Gleichheit auf Rezept? Die Bürgerversicherung hat Tücken!
Mit Verve kämpft die SPD gegen eine vermeintliche Zwei-Klassen-Medizin und für eine staatliche Einheitskasse. Dabei ist das bisherige System besser als sein Ruf.
Unsere Gesundheit ist uns lieb und teuer. Von der Kopfschmerztablette über den Yoga-Kurs für Schwangere bis zur neuesten Krebstherapie fließen in Deutschland jedes Jahr weit über 300 Milliarden Euro in das Gesundheitswesen. Es gehört zu den besten weltweit, etwas umständlich organisiert vielleicht, dabei aber immer noch auf ein Ziel ausgerichtet: Jeder Patient, ob reich, ob arm, ob privat oder gesetzlich versichert, soll die Behandlung bekommen, die er aus ärztlicher Sicht benötigt.
Deutschlands Gesundheitssystem ist besser als sein Ruf
Umso erstaunlicher ist es, mit welcher Verve die SPD gegen die vermeintliche Zwei-Klassen-Medizin zu Felde zieht und in den Gesprächen mit der Union den Einstieg in die sogenannte Bürgerversicherung fordert, eine Art Einheitskasse, in der Beamte und Freiberufler genauso Mitglieder sind wie Arbeiter, Angestellte oder die Bezieher von Hartz IV (hier erfahren Sie mehr zur Bürgerversicherung). Mit dem plakativen Bild von der Zwei-Klassen-Medizin suggerieren die Befürworter der Bürgerversicherung, dass Patienten in Deutschland schon deshalb schlechter behandelt werden, weil sie „nur“ in der AOK, einer Ersatz- oder einer Betriebskrankenkasse versichert sind – als ob alleine die Police einer privaten Assekuranz ein Mindestmaß an medizinischer Qualität garantieren würde.
Tatsächlich ist das deutsche Gesundheitswesen mit dem Nebeneinander von gesetzlicher und privater Versicherung bisher ganz gut gefahren. Im vergangenen Jahr, zum Beispiel, haben die privaten Kassen 25 Prozent der Arzthonorare bezahlt, obwohl nur elf Prozent ihrer Patienten bei ihnen versichert sind. Und selbst wenn die Warnung der Privaten vor einem Praxensterben überzogen sein mag, falls die Bürgerversicherung kommt: Die Beispiele anderer Länder zeigen, dass staatliche Einheitsversicherungen vielleicht solidarischer finanziert sind, deswegen aber nicht automatisch eine bessere medizinische Versorgung bieten.
Seit Einführung der Einheitstarife etwa werden die Wartezeiten in den Kliniken in den Niederlanden immer länger, von den dramatischen Versorgungsengpässen in Großbritannien gar nicht zu reden. In Deutschland dagegen sind es nicht zuletzt die (höheren) Einnahmen von den Privatpatienten, mit denen Ärzte ihre Praxen auf dem neuesten Stand halten – und davon profitieren auch die gesetzlich Versicherten, die zu ihnen kommen.
Die Bürgerversicherung schafft mehr Probleme, als sie lösen kann
Nüchtern betrachtet hat die Bürgerversicherung nur einen Vorteil: In dem Moment, in dem auch Beamte, Freiberufler und Selbständige in sie einzahlen und irgendwann womöglich auch noch Kassenbeiträge auch auf Zins- oder Mieteinnahmen fällig werden, fließt noch deutlich mehr Geld in die gesetzliche Krankenversicherung. Unterfinanziert aber ist die auch bisher nicht, im Gegenteil: Die Beiträge der privaten Kassen steigen stärker als die der gesetzlichen, die dank der guten Konjunktur und hoher Steuerzuschüsse im Moment im Geld schwimmen.
So würde die Bürgerversicherung am Ende mehr Probleme schaffen als lösen: Weniger Wettbewerb bedeutet ja auch weniger Innovation. Und da der Staat nicht in bereits bestehende Verträge eingreifen kann, wäre eine Einheitsversicherung erst dann flächendeckend eingeführt, wenn auch der letzte privat Versicherte gestorben ist, also in 60 oder 70 Jahren. Dazu käme eine auf Jahre hinaus unsichere Rechtslage, weil die Versicherer ihr Geschäftsmodell nicht kampflos aufgeben und vor die Gerichte ziehen würden.
