Gesundheitsminister will Hebammen helfen
Wenn Fluglotsen, Müllmänner oder Straßenbahnfahrer für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen, ist ihnen die Aufmerksamkeit ihrer Mitbürger sicher: Flüge fallen aus, Tonnen quellen über, und die nächste Tram kommt dann nicht in zehn Minuten, sondern erst in einer halben Stunde. Von 3500 freiberuflichen Hebammen in Deutschland dagegen, deren Geschäftsmodell akut gefährdet ist, nimmt bisher kaum jemand Notiz. Dabei könnten vielen von ihnen im nächsten Jahr vor dem beruflichen Aus stehen.
Nachdem die Nürnberger Versicherung angekündigt hat, sich im Juli 2015 aus den letzten beiden Konsortien zurückzuziehen, bei denen Hebammen sich noch versichern können, droht den Freiberuflerinnen nun eine Art Berufsverbot: Ohne Haftpflichtpolice dürfen sie nicht arbeiten – eine Assekuranz jedoch, die eine solche Police anbietet, ist im Moment nicht in Sicht.
Obwohl es insgesamt vergleichsweise wenige Komplikationen gibt, scheut die Branche die hohen Schadenssummen, die immer dann fällig werden, wenn ein Kind durch eine Panne bei der Geburt behindert ist und ein Leben lang Unterstützung und Betreuung braucht. In den vergangenen zehn Jahren sind die Prämien für die Hebammen-Haftpflicht deshalb von 453 auf 4242 Euro im Jahr gestiegen. Ab Juli werden es sogar mehr als 5000 Euro sein. Tausende von Freiberuflerinnen haben sich deshalb aus der aktiven Geburtshilfe zurückgezogen und sich auf die Schwangerschaftsbetreuung und die Nachsorge konzentriert. „Schon jetzt gibt es ganze Regionen, in denen Mütter keine Hebamme mehr finden“, betont Martina Klenk, die Präsidentin des Hebammenverbandes. Ohne politische Hilfe drohe das System zu kollabieren. Vor allem im ländlichen Raum seien die Freiberuflerinnen mit Belegbetten in den Kliniken „ein Eckpfeiler der Geburtshilfe“, sekundiert Schleswig-Holsteins Sozialministerin Kristin Alheit (SPD), die über den Bundesrat auf eine Neuregelung drängt.
Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hat zwar versprochen, Abhilfe zu schaffen – bisher allerdings ist lediglich eine Art Notprogramm in Sicht: Damit sie die immer teureren Prämien auch bezahlen können, sollen die Krankenkassen den Freiberuflerinnen der Branche die Geburtshilfe etwas großzügiger vergüten. Auf den Wunsch der Hebammenverbände und mehrerer Bundesländer nach einem staatlichen Fonds, der die Versicherer in besonders krassen und teuren Fällen entlastet, ist der Minister bisher nicht eingegangen. Er sagt nur: „Ich bin sicher, dass sich die Versicherungswirtschaft ihrer Verantwortung bewusst ist und es bald eine Lösung geben wird.“
Gegenwärtig erhält eine Hebamme für eine tagsüber stattfindende Hausgeburt rund 1000 Euro – vor fünf Jahren waren es noch knapp 700 Euro. Dieser Anstieg jedoch nutzt nur den Hebammen, die auch viele Kinder entbinden. Kolleginnen, die vor allem Vorbereitungskurse geben und nur wenigen Kindern auf die Welt helfen, profitieren davon kaum, zahlen aber trotzdem 5000 Euro für ihre Haftpflicht.
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