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Reise in die Vergangenheit
21.07.2015

Holocaust-Überlebender erzählt von Zeit in Augsburger Lager

Es gibt so vieles, was Witold Scibak am liebsten vergessen würde.
Foto: Marcus Merk

Witold Scibak war Zwangsarbeiter und saß im KZ. Fast 70 Jahre lang will der Pole nicht darüber reden. Dann entdeckt er in einer Ausstellung zufällig ein Foto von 1945.

Der alte Mann steht auf der steilen Dorfstraße und ist sich ganz sicher. Die Wiese dort unten, der Wald dahinter, hier war es. Hier hat vor 70 Jahren und drei Monaten sein zweites Leben begonnen. Hier, in Klimmach im südlichen Landkreis Augsburg, hat die Besatzung eines amerikanischen Panzers ihn und etwa 1500 weitere Häftlinge befreit. Häftlinge aus der Außenstelle des Konzentrationslagers Dachau im Augsburger Stadtteil Pfersee auf ihrem Todesmarsch. Während ihre Bewacher, SS-Leute und Angehörige der Luftwaffe, in den Wald zu fliehen versuchten oder sich ergaben, liefen die Gefangenen auf den Panzer zu. Manche versuchten, an ihm hochzuklettern. „Wir waren derart ausgezehrt, dass den Soldaten die Tränen in die Augen stiegen. Und die waren doch den Krieg gewohnt“, sagt der alte Mann nun.

Es gibt so vieles, was Witold Scibak am liebsten vergessen würde. Seine Vergangenheit im KZ, in Sachsenhausen, Bergen-Belsen, in den Dachauer Außenstellen Horgau und Augsburg. Aber es gab eben auch den Moment der Befreiung. Der katholische Pole ist heute 87. Bis vor zwei Jahren hat er kaum über die schweren Monate seiner Jugend gesprochen. Nicht mit seiner Familie, nicht mit den Freunden und auch nicht mit den Kollegen an der Universität Warschau, an der er später gearbeitet hat.

Doch mit dem Alter, als Kinder und Enkelkinder groß waren, als das Arbeitsleben längst vorbei war, da dachte er plötzlich anders. „Ich will der jungen Generation erzählen, was ich erlebt habe. Was Menschen anderen Menschen antun können, obwohl sie gar kein persönliches Verhältnis zueinander haben.“ Das ist das eine.

Warum kam Witold Scibak zurück nach Augsburg?

Es gibt noch einen Grund, der Witold Scibak zurück in die Stadt und den Landkreis Augsburg führte. Der hat mit einem großen Zufall zu tun. Und mit dem Lebenswerk von Anna Andlauer. Die ehemalige Englisch- und Sozialkundelehrerin erforscht seit Jahrzehnten die Geschichte des Kinderheims in Markt Indersdorf (Landkreis Dachau), ihrer Heimatgemeinde. Hier wurde gleich nach dem Krieg eine Unterkunft für Kinder eingerichtet, deren Eltern im KZ ermordet oder in Osteuropa für die Zwangsarbeit in Nazi-Deutschland entführt worden waren. Eine von den Vereinten Nationen eingerichtete Stelle suchte für die Kinder in deren Heimatländern nach überlebenden Verwandten.

Gedenkfeier im Bunker der Welfenkaserne/Militärgeschichtliche Sammlung Weingut II
35 Bilder
Gedenkfeier zur Befreiung der Außenlager des KZ Dachau
Foto: Thorsten Jordan

Auch Anna Andlauer hat sich schon vor vielen Jahren auf deren Spuren begeben und mittlerweile mehr als 80 Fälle dokumentiert. Zum 70. Jahrestag des Kriegsendes 1945 hat sie ihre Ergebnisse in Warschau in einer Ausstellung gezeigt. Witold Scibak hat sie sich angesehen. Und zwischen den Fotos von anderen Jugendlichen, mit denen er einige Monate im Heim verbrachte, plötzlich sein eigenes entdeckt.

