Haushalt ohne neue Schulden? Warum Schäuble das Problem nur vertagt
Ein Haushalt ohne neue Schulden? Auf den ersten Blick ist das ein Erfolg für Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Tatsächlich vertagt er aber die Probleme nur.
Gute Argumente haben sie alle. Ursula von der Leyen soll die Bundeswehr besser ausrüsten, Bauministerin Barbara Hendricks neue Wohnungen schaffen, Andrea Nahles die Flüchtlinge fit machen für den Arbeitsmarkt und denen, die es trotzdem nicht schaffen, die Miete und Hartz IV bezahlen. Der Finanzminister, der angesichts solcher Herausforderungen die Hand eisern auf der Kasse hält, muss erst noch ernannt werden. In einem Land, dessen Regierung mehr als die Hälfte ihres Geldes für soziale Leistungen ausgibt, spart kein Politiker gerne – und in guten Zeiten schon gar nicht.
Der Haushalt für 2017, den das Kabinett gestern abgesegnet hat, atmet mit zusätzlichen Ausgaben von fast neun Milliarden Euro genau diesen Geist. Weil die Konjunktur brummt und die Zinsen niedrig bleiben, bekommt jeder Minister, was er will. 18 Monate vor der Bundestagswahl hat das nicht nur mit den enormen Summen zu tun, die Betreuung, Integration und Alimentation von gut einer Million Flüchtlingen verschlingen werden.
Mit dem höheren Wohngeld, der Lebensleistungsrente und dem Elterngeld plus denkt die Koalition natürlich auch an den Herbst 2017 und den Wahlkampf davor – nur zugeben will das so offen niemand.
Der neue Haushalt liest sich wie ein Stück aus dem Schlaraffenland der Finanzpolitik. Die Rücklagen von 12,8 Milliarden Euro aus dem vergangenen Jahr sind bereits für die Flüchtlingshilfe verplant, aber so lange die Schwarze Null steht, ist offenbar alles für alle in Ordnung. Dass eine Rezession oder ein Anstieg der Zinsen, wie er sich in den USA längst abzeichnet, schnell zu Steuerausfällen und zusätzlichen Kapitalkosten in zweistelliger Milliardenhöhe führen können? Geschenkt. CDU, CSU und SPD leben von der Hand in den Mund. Anstatt die guten Jahre zu nutzen, um Schulden im größeren Stil abzubauen oder die Steuern wenigstens ein klein wenig zu senken, steckt die Koalition die Mehreinnahmen ausschließlich in Mehrausgaben.
Die Finanzpolitik sollte immer das große Ganze im Auge behalten
Selbst Wolfgang Schäuble, eigentlich ein Garant für eine gewisse Solidität, hatte SPD-Chef Sigmar Gabriel am Ende nicht mehr viel entgegenzusetzen. Die zusätzlichen Ausgaben für neue Kitaplätze, für Behinderte oder neue Programme gegen den Extremismus, die er durchgesetzt hat, addieren sich auf weit über zwei Milliarden Euro.
Gute Argumente gibt es auch dafür jede Menge. Eine vorausschauende Finanzpolitik aber zeichnet sich dadurch aus, dass sie nicht jedem Wunsch nachgibt und das große Ganze im Blick behält. Wie eng es schon bald werden könnte, zeigt ein Blick in die Finanzplanung für das Jahr 2018. Darin hat Schäuble eine „globale Minderausgabe“ von annähernd sieben Milliarden Euro vorgesehen.
Im Klartext: Wenn diese Summe nicht über zusätzliche Steuereinnahmen hereinkommt, wird er selbst oder sein Nachfolger sie anderen Ministerien wieder wegnehmen, die dann wiederum Leistungen kürzen oder Investitionen verschieben müssen. Dass es nicht schon 2017 so weit ist, liegt alleine an den niedrigen Zinsen, die dem Bund fünf Milliarden Euro beim Schuldendienst sparen.
Es bleibt das Verdienst von Wolfgang Schäuble, als erster Finanzminister seit mehr als 40 Jahren keine neuen Schulden mehr gemacht zu haben. Gemessen an dem, was möglich gewesen wäre, wirkt seine Schwarze Null jedoch wie eine Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Dass die SPD versuchen würde, jeden neuen Steuer-Euro sofort für neue Ausgaben zu verplanen, war schon beim Abschluss des Koalitionsvertrages absehbar. Dass die Union ihr dabei so bereitwillig folgen würde, nicht.
Schäuble bestätigt alle, die es schon immer geahnt haben: Die CDU ist halt doch die bessere SPD.
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