dem TV-Magazin, das Papier sei eine „geradezu prophetische Analyse“, die jedoch „nie zum richtigen Handeln geführt“ habe. Auch der ehemalige niedersächsische Justizminister Christian Pfeiffer hält den Aktenfund für brisant, weil er deutlich mache, „die drei sind terrorgefährlich im Sinne rechten Terrors“. Nach Einschätzung des Kriminologen wäre nach diesen Erkenntnissen damals zwingend geboten gewesen, das Bundeskriminalamt und die Bundesanwaltschaft einzuschalten.
Untersuchungsausschuss arbeitet an Abschlussbericht
Derzeit arbeit der Untersuchungsausschuss im Bundestag an seinem Abschlussbericht, der Anfang September vorliegen soll. Er will Vorschläge machen, welche Lehren aus den Fehlern im Fall NSU zu ziehen sind. Vertreter aller Parteien hatten den deutschen Sicherheitsbehörden bei der Abschlusssitzung vergangene Woche Totalversagen bescheinigt. Die Sicherheitsbehörden hätten sich nicht ausreichend ausgetauscht und die Gefahr durch den Rechtsextremismus massiv unterschätzt.
Dem NSU-Trio werden zehn Morde in der Zeit zwischen den Jahren 2000 und 2007 zur Last gelegt – an neun türkisch- und griechischstämmigen Kleinunternehmern und einer Polizistin. Die mutmaßliche NSU-Terroristin und einzige Überlebende der Gruppe, Beate Zschäpe, steht derzeit in München vor Gericht.
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