Halbzeit bei der Großen Koalition: Ist die nächste Wahl schon entschieden?
Zur Halbzeit der Großen Koalition zeichnen Meinungsforscher ein Stimmungsbild der Deutschen. Was die Probleme der SPD sind und inwieweit die AfD eine Rolle spielt.
Kann Bundeskanzlerin Angela Merkel schon den Sekt kaltstellen, weil ihr der Sieg bei der Bundestagswahl in zweieinhalb Jahren ohnehin nicht zu nehmen ist? Manfred Güllner, der Gründer und Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts „Forsa“ hält sich zwar mit einer klaren Aussage zurück, doch die Zahlen, die er präsentiert, sprechen eine deutliche Sprache. War es in den vergangenen Jahrzehnten üblich, dass die Partei, die den Kanzler stellte, in der Mitte der Legislaturperiode in der Wählergunst einbrach und massiv an Zustimmung verlor, so stehen CDU und CSU derzeit mindestens genauso gut da wie bei der Bundestagswahl vor eineinhalb Jahren.
Die Union würde, wie im September 2013, auf mehr als 40 Prozent kommen. Und die SPD liegt unverändert bei 25 Prozent. „Kaum Abweichung, das gab’s noch nie in der Mitte der Legislaturperiode“, sagt Güllner, der seit mehr als 30 Jahren den Puls der Deutschen fühlt und sie nach ihren politischen Einstellungen befragt.
Kein Herausforderer könne Merkel das Wasser reichen
Vor allem aber kann CDU-Chefin Merkel der nächsten Bundestagswahl im Herbst 2017 wohl deshalb äußerst gelassen entgegen sehen, weil nach den Umfragen des „Forsa“-Instituts niemand in Sicht ist, der ihr als Herausforderer das Wasser reicht. Lag SPD-Kanzlerkandidat Gerhard Schröder beispielsweise im März 1998 im persönlichen Vergleich deutlich vor dem damaligen Amtsinhaber Helmut Kohl (47 zu 21 Prozent), können sich im Augenblick nur elf Prozent der Deutschen SPD-Chef Sigmar Gabriel als Kanzler vorstellen. Dagegen wollen 58 Prozent, dass Angela Merkel Regierungschefin bleibt.
Zudem habe die SPD im Vergleich zur Union eine „massive Mobilisierungsschwäche“, die sich auch nach der Bundestagswahl bei den bisherigen vier Landtagswahlen fortgesetzt habe. So verlor die SPD mehr Wähler an andere Parteien oder ins Lager der Nichtwähler als die CDU. „Die Bindekraft der Union ist unverändert größer als die der SPD“, sagt Güllner.
Aus Sicht des Meinungsforschers hat die SPD drei gravierende Probleme, für die keine Besserung in Sicht seien: fehlende politische Kompetenz in praktisch allen Themenbereichen, ein wenig zugkräftiges Spitzenpersonal und die Konzentration auf falsche Themen.
„Ihre schon im Wahlkampf nicht erfolgreichen Themenschwerpunkte wie Mindestlohn, Rente mit 63, Mietpreisbremse oder Frauenquote werden zwar von vielen für richtig gehalten, sind aber nur für eine Minderheit wirklich wichtig oder werden nicht als Lösung der Probleme gewertet“, sagt Güllner. So halten nur zwei Prozent der Deutschen das Thema Mindestlohn für wichtig, die Mietpreise brennen nur einem Prozent unter den Nägeln. „Die SPD muss sich um die wirklich relevanten Themen kümmern“, so sei es überfällig, dass Gabriel als Wirtschaftsminister die ökonomische Kompetenz der SPD verbessere.
Auch von AfD geht wenig Gefahr aus
Auch von der AfD hat die Union aus Sicht des Wahlforschers wenig zu befürchten. Die These, enttäuschte CDU-Wähler würden in Scharen zur AfD überlaufen, lasse sich nicht halten. So verlor die CDU zwar bei den vier Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen, Brandenburg und Hamburg im Vergleich zur Bundestagswahl in diesen Ländern 940000 Wähler, aber gleichzeitig konnte die AfD in den Ländern nur 68000 Stimmen hinzugewinnen. Von 100 Abwanderern der CDU landeten nur 14 bei der AfD, genauso viele wie bei der SPD, dagegen 47 im Lager der Nichtwähler.
Zudem sind die Abwanderer nicht mehr rechts als die CDU-Stammwähler, sondern nach eigener Einschätzung sogar etwas linker. Während sich die Stammwähler der CDU auf einer Skala von eins (ganz links) bis zehn (ganz rechts) bei 5,6 verorten, sehen sich die Wechselwähler bei 5,2. „Von einem von der Union verursachten Vakuum am rechten Rand des Parteienspektrums kann keine Rede sein“, so Güllner, gerade die Konservativen in der CDU seien treue Stammwähler, die nicht zur AfD wechselten.
Eindringlich appellierte der Meinungsforscher an die Parteien, das Thema Nichtwähler ernst zu nehmen. Die These, die Menschen gingen aus Zufriedenheit mit ihrer persönlichen Lage nicht zur Wahl, sei schlicht falsch. Vielmehr sei der „Unmut über politische Akteure“ das Hauptmotiv. Weit verbreitet seien die Thesen, Politiker hätten kein Ohr mehr für die Sorgen und Nöte der Menschen, reden unverständlich, streiten zu viel und orientierten sich an den Meinungen von Minderheiten.
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