Genug zu tun gibt es in der Gesundheitspolitik auch so. Zu wenige Pfleger in den Kliniken, zu wenige Ärzte auf dem Land, ein Übermaß an Bürokratie, die ungerechte Verteilung der Honorare zwischen Fach- und Allgemeinmedizinern: Für die nächste Legislatur sollte das an Herausforderungen reichen.
Die Diskussion ist geschlossen.
Wenn ich Politiker und damit fast immer Privatpatient wäre, würde ich auch gegen eine Bürgerversicherung sein! Als normaler Bürger und Patient spricht absolut nichts gegen eine Bürgerversicherung. Aber in Deutschland ist es Mode, dass alles zerredet wird!
Eine 2 Klassenmedizin wird es auch bei einer Bürgerversicherung geben.
Man erhöht Leistungen der Krankenkassen durch private Zusatzversicherungen.
Nicht wenn bei der Grundversorgung der momentane Standard beibehalten wird, wovon auszugehen ist. Darüber hinaus ist auch heute schon einiges möglich.
Eine völlige Gleichheit kann es nicht geben und funktioniert in der Praxis nicht. Wer versucht sie zu erzwingen unterliegt dem gleichen Trugschluss wie die Kommunisten.
https://www.focus.de/finanzen/versicherungen/krankenversicherung/niederlande-zeigen-so-teuer-koennte-die-buergerversicherung-fuer-steuerzahler-werden_id_8046442.html
Es sind vor allem 2 Interessengruppen, die gegen die Bürgerversicherung Stimmung machen: Die Beamten- und Ärztelobby und natürlich deren Schutzpatrone in CSU und FDP. Aber selbst die können nicht erklären, warum wir uns den Luxus von 122 gesetzlichen und 44 privaten Kassen mit eigenen Verwaltungsapparaten leisten sollten. Wettbewerb gibt es unter denen kaum. Schon gar nicht zum Vorteil der Versicherten. Den privaten Kassen laufen ohnehin die Mitglieder davon. Die Holländer sind mit ihrer "kommunistischen" Bürgerversicherung übrigens sehr zufrieden:
Der Focus dazu:
Trotz dem teuren Gesundheitssystem sei das holländische Gesundheitssystem kostenbewusster als das deutsche, schreibt die "Welt" weiter. So können nur Allgemeinärzte an Fachärzte überweisen und somit aus ihrer Sicht unnötige Behandlungen verhindern.
Auch qualitativ scheint es dem deutschen überlegen zu sein: Die Zahl der Todesfälle, die durch eine optimale Gesundheitsversorgung vermeidbar wären, ist weitaus geringer als in Deutschland. Innerhalb der EU ist hier nur Luxemburg noch besser als die Niederlande. In Bevölkerungsumfragen zeigen sich die Niederländer außerdem sehr zufrieden mit ihrem Gesundheitssystem.
Ich bin weder Beamter noch Arzt, sondern eigenständig denkender Bürger. Und die gut gemeinten und schlecht durchdachten Vorschläge der SPD gehen mir gehörig auf die Nerven.
Die Bürgerversicherung ist genauso eine unsinnige Idee wie die der "vereinigten Staaten von Europa".
Noch nie war die SPD so schwach wie derzeit und Martin Schulz ist der schlechteste Vorsitzende aller Zeiten. Es überrascht daher auch kaum, dass immer weniger Menschen die SPD wählen wollen. Das wiederum schadet aber der Demokratie insgesamt, weil dadurch die Parteien am linken und rechten Rand profitieren. Und noch schlimmer als die SPD wäre eine Regierung mit den radikalen und völlig unausgegorenen Parteiprogrammen von Linken oder AfD.
Die Bürgerversicherung ist genauso eine unsinnige Idee wie die der "vereinigten Staaten von Europa".
Ich gönne Ihnen Ihre Meinung, aber ich teile sie nicht. Außerdem halte ich Ihre Begründung für die Ablehnung der Bürgerversicherung, deren Befürworter sogar Seehofer in seiner Zeit als Gesundheitsminister war, für überhaupt nicht stichhaltig. Wir brauchen in Deutschland keine 2- oder 3-Klassenmedizin.