Gezielter Verschleiß in Elektrogeräten?
Das Gefühl sagt: Kaum ist die Garantie abgelaufen, gibt ein Elektrogerät seinen Geist auf. Kritiker sagen: Produkte werden so gebaut, dass sie möglichst früh kaputtgehen. Fakt oder Mythos?
Wer reparieren will, muss gut ausgerüstet sein. Markus Weiher breitet seine Instrumente auf dem Tisch aus. Saugnäpfe, Präzisions-Pinzetten, Metallgreifer. Und viele, viele Schraubenzieher. Die, die jeder Heimwerker kennt, aber auch die speziellen, mit denen man die Schrauben öffnen kann, die es nur beim iPhone gibt. „Das ist auch so eine Schikane“, sagt der 45-Jährige. Er kennt die Macken der Apple-Geräte. Den dunklen Fleck, der auf dem Bildschirm auftaucht. Dass sich das iPad nicht mehr laden lässt. Das muss doch Absicht sein, oder?
Heute will er das Notebook reparieren, bei dem die Lampen an der Tastatur wie verrückt blinken. Weiher hat eine Ahnung, woran das liegt. „Bestimmte Geräte haben bestimmte Fehler“, sagt der Mann aus Stein bei Nürnberg. Und dass es kein Zufall ist, wenn die Technik streikt. „Das ist nicht schlampig produziert, das ist Absicht.“
Überleben Elektrogeräte nur gerade so die Garantie?
Markus Weiher ist das, was man einen Bastler nennt. Einer, der früher Mofas zum Laufen brachte, später Handys und Monitore. Der ein T-Shirt mit einem großen Schraubenschlüssel darauf trägt und auf der angesagten Internet-Plattform „I fix it“ Reparatur-Anleitungen schreibt. Einer, der eine Ahnung haben muss, wenn er sagt: „Elektrogeräte werden so gebaut, dass sie gerade die Garantiezeit überstehen.“
Dennoch klingt es gewagt. Dass die Hersteller künstliche Schwachstellen in Produkte einbauen, damit diese frühzeitig kaputtgehen. Dass sie Technik mit einem Verfallsdatum ausstatten. Andererseits kennt doch jeder das Problem: Dass der Kaffeevollautomat dann den Geist aufgibt, wenn die Garantie abgelaufen ist. Dass das Notebook nach drei Jahren zickt, obwohl das alte Modell doppelt so lange ging. Dass man das Gefühl hat, alle zwei Jahre einen neuen Toaster zu brauchen. Kaufen wir, weil uns die Industrie dazu zwingt? Oder ist das ein Mythos?
Viel Ärger über kurze Lebensdauer von Elektrogeräten
Wer sich im Internet auf die Suche macht, kommt an Stefan Schridde nicht vorbei. Auf seiner Webseite Murks-nein-danke.de bündelt er Schrott-Meldungen. Marco klagt über den Flachbildfernseher, der plötzlich schwarz wurde, Thomas über den DVD-Player, der nicht repariert werden kann, weil es zwei Monate nach Garantie-Ende keine Ersatzteile mehr gibt. Schridde sagt: „Es sind oft die kleinsten Bauteile, die für die verkürzte Lebensdauer von Geräten verantwortlich sind.“
Vier von fünf Staubsaugern fallen aus, weil sich die Kohlebürste abgerieben hat – ein Bauteil am Motor, so groß wie eine Bleistiftmine. Dabei kosten länger haltbare Bürsten nur einen Cent mehr, sagt Schridde. Oder die Elektrolytkondensatoren, die die Stromversorgung in Notebooks und Fernsehern regeln. „Man weiß, dass sie keine Hitze vertragen“, sagt Schridde. Dennoch hat er festgestellt, dass sie ausgerechnet an den wärmsten Stellen platziert werden. „Es gibt Dinge, die wurden bereits kaputt erfunden.“
Schridde, 53, ist Betriebswirt. Einer, der schon im Studium gelernt hat, wie man alte durch neue Produkte ersetzt. Irgendwann hatte er genug davon. Seit zwei Jahren sammelt der Berliner kaputte Drucker, überhitzte Föhns und unbrauchbare Handys. Er hält Vorträge, lehrt an Hochschulen, schreibt Gutachten. Er sagt: „Geplante Defekte haben für die Hersteller Sinn, weil sie damit ihre Rendite erhöhen.“ Und dass das Phänomen nicht neu ist.