Dann ging alles ganz schnell. Zunächst wollte der ehemalige Bauingenieur und Uni-Dekan nichts davon wissen, zurück an den Ort seiner Qualen und seiner Befreiung zu fahren. Es war seine Enkelin Karolina, 29, die ihn schließlich überredete und ihn auf der Reise auch begleitete. Eine Reise, die ihn unter anderem in die KZ-Gedenkstätte Dachau führte, wo er von seinen Erlebnissen berichtete. Etwa 120 Überlebende von einst 200 000 gebe es noch, die dazu in der Lage und auch bereit sind, sagt Dirk Riedel, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Gedenkstätte.

Erst wird er ins KZ Sachsenhausen gebracht, dann nach Bergen-Belsen

Die dunkelste Zeit im Leben von Witold Scibak beginnt im Spätsommer 1944. Kurz nach dem Warschauer Aufstand findet sich die ganze Familie in einem Zug wieder. Sein Vater und er müssen in Oranienburg aussteigen und werden ins Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht. Mutter und Schwester fahren weiter ins KZ Ravensbrück. Schon kurz darauf werden Vater und Sohn getrennt. Der 16-jährige Witold kommt erst in einen Block für Minderjährige, dann geht es ins KZ Bergen-Belsen.

Über diese Zeit möchte Scibak nicht reden. Er sagt, er könne sich auch kaum erinnern, vieles sei in seinem Gedächtnis gelöscht. Im Winter 1944/45, mit jetzt 17, ist er so weit, dass er sich in den elektrisch geladenen Zaun werfen will. Die vielen Toten, die Leichenberge, er hält es nicht mehr aus. Dann hört er von der Möglichkeit eines Arbeitseinsatzes, „da hab ich mich gemeldet“. In einem, wie er sagt, schrecklichen Transport per Zug geht es von Bergen-Belsen nach Süddeutschland. Immer wieder werden in diesen 14 Tagen Tote aus dem Zug geworfen. Es gibt kaum Essen, kaum etwas zu trinken. Es gibt auch nicht viele, die das überleben.

Das Ziel von Witold Scibak ist Horgau im Kreis Augsburg. Dort ist gerade mitten im Wald das Außenlager des KZ Dachau fertig geworden. Heute sagt man „Blechschmiede“ dazu. Damals baut hier die Firma Messerschmitt Tragflächen für Flugzeuge, womöglich auch für die damals völlig neuen Düsenjäger. „Wir wissen das nicht so genau, es gibt keine Aufzeichnungen“, sagt Kreisheimatpflegerin Claudia Ried.

Erst vor wenigen Jahren haben Ehrenamtliche die Reste im Wald frei gelegt. Heute können die deutlich erkennbaren Fundamente der Hallen besichtigt werden. „Erzählungen wie die von Witold Scibak ergänzen unsere Kenntnisse“, sagt Ried. Gegen Ende des Krieges sind viele Osteuropäer von den Nazis entführt worden, um in Deutschland in der Waffenindustrie zu arbeiten, auch Jugendliche. Der Weg von Sachsenhausen über Bergen-Belsen und Dachau sei ganz typisch dafür, erläutert die Historikerin.

Das neu eröffnete Lager in Horgau erschien Scibak wie ein "Kurhaus"

Noch gibt es in der Geschichte der „Blechschmiede“ Lücken, sagt auch Wolfgang Kucera. Deshalb sind für Historiker wie ihn Treffen wie jenes mit Witold Scibak so wichtig. Sie sind vielleicht keine historischen Momente, aber offenbaren eben wichtige Momente für Historiker. Wo Quellen fehlen, können Zeitzeugen helfen, das Geschichtsbild zu vervollständigen.

