Guttenberg: Die Bruchlandung eines Überfliegers
Mit dem Rücktritt des Verteidigungsministers verliert die Bundesregierung einen Hoffnungsträger. Guttenberg ist zuletzt über sich selbst gestolpert.
Lange galt Karl-Theodor zu Guttenberg als Hoffnungsträger und Lichtgestalt der Politik. Doch in den vergangenen Wochen musste sich der Verteidigungsminister mit Begriffen wie Lügner, Betrüger und Märchenonkel auseinandersetzen. Immer stärker geriet der CSU-Politiker in der Plagiatsaffäre um seine Doktorarbeit unter Druck. Am Dienstag zog er die Konsequenzen und erklärte seinen Rücktritt.
Es ist die Bruchlandung eines Überfliegers. Es war nicht die erste Krise für den Verteidigungsminister. Die Bewertung des Luftangriffs im nordafghanischen Kundus, die jüngsten Affären um geöffnete Feldpost oder die Vorkommnisse auf dem Marineschulschiff "Gorch Fock" - all das brachte den Minister allenfalls in Erklärungsnot, nicht jedoch in echte Probleme. Nun stolperte er wegen seiner abgeschriebenen Doktorarbeit ausgerechnet über sich selbst. Es sei "der schmerzlichste Schritt meines Lebens", erklärte Guttenberg in einem eilig einberufenen Statement im Verteidigungsministerium.
Politisches Erbe: Abschaffung der Wehrpflicht
Gerade einmal 16 Monate war der 39-Jährige Chef im Verteidigungsressort. Doch hat er in dieser kurzen Zeit die Bundeswehr umgekrempelt wie kaum einer seiner Amtsvorgänger. Wichtigster Punkt: die Abschaffung der Wehrpflicht nach über 50 Jahren. Zudem werden überflüssige Rüstungsvorhaben gekippt und die Armee von 250.000 Mann auf maximal 185.000 Soldaten verkleinert. "Das bleibt das politische Erbe des Freiherrn zu Guttenberg", hieß es in Berlin. Geboren wurde Guttenberg am 5. Dezember 1971 in München. Studiert hat er Rechts- und Politikwissenschaften. Eloquent und engagiert eroberte er fast im Sturm die Herzen der CSU-Sympathisanten. Bei der Bundestagswahl 2009 wurde er "Erststimmenkönig". Den bayerischen Wahlkreis Kulmbach holte er mit bundesweit unerreichten 68,1 Prozent der Erststimmen.
Rasante Karriere
Zunächst als einfacher CSU-Abgeordneter im Bundestag wurde Guttenberg im November 2008 für kurze Zeit Generalsekretär seiner Partei. Im Februar 2009 übernahm er das Amt des Bundeswirtschaftsministers. Schon in diesem Job war er der jüngste Wirtschaftsminister in der deutschen Geschichte - und deutlich schillernder als seine Vorgänger. Guttenberg wusste sich von Anfang an, sich zu inszenieren. Populär machte ihn auch seine Rücktrittsdrohung in der Debatte um die Opel-Rettung. Mit nur 37 Jahren wechselte der CSU-Mann im Oktober 2009 in das Wehrressort und wurde der jüngste Verteidigungsminister der Bundesrepublik Deutschland. Viel Sympathie schlug ihm bei der Truppe entgegen, hatte Guttenberg doch selbst gedient und es im Gebirgsjägerbataillon 233 in Mittenwald zum Unteroffizier der Reserve gebracht. "Er ist einer von uns", sagten die Soldaten.
Holpriger Start im Verteidigungsressort
Der Start im Verteidigungsministerium verlief trotzdem holprig. Gleich zu Anfang warf Guttenberg im Zusammenhang mit dem Bombenabwurf von Kundus seinen Staatssekretär und den Generalinspekteur raus. Dann schmiedete er die "größte Reform der Streitkräfte" seit Bestehen der Bundeswehr und nahm Kurs auf ein kleines Ministerium, schaffte den Einsatzstab in seinem Haus ab und entmachtete die Inspekteure als "kleine Herrscher" der Teilstreitkräfte. Das brachte ihm erstmals Gegenwind der Generalität ein. Parallel dazu stritt er gern mit Außenminister Guido Westerwelle in dessen Feld der Außenpolitik über Deutungshoheit und um den Afghanistan-Einsatz. "Freunde werden die beiden nicht mehr", hieß es schon im vergangenen Jahr aus beiden Ressorts.
Dann kam zu Jahresbeginn 2011 der "Dreifachschlag" mit der "Gorch Fock"-Affäre, ausgespähten Feldpostbriefen und einem Schießunfall in Afghanistan. All die Affären schadeten dem fränkischen Adligen nicht wirklich - das Abschreiben bei seiner Dissertation schon. Zum Selbstverteidigungsminister sei er nicht bestimmt worden, sagte Guttenberg am Dienstag in Berlin. Und fügte hinzu, wenn die mediale Aufmerksamkeit mehr seinem Doktortitel gelte als toten Soldaten in Afghanistan, dann sei was schief gelaufen. Alle, die Guttenberg kennen, bescheinigen dem Freiherrn einen eigenen Standpunkt - bis hin zur Starrköpfigkeit. Nur eines sagt ihm keiner nach: einer zu sein, der an einem Sessel klebt. Auch nicht am Posten des Verteidigungsministers. Sein Vater, der Dirigent Enoch zu Guttenberg, beschreibt ihn als "viel zu souverän", um etwas nur um der Macht Willen zu tun. Das hatten viele Guttenberg in den letzten Tagen unterstellt. Er hat nun das Gegenteil demonstriert.
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