Geheimgutachten stellt Milliardenhilfe für Osten infrage
Die Regierung hält eine Studie unter Verschluss, die die Milliardenhilfe für den Osten infrage stellt.
Augsburg Weit über eine Billion Euro sind seit der Wiedervereinigung für den „Aufbau Ost“ in die neuen Bundesländer geflossen – mit zweifelhaftem Erfolg. Noch immer ist die Arbeitslosigkeit im Osten fast doppelt so hoch wie im Westen, die Nettolöhne zugleich ein Drittel niedriger. Führende deutsche Wirtschaftsinstitute haben nun in einem Gutachten eine Bestandsaufnahme der Förderpolitik vorgelegt. Das Zeugnis soll derart schlecht ausgefallen sein, dass es die Regierung aus Furcht vor einer neuen Ost-West-Debatte unter Verschluss halte, wie die Frankfurter Allgemeine schreibt.
Die Vorstellung, dass sich die Ostländer jemals an das Westniveau angleichen könnten, sei eine Illusion. Im Gegenteil: „Die Aufholschritte sind im vergangenen Jahrzehnt immer kleiner geworden“ zitiert die Zeitung aus dem Gutachten „Wirtschaftlicher Stand und Perspektiven für Ostdeutschland“. In Auftrag gegeben hatte es das Bundesinnenministerium. Dort liegt es offenbar seit Januar 2011 in der Schublade. Als der Aufbau-Ost–Beauftragte der Bundesregierung, der ehemalige CDU-Ministerpräsident Sachsen-Anhalts, Christoph Bergner, die Bestandsaufnahme im Juni veröffentlichen wollte, habe das Ministerium die Herausgabe untersagt, schreibt die Zeitung, der das über 160 Seite starke Papier vorliegt.
Die Experten unter anderem vom Wirtschaftsforschungsinstitut Halle, dem DIW, dem Nürnberger Arbeitsmarktforschungsinstitut IAB und des Münchner Ifo-Instituts fordern der Zeitung zufolge eine radikale Abkehr von der bisherigen Förderpraxis. Statt bevorzugt ostdeutsche Regionen zu fördern, sollte „gesamtdeutsch“ gedacht werden. Auch strukturschwache Westregionen müssten „in gleicher Weise behandelt werden“. Die Mehrheit der Forscher spreche sich aber generell gegen hohe Dauersubventionen aus.
Dem Bericht zufolge fließen noch immer 60 Milliarden Euro im Jahr von West nach Ost. Dabei müsse jedoch gegengerechnet werden, dass aus den neuen Bundesländern in den Westen ausgewanderte Bundesbürger rund 30 Milliarden Euro in den Steuertopf einzahlen. Die Abwanderung und noch mehr das Fehlen großer exportorientierter Konzerne seien die Hauptgründe, dass der bevölkerungsschwache Osten nach Ansicht der Experten kaum jemals zum Westen aufschließen könne.
Während mehrere Koalitionsabgeordnete und auch der Ostbeauftragte Bergner eine Veröffentlichung des Gutachtens forderten, winkte das Innenministerium ab: Bislang gebe es keine Genehmigung. Dies liege jedoch ausschließlich an Meinungsunterschieden der Forscher, die noch diskutiert werden müssten. Bis 2019 stehe der Solidarpakt auch durch das Gutachten nicht infrage.
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