Bauen Hersteller gezielt Schwachstellen in ihre Produkte?
Es soll Weihnachten 1924 gewesen sein, als sich die Herren in Nadelstreifen trafen, in einem Hinterzimmer in Genf. Ein Problem einte die Fabrikanten: ihre Glühbirnen, die viel zu lange leuchteten, was wiederum schlecht fürs Geschäft war. Also vereinbarten sie, die Lebenszeit der Birnen zu beschränken – von 2500 auf 1000 Stunden. Mehr war bei Strafe untersagt. Erst 1942 flog das Kartell auf, an dem neben Philips und General Electric auch Osram beteiligt war. Es sind Geschichten wie diese, die die Autorin Cosima Dannoritzer in ihrem Buch „Kaufen für die Müllhalde“ beschreibt. Und dass der Gedanke früh salonfähig war. „Ein Artikel, der nicht verschleißt, ist eine Tragödie fürs Geschäft“, schrieb das Werbemagazin Printers’ Ink 1928.
Aber genügt das als Beweis? Dafür, dass die Hersteller Schwachstellen in ihre Waren einbauen? Nur um uns zum Kaufen zu bewegen?
Beim Zentralverband der Elektroindustrie kennt man das Thema, hört es aber nicht gern. Fachverbands-Geschäftsführer Werner Scholz sagt: „Der pauschale Vorwurf, die Industrie produziere vorsätzlich Produkte mit Verfallsdatum, ist haltlos.“ Er betont, dass von den fast 180 Millionen Haushaltsgeräten, die im Einsatz sind, 75 Millionen älter als zehn Jahre seien.
Und wie sieht das die Einrichtung, der die Deutschen vertrauen – die Stiftung Warentest? Deren Dauertests zeigen, dass Haushaltsgeräte heute nicht schneller und nicht häufiger kaputtgehen als früher. Auch in den Prüflaboren konnte man keinen Nachweis für einen geplanten Verschleiß erbringen. Physiker Jürgen Nadler spricht von Preisdruck, von günstigen Materialien und schlechter Konstruktion. „Mit Absicht hat das nichts zu tun.“ Das könnten sich die Hersteller auch nicht erlauben. „Wenn das bekannt wird, kauft das niemand mehr.“
Verbraucherschutz: Keine Beweise für geplanten Verscheiß
So einfach ist die Sache für Jürgen Resch nicht. Der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe sagt: „Der geplante Verschleiß kommt heute sehr viel raffinierter daher.“ Er erzählt die Geschichte, die auch Aktivist Schridde oder die Autorin Dannoritzer auf Lager haben: vom Tintenstrahldrucker, der die Arbeit verweigert, weil ein Chip ab einer gewissen Zahl an Druckvorgängen auf Reparaturmodus schaltet. Von Druckerpatronen, die so schnell leer werden, weil bei jedem Anschalten des Geräts auch die Druckköpfe gereinigt werden – und das, wo der Liter Druckertinte umgerechnet zwischen 600 und 800 Euro kostet.
Und dann ist da noch das, was Reisch „Schikane“ nennt: Akkus, die fest im Smartphone verbaut sind und oft früh schlapp machen. Wenn der Nutzer den Akku wechseln muss, aber es nicht selbst kann, wird es teuer. „Mondpreise“ verlangt Apple dafür, klagt Resch. Da kaufen sich viele lieber gleich ein neues Gerät. Mit Folgen. „Wenn wir uns jedes Jahr ein neues Handy kaufen, wird es zum Wegwerfprodukt.“
Die Frage ist nur: Ist es die Werbung, die uns alle paar Jahre ein neues Gerät aufschwatzt? Wollen wir selbst immer die neueste Technik haben? Oder zwingen uns die Hersteller, viel mehr Geld auszugeben, weil sie den vorzeitigen Tod von Geräten planen? Und wenn ja, warum beschwert sich niemand?
