Günter Grass-Gedicht sorgt in Israel für Entsetzen
Regelrechtes Entsetzen hat ein Gedicht des deutschen Literaturnobelpreisträgers Günter Grass ausgelöst. Grass wirft Israel, vor den Weltfrieden zu gefährden.
Günter Grass hat in dem Gedicht, das am Mittwoch in der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht wurde, Israels Iran-Politik scharf angegriffen. Darin warf er Israel vor den Weltfrieden zu gefährden. Daraufhin erntete Günter Grass heftige Kritik - auch von Israels Gesandtem in Deutschland, Emmanuel Nahshon, und von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft.
"Was gesagt werden muss" - so heißt der Titel des Skandal-Gedichts von Günter Grass. Darin warf der Nobelpreisträger Israel vor, dass dieses durch einen Erstschlag das gesamte iranische Volk auslöschen könnte, nur weil vermutet werde, dass Teheran eine Atombombe baue. Dabei habe Israel selbst ein wachsendes nukleares Potential, das keiner Prüfung zugänglich sei.
"Atommacht Israel gefährdet den ohnehin brüchigen Weltfrieden?"
"Warum sage ich jetzt erst, gealtert und mit letzter Tinte: Die Atommacht Israel gefährdet den ohnehin brüchigen Weltfrieden?", schreibt Grass in dem Gedicht. Bisher habe er auch deshalb geschwiegen, weil er wegen der deutschen Nazi-Verbrechen gegen Juden glaubte, dies verbiete die Kritik an Israel. Nun könne es aber "schon morgen zu spät sein" und Deutschland "Zulieferer eines Verbrechens" werden. Grass kritisierte damit eine U-Boot-Lieferung an Israel. Durch dieses U-Boot könne Israel "allesvernichtende Sprengköpfe" auf den Iran richten.
Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Reinhold Robbe, nannte das Gedicht "überflüssig und eitel". Grass' Unwissen über die komplexen politischen Verhältnisse im Nahen Osten sei "erschreckend", er diskreditiere "sich selbst, als Intellektueller wie als Künstler".
Grass-Gedicht in Juden-Hetze eingeordnet
Israels Gesandter in Berlin, Nahshon, ordnete Grass' Gedicht ein in jahrhundertealte antisemitische Hetze gegen Juden. "Was gesagt werden muss ist, dass es zur europäischen Tradition gehört, die Juden vor dem Pessach-Fest des Ritualmords anzuklagen. Früher waren es christliche Kinder, deren Blut die Juden angeblich zur Herstellung der Mazzen verwendeten, heute ist es das iranische Volk, das der jüdische Staat angeblich auslöschen will", erklärte Nahshon.
Der Gesandte betonte, Israel wolle in Frieden mit seinen Nachbarn leben. "Und wir sind nicht bereit, die Rolle zu übernehmen, die Günter Grass uns bei der Vergangenheitsbewältigung des deutschen Volkes zuweist."
Broder: "Grass hatte schon immer ein Problem mit Juden"
Der Publizist Henryk M. Broder warf Grass in der "Welt" vor, "der Prototyp des gebildeten Antisemiten" zu sein. "Grass hatte schon immer ein Problem mit Juden, aber so deutlich wie in diesem 'Gedicht' hat er es noch nie artikuliert."
Das American Jewish Committee (AJC) zeigte sich entsetzt über das Gedicht. "Grass schadet der deutsch-israelischen Freundschaft ungemein, wenn er Israels notwendige Sicherheitspolitik als Verbrechen bezeichnet und den eigentlichen Verursacher des Konfliktes in Schutz nimmt", erklärte Deidre Berger, die Direktorin des AJC in Berlin.
Regierungssprecher lehnte Stellungnahme zu Grass ab
Regierungssprecher Steffen Seibert lehnte eine Stellungnahme zu dem Gedicht ab. "Es gilt in Deutschland die Freiheit der Kunst", sagte Seibert. Es sei auch die Freiheit der Bundesregierung, sich nicht zu allem äußern zu müssen.
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte "Spiegel Online", angesichts der Lage im Nahen Osten empfinde sie das Gedicht als "irritierend und unangemessen". Dagegen stellte sich die Linke hinter den Schriftsteller. Grass habe den Mut auszusprechen, was weithin verschwiegen worden sei, erklärte Linken-Vorstandsmitglied Wolfgang Gehrcke. afp/AZ
Die Diskussion ist geschlossen.