Hunderte Flüchtlinge stürmen Züge nach Österreich und Deutschland
Hunderte Flüchtlinge stürmten am Montag die Züge Richtung in Richtung Österreich und Deutschland. In Rosenheim schafft es die Polizei vorerst nicht mehr Züge zu kontrollieren.
In der ungarischen Hauptstadt Budapest hat die Polizei am Montag hunderte Flüchtlinge nach Österreich und Deutschland weiterreisen lassen. Die seit Tagen an den Bahnhöfen festsitzenden überwiegend syrischen Einwanderer stürmten Züge Richtung Wien, München und Berlin, wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichteten. In Österreich wurden bei wieder eingeführten Kontrollen in der Grenzregion 200 Einwanderer entdeckt und fünf Schlepper aufgegriffen.
Wegen der sich verschärfenden Flüchtlingskrise kontrolliert die Bundespolizei in Rosenheim vorerst keine dort ankommenden Züge mehr. "Wir haben 350 Flüchtlinge auf unserer Dienststelle", sagte Polizeisprecher Rainer Scharf am Montag auf Anfrage. Die Beamten seien mit der Versorgung und Registrierung der Asylbewerber vor deren Weiterreise in die Münchner Erstaufnahmestelle vollständig ausgelastet. "Wir können die Menschen nicht übereinanderlegen." Die Turnhalle der Inspektion sei voll belegt. Scharf wollte aber nicht ausschließen, dass zu einem späteren Zeitpunkt doch wieder Züge kontrolliert werden. Rosenheim liegt auf der Bahnstrecke Budapest-Wien-München.
Interaktive Karte: Darum fliehen die Menschen aus ihren Ländern
Ungarn liegt an der sogenannten Westbalkanroute, über die Flüchtlinge aus Syrien und anderen Krisenregionen nach ihrem Eintreffen in Griechenland weiter in westliche EU-Länder gelangen wollen. Nach den gemeinsamen EU-Asylregeln ist Ungarn verpflichtet, alle Einwanderer zu registrieren. Viele Flüchtlinge wollen aber gleich nach Österreich oder Deutschland weiterreisen.
Bis zu 2000 von ihnen saßen seit Tagen in provisorischen Lagern an Bahnhöfen in Budapest fest. Am Montag waren schließlich keine Sicherheitskräfte mehr zu sehen, die sie von der Weiterreise abhielten. An einem Gleis spielten sich dramatische Szenen ab, als einige Flüchtlinge einer Frau im Rollstuhl noch in den Zug halfen. Obwohl er überfüllt war, fuhr der Zug mit 20 Minuten Verspätung ab.
Ein österreichischer Polizist an dem Bahnhof sagte allerdings, die Einwanderer würden gestoppt, sobald sie über die österreichische Grenze kämen. Wien hatte am Vorabend in der Grenzregion wieder Kontrollen eingeführt, um Flüchtlinge in Lastwagen und Kleinbussen ausfindig zu machen und Schlepperbanden zu stoppen.
Die "Schwerpunktaktion", bei der nach offiziellen Angaben binnen weniger Stunden fünf mutmaßliche Schleuser aufgegriffen und mehr als 200 Einwanderer entdeckt wurden, führte zu einem Verkehrschaos auf ungarischer Seite: Bis zu 50 Kilometer stauten sich die Autos am Montag auf der Autobahn von Budapest nach Wien.
Die Regierung reagierte mit den Kontrollen auf den Tod von 71 Flüchtlingen - ihre Leichen waren am Donnerstag in einem an einer Autobahn im Burgenland abgestellten Kühl-Lkw entdeckt worden. Schon kurz nach dem Start der Kontrollen am Sonntagabend seien zwölf Einwanderer aus einem Kleinbus mit französischem Nummernschild befreit worden, teilten die Behörden mit. Der Fahrer sei festgenommen worden, hieß es in Medienberichten.
Österreich will Druck auf andere EU-Länder erhöhen
Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner sprach sich auch dafür aus, EU-Mitgliedsländern, die sich gegen eine Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der Union wehren, Gelder aus dem EU-Haushalt streichen. Der Druck auf die Regierungen müsse erhöht werden - "durch finanzielle Unterstützung, die gestrichen oder gekürzt wird", sagte die konservative Politikerin im ZDF-"Morgenmagazin". "Man kann sich in einer europäischen Gemeinschaft nicht nur die Rosinen herauspicken."
Eine Sperranlage, wie sie Ungarn an der Grenze zu Serbien hochgezogen hat, sei keine Lösung, sagte Mikl-Leitner weiter. Zu glauben, der Zaun werde Flüchtlinge abhalten, sei eine "Illusion". Die EU-Kommission sieht in der Barriere allerdings keinen Verstoß gegen europäische Vorgaben. Aus der Stacheldrahtbarriere ergäben sich "keine rechtlichen Konsequenzen" für Budapest, sagte eine Sprecherin der Behörde am Montag in Brüssel.
EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans sagte bei einem Besuch im nordfranzösischen Calais, seine Behörde werde "in einigen Wochen eine europäische Liste mit sicheren Ländern" vorlegen, um Flüchtlinge aus Krisenstaaten schneller von Wirtschaftsmigranten unterscheiden zu können. Er verwies insbesondere auf Balkanstaaten, die EU-Beitrittskandidaten sind: "Das sind sichere Länder." Die Liste solle helfen, die Asylanträge derjenigen schneller zu behandeln, "die wirklich Schutz bedürfen".
Angesichts der Flüchtlingskrise in Calais sagte Brüssel Paris fünf Millionen Euro zu. Mit dem Geld solle unter anderem ein Lager finanziert werden, das rund 1500 Flüchtlingen "humanitäre Hilfe" bieten könne, sagte Timmermans. Auch sollten Asylbewerber von Calais aus in andere Gebiete Frankreichs gebracht werden. afp
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