Horst Seehofer, der Eisbrecher
Die Sudetendeutschen zeichnen den Ministerpräsidenten mit dem europäischen Karlspreis aus - dieser revanchiert sich umgehend mit einem Bekenntnis zum "vierten Stamm" in Bayern.
Horst Seehofer, der "Eisbrecher", der "geduldige Brückenbauer", der "Antreiber". Viel wird in den Festreden über ihn gesagt an diesem Pfingstsonntag in der voll besetzten Schwabenhalle im Augsburger Messezentrum. Mehrere tausend Menschen sind gekommen, um mitzuerleben, wie dem bayerischen Ministerpräsidenten in der Hauptkundgebung des 64. Sudetendeutschen Tags die wichtigste Auszeichnung der Landsmannschaft verliehen wird: der Europäische Karlspreis. Der CSU-Politiker revanchiert sich an Ort und Stelle und verspricht ab 2014 einen jährlichen Gedenktag in Bayern für Heimatvertriebene.
Seehofer habe das Eis zwischen Bayern und Tschechien gebrochen
Seehofer habe sich um ein vereintes Mitteleuropa verdient gemacht, sagt Bernd Posselt, Sprecher der Volksgruppe und CSU-Abgeordneter im Europaparlament. "Er hat das Eis zwischen Bayern und der Tschechischen Republik gebrochen." Nach Jahrzehnten der Funkstille habe Seehofer das Nachbarland als erster bayerischer Ministerpräsident offiziell besucht: "Und heute stehen wir an einem Wendepunkt."
Ein offener, freundschaftlicher Dialog zwischen Sudetendeutschen und Tschechen auch auf politischer Ebene sei in Gang gekommen, bei dem nichts ausgespart werde - nicht die Verbrechen des NS-Regimes, nicht die Vertreibung der rund drei Millionen Sudetendeutschen nach dem Krieg. "Immer mehr Menschen auf beiden Seiten wollen die Wunden der Geschichte nutzen, um im Sinne eines Nie-Wieder zusammenzuführen."
Historische Ansprache des tschechischen Premiers vor dem bayerischen Landtag
Seehofer habe als Schirmherr der Sudetendeutschen Volksgruppe den Gegenbesuch des tschechischen Premiers Petr Nečas im Februar ermöglicht, sagt Posselt. Dessen Ansprache vor dem bayerischen Landtag wertet man hier als historisch, da sie das Leid der Vertriebenen thematisierte.
Nun seien weitere Schritte der Annäherung geplant: ein bayerisch-tschechisches Parlamentariergremium etwa, eine Landesausstellung, ein Sudetendeutsches Museum in München und eines in Tschechien. "Wir haben gemeinsam in kurzer Zeit viel erreicht, obwohl die Rahmenbedingungen ungeheuer schwierig waren", sagt Seehofer.
In Bayern ist ein Gedenktag im September beschlossene Sache
Klar bekennt er sich zur Sudetendeutschen Volksgruppe, zum "vierten Stamm" in Bayern, der den modernen Freistaat mitaufgebaut habe. "Wir Bayern sind stolz auf die Sudetendeutschen", ruft er. Die Menschen reagieren emotional, klatschen lange. Applaus erhält er auch für den in Bayern bereits beschlossenen Gedenktag, der ab dem kommenden Jahr immer am zweiten Sonntag im September an das "Unrecht der Vertreibung" erinnern soll, so Seehofer. "Ein Meilenstein", kommentiert Franz Pany, Vorsitzender der Landsmannschaft.
Den Karlspreis bezeichnet der Ministerpräsident als "hohe Ehre" und Auftrag zugleich, den politischen Dialog weiter zu vertiefen. Er kündigt an, in Prag ein Verbindungsbüro einrichten zu lassen, das an der Staatskanzlei ansiedelt: "Der Draht zwischen Bayern und Tschechien ist Chefsache."
Für die Versöhnung müssen Deutsche und Tschechen noch viel tun
Dass noch viel zu tun ist, glaubt auch Bernd Posselt. Er denkt nicht zuletzt an die Beneš-Dekrete, die die Vertreibung der Deutschen ermöglichten und nach wie vor in Kraft sind. "Lasst uns gemeinsam diesen Zombie begraben", ermahnt er die "tschechischen Freunde". Im Sinne der Verständigung und Versöhnung zwischen Deutschen und Tschechen. Und das ist eine der wichtigsten Botschaften des Tages.
Sie wird auch von der Sudetendeutschen Jugend getragen. Ihr Vorsitzender Peter Paul Polierer weitet das Motto der 64. Sudetendeutschen Versammlung aus: "Zukunft braucht Heimat", lautet es. "Und unsere Heimat ist Europa", sagt er.
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