Höchste Zeit, dass die Kanzlerin zur Flüchtlingskrise Position bezieht
Die epochale Flüchtlingskrise erfordert politische Führung – und ein Konzept dafür, wie das durchaus hilfsbereite Land diese Herausforderung meistern kann.
Brandstiftung, Volksverhetzung, Randale, Fremdenhass: Die Übergriffe auf Asylunterkünfte häufen sich. Was im sächsischen Heidenau passiert, erinnert fatal an die rechtsextreme Gewaltwelle in den neunziger Jahren – mitsamt der Gefahr, dass es auch diesmal nicht bei Vandalismus und üblen Parolen bleibt. Der Staat darf dieses schändliche Treiben nicht zulassen. Er muss die Flüchtlinge nach besten Kräften schützen und mit aller Härte des Gesetzes gegen die Gewalttäter vorgehen.
Gefordert ist auch das Engagement der demokratischen Bürgergesellschaft, die diesen Wirrköpfen gemeinsam die Stirn bieten muss. Es darf nicht der geringste Zweifel daran bestehen, dass Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung tabu ist. Null Toleranz: Diese Maxime gilt im Umgang mit allen Extremisten – und übrigens auch dann, wenn es, wie jüngst in einem Suhler Asylheim geschehen, zu schweren Ausschreitungen gewalttätiger Flüchtlinge kommt.
Deutschland ist ein weltoffenes Land
Die deutsche Bevölkerung hat mit dem Mob, der gegen Asylbewerber hetzt und das Ansehen Deutschlands in der Welt beschädigt, nichts zu schaffen. Die Verunsicherung darüber, wie es weitergehen soll, ist natürlich groß. Doch Deutschland ist ein weltoffenes Land, das zu großzügiger Hilfe bereit ist. Es ist imponierend, was Kommunen, Behörden, Sicherheitskräfte und einzelne Bürger leisten. 60 Prozent der Deutschen glauben, dass der Ansturm von 800.000 Menschen heuer „verkraftbar“ sei. Nur eine verschwindend kleine Minderheit sympathisiert mit dem „Ausländer raus“-Gegröle.
Das ist ein ermutigendes Zeichen dafür, dass Deutschland diese gewaltige Aufgabe mit vereinten Kräften meistern kann. SPD-Chef Gabriel greift nicht zu hoch, wenn er von der „größten Herausforderung seit der Wiedervereinigung“ spricht. Diese Völkerwanderung hat ja eben erst begonnen. Und sie wird sowohl unsere Republik als auch das bisher jämmerlich versagende EU-Europa nachhaltig verändern.
Was, wenn nicht diese Krise, ist Chefinnen-Sache?
Die Politik steht vor der historischen Aufgabe, Jahr für Jahr hunderttausende Flüchtlinge zu integrieren und zugleich den Prozess der Einwanderung so zu steuern und zu regulieren, dass der soziale Friede gewahrt bleibt, das Land und seine Sozialsysteme nicht überfordert werden und die positive Grundstimmung der aufnehmenden Bevölkerung erhalten wird.
Dieser Kraftakt kann nur gelingen, wenn jenseits der humanitären Verpflichtungen auch alle Instrumente zur Begrenzung der Einwanderung genutzt werden. Dazu gehört die konsequente Anwendung des Asylrechts, das nicht für Armutsflüchtlinge da ist und sowohl rasche Verfahren als auch Abschiebungen erfordert. Dazu gehören auch die Kürzung von Geldleistungen oder der Ausbau von Aufnahmezentren, um die Kommunen zu entlasten. Dazu gehört vor allem ein Konzept, wie Deutschland mit dieser Krise umgehen will.
Man hört erstaunlich wenig von Angela Merkel
Die Bürger brauchen das Gefühl, dass ihre Sorgen ernst genommen werden und die Politik der Probleme irgendwie Herr wird. Das hat nichts mit latenter oder gar offener Ausländerfeindlichkeit, sondern mit dem notwendigen Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Politik in stürmischen Zeiten zu tun. Schlichtes Krisenmanagement, wie es zur Stunde betrieben wird, reicht da nicht. Vonnöten ist die Bereitschaft der großen Parteien zu raschem, gemeinsamem Handeln. Vonnöten ist politische Führung. Was, wenn nicht diese Krise, ist Chefinnen-Sache? Man hört erstaunlich wenig von Angela Merkel und wüsste gerne, was die Kanzlerin konkret tun will. Es wird höchste Zeit, dass Merkel entgegen ihrer Gewohnheit klar Position bezieht, einen Weg aufzeigt und Entscheidungsprozesse beschleunigt.
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