Nachfrage beim Bundesverband der Verbraucherzentralen. Die Frau am Telefon ist kurz angebunden. „Das Thema rangiert bei uns ganz unten.“ Auf der Internet-Seite ist zu lesen, dass auch die Verbraucherschützer den Verdacht hegen. Aber: „Es gibt keine Beweise, dass die Hersteller ganz bewusst schon bei der Entwicklung der Produkte solche Schwachstellen ersinnen. Allerdings scheinen sie die Geräte nicht auf Langlebigkeit auszulegen.“
Also doch geplanter Verschleiß, nur durch die Hintertür? Albert Albers winkt ab: „Alles Hokuspokus.“ Der Leiter des Instituts für Produktentwicklung am Karlsruher Institut für Technologie weiß, wie Artikel konzipiert werden. Er sagt: „Natürlich legen die Hersteller ein Gerät auf eine Gebrauchsdauer aus. Sonst wäre das Ding ja unbezahlbar.“ Je nachdem planen die Konstrukteure die Bauteile des Geräts.
Wichtig beim Einkauf von Elektrogeräten: "Qualität hat seinen Preis"
Albers weiß, wie seltsam das klingt. Darum ein Beispiel: die Bohrmaschine. Ein Gerät für Profis ist auf eine deutlich längere Nutzung ausgelegt – und enthält auch hochwertigere Materialien als ein Heimwerker-Modell. „Qualität hat seinen Preis.“ Ähnlich argumentiert die Stiftung Warentest: „Billige Geräte sind oft schneller Schrott als teure.“ Und dass man mit höherwertigen Geräten Chancen auf längere Lebensdauer habe. Produktentwickler Albers betont, dass der Ingenieur die Gebrauchsdauer möglichst abschätzen muss. Darum versuche er, ein Gerät so gut wie nötig zu bauen, nicht so gut wie möglich.
Auch Holger Krumme ist Ingenieur. „Und da weiß man, dass man Dinge so nicht baut.“ Dass man wärmeempfindliche Kondensatoren nicht neben Wärmequellen platziert. Dass man keine Zahnräder aus Kunststoff mit Metallteilen kombiniert. Krumme hat all diese Fälle gesehen. Der Technikchef des Testhauses HTV, das Waren für die Industrie prüft, sagt: „Wir haben genug Beispiele für Produkte, die eingebaute Sollbruchstellen enthalten.“ Nur: Beweisen kann er es nicht, dass die Hersteller das absichtlich tun.
Bei HTV geht man einen anderen Weg. Geräte, die einen Test auf Verschleißanfälligkeit bestehen, zeichnet das Unternehmen mit einem Gütesiegel aus. Daran soll sich auch der Kunde orientieren können. Krumme sagt: „Im Moment hat der Verbraucher ja keine Möglichkeit, langlebige Produkte zu erkennen.“ Und selbst die gesetzliche Gewährleistung von zwei Jahren hat ihre Tücken. Geht das Produkt nach einem halben Jahr kaputt, muss der Käufer beweisen, dass der Mangel schon beim Kauf vorhanden war.
Beim Umweltbundesamt scheint man das Problem erkannt zu haben. Dass man zu wenig darüber weiß, wie die Hersteller vorgehen. Dass es nicht einmal Richtlinien dafür gibt, wie lange ein Produkt funktionieren sollte. Nun will man mit einer umfangreichen Studie Fakten schaffen.
Ob es etwas bringt? Markus Weiher, der Mann im Schraubenschlüssel-Shirt, zuckt die Schultern. „Ich würde nie zu viel Geld für Technik ausgeben“, sagt er. „Weil man davon ausgehen muss, dass die Geräte zum Sterben verurteilt sind.“
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