Guido Westerwelle ist nur mehr Parteichef auf Abruf
FDP-Chef Guido Westerwelle ist offenbar zum Verzicht auf den Vorsitz bereit. Mit Bayern und Baden-Württemberg führen zwei mächtige Landesverbände die Phalanx seiner Kritiker an.
Die Schlagzeile ist zu schön, um wahr zu sein. „Sarrazin kandidiert für die FDP“ titelt der Tagesspiegel in der Ausgabe vom 1. April und meldet einen „spektakulären Befreiungsschlag“ der Liberalen. Bereits am nächsten Wochenende solle der frühere Finanzsenator als Spitzenkandidat für die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus im September nominiert werden. Mit ihm, so das Blatt, sähe die Partei die Chance auf eine Trendwende ...
Guido Westerwelle ist im Moment vermutlich nicht nach Aprilscherzen zumute. Dass ihm selbst noch die Wende gelingt – das allerdings wird knapp eine Woche nach den Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz auch immer unwahrscheinlicher. Einflussreiche Liberale schließen nicht aus, dass er bereits an diesem Montag im Parteipräsidium seinen Rückzug als Vorsitzender anbietet oder sanft zum Verzicht gezwungen wird.
„Ich gehe davon aus, dass Guido Westerwelle die richtigen Schlussfolgerungen aus der Gesamtsituation zieht“, sagt der Fraktionschef der Südwest-FDP, Hans-Ulrich Rülke. Die Landesvorsitzende Birgit Homburger wird nicht ganz so deutlich, denkt aber ähnlich: „Wir können nicht so weiter machen“, betont sie. „Wir müssen alles auf den Prüfstand stellen, sowohl inhaltlich wie personell.“ Und dieses „alles“ schließt den Parteivorsitzenden selbstredend mit ein.
Der Außenminister ist am Freitag zwar noch in China unterwegs. Aus den vielen Telefonaten, die er von dort aus mit Parteifreunden führt, weiß er allerdings, was sich in der Heimat zusammenbraut. Mit Bayern und Baden-Württemberg fordern zwei der einflussreichsten Landesverbände unverhohlen seine Demission – und selbst auf seinen eigenen Verband, den nordrhein-westfälischen, kann der FDP-Chef nur noch eingeschränkt zählen. Dessen neuer Vorsitzender, der junge Staatssekretär Daniel Bahr ist einer der eifrigsten Strippenzieher im Hintergrund. Die neue FDP jedoch, an der er mit Generalsekretär Christian Lindner und Gesundheitsminister Philipp Rösler bastelt, kommt auch ohne den alten Vorsitzenden aus. „Keiner sollte an seinem Posten kleben“, sekundiert Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die bayerische Landesvorsitzende. An der Basis grummle es wegen Westerwelle „erheblich.“
Ob Lindner oder Rösler tatsächlich ihren Hut in den Ring werfen, ist nach wie vor offen. Dem Vernehmen nach ist Westerwelle bereit, den FDP-Vorsitz einem der Jüngeren zu überlassen, wenn er Außenminister bleiben kann. Sollte beim Parteitag Mitte Mai in Rostock allerdings Sabine Leutheusser-Schnarrenberger antreten, hat er Anfang der Woche in kleiner Runde durchblicken lassen, würde er auch eine Kampfkandidatur nicht scheuen. Kein Wunder: Den Verzicht zugunsten eines deutlich Jüngeren könnte der 49-Jährige noch halbwegs gesichtswahrend als Generationswechsel verkaufen, sollte ihn dagegen eine fast 60-Jährige beerben, wäre das nur eines: ein Ausdruck seines persönlichen Scheiterns.
Am Sonntag, wenn Westerwelle aus Asien zurück ist, beginnt die entscheidende Phase der liberalen Krisendiplomatie. „Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst und arbeiten alle gemeinsam an einer Teamlösung“, sagt Bahr, der Regisseur mit dem größten Landesverband im Rücken. Zwei von drei stellvertretenden Vorsitzenden, Andreas Pinkwart und Cornelia Pieper, werden in Rostock nicht mehr antreten. Rainer Brüderle dagegen ist fest entschlossen, seine Ämter als Wirtschaftsminister und FDP-Vize zu verteidigen, auch Fraktionschefin Birgit Homburger denkt nicht daran, freiwillig ihren Platz zu räumen: „Ich wurde massiv gebeten, jetzt nicht von Bord zu gehen.“
Alles hängt im Moment mit allem zusammen. Müssen, zum Beispiel, auch Brüderle und Homburger gehen, wenn Westerwelle fällt? Oder braucht die Partei zumindest den Wirtschaftsminister noch, um die Stammkundschaft aus dem Mittelstand bei der Stange zu halten? Sicher ist nichts und möglich fast alles. Nur eines, simst jemand, der mittendrin sitzt im Auge des liberalen Orkans, ahne er: „Es geht jetzt fix.“
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