Witold Scibak bleibt damals nicht lange in Horgau. Heute erinnert er sich nur noch an wenig; etwa, dass ihm das neu eröffnete Lager nach der Erfahrung von Bergen-Belsen wie ein „Kurhaus“ vorkommt. Auf den Pritschen gibt es Matratzen, und die Wachmannschaft sorgt sich sogar darum, die Arbeitskraft der Häftlinge und Zwangsarbeiter zu erhalten. Ein Zeichen dafür, wie schlecht Scibaks Lebensumstände zuvor waren, sagt Claudia Ried. Auch in Horgau werden erst mal die Toten aus dem Zug gezogen, auch hier rund ums Lager sterben Menschen, auch hier betteln die Häftlinge bei der Bevölkerung um Brot.

Schon wenige Tage später kommt der Jugendliche aus Polen in ein anderes Außenlager des KZ Dachau, in die Halle 116 im Augsburger Stadtteil Pfersee. Jeden Tag müssen die Gefangenen in einem weiteren Messerschmitt-Werk im heutigen Univiertel arbeiten. Zwölf Stunden dauert die Schicht, eine halbe Stunde der Fußmarsch zur Fabrik. Wenn er abends zurückkehrt in Halle 116, werden die Tore geschlossen. Keiner darf mehr hinaus.

Als Witold Scibak nach mehr als 70 Jahren an diesen Ort zurückkehrt, erinnert er sich sofort. „Ja, das war das Haus. Ich habe hinter der dritten Tür von rechts gelebt.“ Auch im Innern ist das Gebäude kaum verändert, obwohl es nach dem Zweiten Weltkrieg jahrzehntelang Teil der Sheridan-Kaserne der amerikanischen Streitkräfte war. Im Auftrag der Stadt Augsburg arbeitet Historiker Tobias Brenner nun daran, ein Konzept für Halle 116 zu entwickeln. Sie soll ein Erinnerungsort bleiben.

Über den UN-Suchdienst findet Scibak seine Familie wieder

Dann kommt der Tag, an dem die KZ-Häftlinge einen anderen Weg als den üblichen zu ihrer Arbeitsstelle nehmen. Es geht in Richtung Süden. Sie sind den ganzen Tag unterwegs, die Nacht verbringen sie in einem Stadel. „Am nächsten Tag verhielten sich die Soldaten komisch. Sie machten ein Lagerfeuer und verbrannten ihre Abzeichen und wohl auch Dokumente“, erzählt Scibak. Kurz darauf taucht der Panzer auf. Die amerikanischen Soldaten bringen den jungen Mann nach Schwabmünchen. Er kommt erst in einer Familie unter, später im Kinderheim in Markt Indersdorf.

Er ist sicher, dass den Terror der Nazis keiner aus seiner Familie überlebt haben kann. Doch er irrt sich. Der UN-Suchdienst findet seine Familie schon nach zwei Wochen. 1946 kehrt er zu ihr zurück.

Scibaks Reise in die eigene Vergangenheit geht zu Ende. Doch in Klimmach, an diesem heißen Julitag, hat er noch etwas vor. Er weiß, dass es hier einmal ein Gasthaus gegeben haben muss. Witold Scibak war gerade von den Amerikanern befreit worden, als er durch ein geöffnetes Fenster dunkles Brot auf einem Tisch liegen sah. Er beugte sich hinein und nahm sich ein paar Laib. Von dem Bettzeug, das jemand zum Lüften über den Zaun geworfen hatte, schnappte er sich einen Kissenbezug, daraus bastelte er eine Art Rucksack. Ein Diebstahl in der Not.

Dafür will er sich jetzt entschuldigen. Tatsächlich: Der Enkel der Gastwirtin, Adolf Guggemos, lebt noch im selben Haus. Sein Vater hat ihm die Geschichte von den befreiten KZ-Häftlingen erzählt, da war Guggemos noch Jugendlicher. Die Sache aber mit dem Brot und dem Kissenbezug ist hier längst vergessen. „Jeder“, sagt Historiker Wolfgang Kucera, „erinnert sich halt an seine eigene Geschichte.“

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